Einschulung 'Kannkinder'

H wie Hola

Du kannst Dein Kind noch so sehr an den Ohren ziehen, es wird
davon nicht größer. Entwicklung bedarf der Zeit und der
Geduld. Und vielfach ist die Ungeduld der Eltern der
Haupt-Hinderungsfaktor für eine ungestörte Entwicklung des
Kindes. Da wird zu früh zu viel gewollt. Da wird nicht
zweckfrei gespielt, sondern zielgerichtet, im Hinterkopf der
Bildungswille, erzogen.

Das ist so auch nicht ganz korrekt.

Eine vor einiger Zeit veröffentlichte britische Langzeitstudie stellte eindeutig fest: Elterlicher Einfluß auf Intelligenzleistungen wirkt nur in den ersten Jahren. Im Alter von etwa 6 bis 7 Jahren verschwindet der förderliche Faktor sogar völlig - dann sind alle Geistesleistung mit jedem Lebensjahr mehr und mehr von der reinen genetischen Veranlagung bestimmt.

Andersherum folgt daraus jedoch: Alle charakterlich-erzieherischen Grundlagen und Werte werden in dieser Zeit (bis also zur Einschulung) maßgeblich vom Umfeld des Kindes bestimmt. Das ist einerseits die Familie, andererseits die staatliche erzieherische Betreuung.

Oder wie der Volksmund sagt: „Was man an Benehmen und Anstand nicht in den ersten Jahren in ein Kind hereinbekommt, wird unmöglich nachzuholen.“.

Daraus folgt ebenso, daß man auf Dinge wie Hilfbereitschaft, Gruppensinn/Kollektivgeist usw. usf. gezielt hinarbeiten muß.
Eine zeitige(re) Einschulung ist deswegen kein probates Mittel im Sinne der Breitenbildung.

Hier wird den ganzen thread über nur die intellektuelle Komponente beleuchtet; das ist sicherlich richtig. Es schadet absolut nicht, daß Kinder im Kindergarten strikt motorisch-handwerklich geschult werden, daß sie sprachlich geschult werden, daß sie zur Kreativität angehalten werden, daß sie Zählen lernen, und, und, und.
Doch nur weil ein Kind vielleicht ein bißchen weiter im Kopf ist als andere, rechtfertigt dies keine frühere Einschulung. Selbst wenn es im letzten Jahr - bei mir zu DDR-Zeiten damals nannte sich das „große Gruppe“ - nichts Wissensorientiertes mehr dazulernt, so kann und muß es sich im sozialen Verhalten üben.
Es wird immer so getan, als ob es für tendenziell bessere Kinder ein Weltuntergang wäre, würden sie in ihrer individuellen, ich-zentrierten Entwicklung gebremst. Hier sprudelt der Zeitgeist. Das Abwerten der Gemeinschaft, das Ich vor dem Wir.

Wie deutlich dies nicht funktioniert - im Gegenteil sogar zu immer stärkeren Spannungen innerhalb der Gesellschaft führt - sieht man doch heuer.

Auch ein gutes Kind kann ruhig das 6. Lebensjahr (also bis es 6 wird) noch im Kindergarten verweilen, um Gruppenverhalten und anständige Werte weiter zu verinnerlichen. Schwächeren helfen, sich aktiv einbringen durch sein Wissen, oder einfach die Zeit genießen, bis es ernst wird, et cetera.

Diese Aspekte, also frühe Bildung und normal lange Verweildauer, gegeneinander auszuspielen, ist falsch - beides hat seine Vorteile, und nur wenn man beides kombiniert, wird ein Schuh draus. Das eine ohne das andere richtet mehr Schaden als Nützliches an.

MfG

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Hallo Eckard,

Wohl wahr, Karin,
und auch Allu hat ja diesen Punkt angesprochen.
Das ist so und das stelle ich auch gar nicht in Abrede.

es klang aber für empfindliche Ohren so. Deshalb habe ich mich bemüßigt gefühlt, das anders darzustellen.

Nur, was ich gerne (im Sinne der Eingangsfrage) betonen
wollte, war, dass man dem Kind einen Bärendienst erweist, wenn
man unnötigerweise Probleme herbeiführt. Ein Kind, das noch
nicht schulpflichtig ist („Kann-Kind“) einzuschulen,
obwohl die Schulreife noch nicht voll gegeben ist, ist
eine Belastung für alle Beteiligten, die mit einem Jahr des
Zuwartens und des Sich-Entwickeln-Lassens nicht auftreten
müsste.

Dazu hingegen kann ich als Mutter eines (ehemaligen) Kann-Kindes, dem man fürchterlich geschadet hätte, wenn sie wegen 2 Monaten (August statt Juni) nicht eingeschult worden wäre, nichts sagen.

Mir wurde damals von Kreti und Pleti erzählt, ich solle meinem Kind doch das Jahr schenken. Allerdings nicht von Menschen, die sie kannten. O-Ton Erzieherin im KiGa: „Wenn sie den Einschulungstest nicht schafft, dann müssen alle Schulkinder diesem Test unterzogen werden, da würde dann wohl keines durchkommen.“

Gruß, Karin

Hallo,

Eine französischen Studie mit Zwillingen die in verschiedene soziale Millieus adoptiert wurden zeigt genau das Gegenteil.
Dort konnte gezeigt werden, dass sogar in fortgeschrittenem Kindesalter der angeblich ja weitgehend stabile IQ sich unter dem Einfluss unterschiedlicher Bildungsmilieus deutlich auseinanderbewegte.

Soviel zur Statistik als Grundlage belastbarer Aussagen.

Gruß
Werner

H wie Hola.

Eine französischen Studie mit Zwillingen die in verschiedene
soziale Millieus adoptiert wurden zeigt genau das Gegenteil.

Nein, nein - das sind verschiedene Dinge.

Die Briten haben nachgewiesen, daß der genetische Anteil nach dem siebten Lebensjahr einfach sehr drastisch dominiert, und zwar umso stärker, je älter das Kind wird.

Was Du beschreibst, ist altbekannte Milieutheorie aus dem 19. Jahrhundert. Natürlich hat das Umfeld auch nach dem 7. Jahr Einfluß, aber NICHT direkt auf die Geistesleistung, sondern eben auf das soziale Gefüge drumherum.

Es gilt aber: Egal, was die Eltern nach dem 7. Lebensjahr versuchen, das Kind wird niemals besser als seine genetische Vorgabe. Sprich, Beeinflussungen in der Form, wie sie sich im Kindergartenalter anbieten, zeigen einfach keine echte Wirkung mehr.

Darüber hinaus bezog sich die britische Studie auf ein ganz normales, stabiles Umfeld aller Zwillingspaare. Dort wurde kein Schnitt in der Vertikalen der sozialen Schichten gemacht. Das war auch gar nicht Sinn und Zweck.

Die britische Studie hat zu keiner Zeit behauptet, Förderung von Kindern, normale Verhältnisse etc. seien überflüssig.

Die Franzosen zeigen doch nur Offensichtliches: Die Psyche spielt bei Leistungen eine Rolle - jedoch nur als Beeinflussung, zumeist nach unten. Sprich, Verschlechterung von Leistungen ist immer möglich, nach oben hin setzt aber der IQ als vornehmlich genetische Größe die Grenze.

Selbst bei IQ-Tests gibt es variierende Ergebnisse schon aus Gründen der Tagesform. Die Pschologie versucht einfach nur, durch entsprechend strukturierte Tests, diese Einflüsse zu unterdrücken. Vorhanden sind die Abweichungen aber immer.

Somit wird die französische Studie sogar genau genommen entwertet;
vergleicht man nämlich gleiches Milieu, so ist der Volksmund wieder im Recht, und direkter elterlicher Einfluß auf die Intelligenz verschwindet nach dem siebten Lebensjahr.

Was den Franzosen anzurechnen ist: Implizit unterstreichen sie erneut die Notwendigkeit einer Einheitsschule (und damit auch eines Einheitskindergartens zuvor), damit sich negative Aspekte der Milieutheorie nicht ausprägen können.

Nur mal so als Richtigstellung.

MfG

Hallo,
da hast du was missverstanden. Die Fanzösische Studie zeigte, dass der IQ sich veränderte und das auch bei Kindern die erst mit 6 - 12 Jahren einem anderen Millieu ausgesetzt wurden. Dass es sich dabei nicht um genetisch bedingte Entwicklungen handelte zeigte, dass die Entwicklung des IQ (die es so ja eigentlich gar nicht geben sollte) bei den getrennten Zwillingspaaren deutlich unterschiedlich verlief.
Aber zugegeben ging es bei der Studie um die Intelligenzentwicklung und nicht um die soziale, oder die Entwicklung von Lernhaltungen oder Sekundärtugenden die für die erfolgreiche Schullaufbahn auch nicht unrerheblich sind. Um die ging es Dir wohl mehr?

Gruß
Werner