Wie funktioniert die Welt?
Hallo Michael,
es ist schon erstaunlich, mit welcher Vehemenz Du vertritts, daß weder der Krieg in Afghanistan noch der Krieg im Irak etwas mit Öl zu tun haben könnte. Bei einem der beiden würde ich sagen, kann man Zweifel haben, nimmt man beide zusammen, ist mir das ein bißchen viel der Zufall.
Komischerweise spielten die Themen, um die es bei den Kriegen ja angeblich vornehmlich ging, nämlich Osama bin Laden zu fangen, Massenvernichtungswaffen und Hussein zu finden, jeweils kurz nach dem Krieg keine Rolle mehr bzw. die Diskussion über ihre Nichterreichung versandete. Auch das Geplänkel mit dem Untersuchungsausschuß wird sich irgendwann legen. Daß Blair größere Probleme hat, ist Bush auch egal.
Soviel der Vorrede: An einigen Stellen Deiner Zahlenspiele hast Du recht, bei anderen bin ich anderer Meinung. Das spielt aber auch keine Rolle. Wenn Bush nicht der wäre, der er ist bzw. seine „Berater“ andere wären, würde ich Dir wahrscheinlich recht geben und sagen, so sehr können die sich nicht verrechnen. Aber Bush ist der, der er ist und er hat die um sich, die er um sich hat.
In den USA ist die Waffen- und Öllobby an der Macht, Punktum. Mit Vernunft hat das alles nicht mehr zu tun. Wer von einem ausgeglichenen Staatshaushalt in etwas über zwei Jahren zu 455 Mrd. Dollar Neuverschuldung gelangt, hat mit rationalen, ökonomisch basierten Entscheidungen nicht viel am Hut.
Bei meinem Beruf geht es auch nicht zwangsläufig um die nackten finanziellen Fakten. Es geht um Überzeugen und Überzeugungen und vor allem geht es um Motive und Interessen. Regierungen, Staaten und Unternehmen sind im Endeffekt keine abstrakten Gebilde, sondern Ansammlungen von Menschen. Menschen, die Interessen haben und aufgrund ihres Wissen und ihrer Meinung Entscheidungen treffen. Es geht bei der ganzen Geschichte nicht darum, was am besten für die USA oder für die Amerikaner ist, sondern es geht darum, was das beste für die Bush-Regierung und die von ihr vertretenen Lobbies ist und was die Bush-Regierung glaubt , was das beste für Amerika ist.
Entscheidungen werden auf Basis von Informationen getroffen. Bei uns wird die Finanzpolitik auf der Basis von Ausarbeitungen von öffentlich Bediensten, die noch nie was von VWL gehört haben, von Eichel gemacht, der vorher Germanistik, Philosophie, Politik und Geschichte studierte. In Telekommunikationsunternehmen werden Analysen über den US-Mobiltelephonmarkt von Leuten gemacht, die weder jemals in den USA waren, noch Mitte der 90er ein Mobiltelephon hatten, sondern deren einzige Qualifikation darin bestand, daß sie englisch sprachen und vorher Internationales Management als Nebenfach im soeben absolvierten BWL-Studium hatten.
Und jetzt kannst Du Dir - vor dem Hintergrund der soeben bekannt gewordenen Details über die informationsmäßige Vorbereitung des Irak-Krieges - überlegen, wer in den USA die Analysen über die Situation auf dem Erdölmarkt in der Mitte dieses Jahrhunderts gemacht haben.
Und auf einmal, mutmaße ich, wirst Du den Gedanken, die USA gingen davon aus, mit dem im Irak kontrollierten Erdöl könne man die US-Wirtschaft vor den in 25 Jahren kommenden Problemen bei der Erdölversorgung, Einhalt gebieten, nicht mehr so absurd finden.
Wie gesagt: Ich sage nicht, daß die Methode hilft, aber nach der Methode wird vorgegangen, da bin ich mir absolut sicher.
Gruß,
Christian