Hallo Barez,
sicher hast Du schon einige Antworten bekommen und vielleicht inzwischen schon die dritte Sitzung hinter Dir…
Meine persönliche Erfahrung ist, dass sich Therapeuten gerade in den ersten Sitzungen Notizen machen um die Eckdaten, also Geschichte, Entstehung + Verlauf, Familie, Umfeld, Daten, Beruf etc. zu notieren. Aber das muß ja nicht zwangsläufig so sein. Später ist es dann unterschiedlich, da wird manchmal nur wenig notiert oder nach der Sitzung ein Protokoll vom Wesentlichen angefertigt. Manche Therapeuten lassen Fragebögen ausfüllen, möglicherweise stehen Deine Daten und wichtige Infos da schon drin?
Wie auch immer, ich verstehe, dass Du irritiert bist. Wenn der Therapeut nichts aufschreibt würde ich mich fragen ob er mein Anliegen ernst nimmt oder sorgfältig arbeitet. Andererseits ist es auch möglich, dass es der persönliche Stil Deines Therapeuten ist der sich erst nach der Sitzung ein paar Notizen macht.
Meine Frage ist, wie dieser Therapeut arbeitet, welche Schule.
Wenn er eher tiefenpsychologisch/analytisch orientiert ist, dann würde diese Vorgehensweise „nun, erzählen Sie mal“ zum Konzept gehören. Dadurch, dass der Therapeut die Strukturen und das Thema nicht vorgibt, wird der Klient auf sich selbst zurückgeworfen. Manöver, die man im alltäglichen Leben nutzt um sich zu schützen oder andere zu täuschen, sind unwirksam und man wird mit der eigenen Unsicherheit und heiklen Themen konfrontiert. Genau an dieser Stelle setzt die Therapie an, da wird gearbeitet.
Hast Du Dir einen Verhaltenstherapeuten ausgesucht, sieht die Konzeption eine stärkere Strukturierung vor, zumindest am Anfang. Aber auch hier ist der Auftakt offen, man steigt an der Stelle ein wo Du den Anfang machst. Das bedeutet Freiheit und Chance. Es zeigt dass Du Verantwortung und Kontrolle hast. Würde Dein Therapeut sagen wo es lang geht, wärest Du sicher irgendwann böse und würdest Dich gegen ihn auflehnen.
Ich habe noch nie erlebt, dass der Therapeut gezielt da anfängt, wo man beim letzten mal aufgehört hat oder sagt „so, jetzt nehmen wir uns dieses Thema mal vor.“ Strukturiert wird an anderer Stelle. Meine Therapeuten hatten meine Baustellen schon im Hinterkopf. Aber die Sitzung gestaltete sich meist so dass ich anfing, irgendwo. Aus einer Alltagssituation heraus (Streß mit der Friseurin) konnte ich meine Problematik erkennen, erstaunlich! Und da strukturierte der Therapeut schon indem er Fragen stellte und mich aufforderte, Einzelheiten zu erzählen.
Das ist das womit in der Therapie gearbeitet wird. Man kann das Problem nicht isoliert betrachten, man findet sich selbst mit allen Stärken und Schwächen, mit allen Eigenarten, in jeder Lebenssituation wieder. Und zu sagen „erzählen Sie mal, was beschäftigt sie so, was ist seit dem letzten mal Wichtiges geschehen“ ist ein sinnvoller Einstieg.
Wenn Du ganz sachlich und emotional unbeteiligt über Deine Baustellen, erst Problem A, dann Problem B, sprechen willst, könnte es sein, dass Du Dir selbst nicht auf die Schliche kommst. Sich im Vorfeld Gedanken zu machen was das Wichtigste dazu wäre, verhindert geradezu, dass die Therapie in Bewegung kommt, denn Du bist eher mit dem Verstand dabei.
Berichtest Du aber von einem Erlebnis, dass Dich verärgert, verunsichert oder sonst wie emotional berührt hat, bist Du Dir selbst auf der Spur. Und dabei hilft Dir der Therapeut, bei der Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis, und hat verschiedene Techniken die sehr wirksam sind, ohne Dich aber jemals zu zwingen. Bevor Du etwas verändern kannst, geht es darum, zu erkennen wer Du bist und was ist. Das hat sehr viel mit Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber zu tun und erfordert innere Stärke. Und es ist nicht leicht, lohnt die Mühe aber.
Die Antwort des Therapeuten, Deine Probleme seien eher emotionaler Natur, klingt für mich erst mal ehrlich. Etwas irritiert darf der Therapeut schon sein, kündigt sich doch an dass es auf Deiner Seite Bedenken oder Zweifel oder Mißtrauen gibt. Damit muß der Therapeut umgehen.
Trotz allem Dafür: Ich würde die Bedenken im Auge behalten. Am Anfang einer Therapie ist es normal, dass man Zweifel und Bedenken hat, Mißtrauen oder Angst. Es ist eine Gratwanderung. Wenn Du ständig Zweifel hast und Dich nicht gut aufgehoben fühlst, ist vielleicht etwas Wahres daran.
Soweit zu dem was mir bei Deinem Aufruf in den Sinn kommt. Ich hoffe, es ist das eine oder andere Wissenswerte und Hilfreiche für Dich dabei.
Liebe Grüße und viel Erfolg,
Sandra