Rohrbombe - was erwartet einen 14 Jährigen?

Hallo,

ich habe den Hinweis im UP auf Plastikflasche eher als Vergleich gesehen, aber meine Beurteilung an dem Begriff „Rohrbombe“, also einem Stahlbehältnis festgemacht. Es mag durchaus sein, dass eine platzende Flasche keine Explosion i.S. des § 308 ist. Dazu müsste man die Intensität der Explosion kennen.

Gruss

Iru

Hallo,

es geht nicht nur um Sprengstoffe, vielmehr um den Begriff der Explosion, durch die Leib oder Leben anderer oder fremdes Eigentum gefährdet wird.

Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt - also auch Explosionen durch Nicht-Sprengstoffe sind erfasst.

Der große Kommentar Schönke-Schröder sagt dazu:

Randnummer 3 1. Unter Explosion ist ein chemischer oder physikalischer Vorgang zu verstehen, bei dem durch eine plötzliche Volumenvergrößerung (Druckwelle) Kräfte frei werden, die eine zerstörende Wirkung ausüben können (vgl. hierzu E 62 Begr. 502, ferner § 2 SprengstoffG u. § 307 RN 3, Lackner/Kühl 2, SSW-Wolters 3, Wolff LK 4). Eine Gefährdung durch Implosionen (Luftunterdruck) oder Schallwellen, zB durch Flugzeuge, fällt nicht unter den Begriff der Explosion (Herzog NK 4, Krack MK 3, Wolters/Horn SK 4; and. Fischer 3, Lackner/Kühl 2, Wolff LK 4). § 308 ist kein allgemeines, dazuhin fahrlässig begehbares Leibes- oder Eigentumsgefährdungsdelikt. Mit Blick auf die Vielzahl von Faktoren, die im Alltag geeignet sind, eine Druckwelle herbeizuführen, in Abgrenzung zu §§ 306, 306 d und den allgemeinen Straftatbeständen (§§ 223, 229, 303 ff.) sowie zur Entlastung des Prozessrechts ist für das von der Handlung trennbare Erfordernis einer Explosion eine spezifisch gesteigerte Gefahrwirkung zu verlangen (vgl. Wolff LK 4, Wolters/Horn SK 5, Krack MK 5, Lackner/Kühl 2 [Sozialadäquanz]; enger Herzog NK 4 [nur chemische Reaktionen]; and. M-Schroeder II 24, Fischer 3). Abs. 4 legt eine solche Differenzierung nahe.

Randnummer 4 2. Die Explosion muss vom Täter zurechenbar herbeigeführt worden sein. Als Mittel der Tathandlung nennt das Gesetz namentlich Sprengstoff; zur Definition der Sprengstoffe vgl. § 2 SprengstoffG, das in der Neufassung von explosionsgefährlichen Stoffen spricht. Hierzu gehören zB Dynamit, Nitroglyzerin, Schießbaumwolle usw. Auch Schießmittel (zB Schwarzpulver) gehören hierher, sofern sie als Sprengmittel verwendet werden (RG 58 276, Wolff LK 4). Unerheblich ist, ob der vom Täter verwendete Sprengstoff üblicherweise zu Sprengungen verwendet wird (RG 48 72, 67 38).

Randnummer 5 § 308 ist aber nicht auf die Anwendung von Sprengstoff beschränkt. Es kommen nach hM alle Mittel in Betracht, die eine Explosion herbeizuführen geeignet sind (vgl. § 1 Abs. 1 SprengstoffG, LG Braunschweig NStZ 87, 231, KG NStZ 89, 369, Fischer 3, Lackner/Kühl 2), wie Wasserdampf, ein Gemisch aus Calciumcarbid und Wasser (vgl. RG 67 35), Natrium und Chloroform, Knallgase (Gemisch aus Sauerstoff und Leuchtgas, Methan oder Wasserstoff usw., Wolff LK 4). Dieser Weite der Tathandlung und des Mittels lässt sich durch eine restriktive Auslegung des Merkmals Explosion begegnen (o. RN 3). Verpuffungen in Gasbadeöfen, Druckwellen aus Haushalts-Überdruckkesseln oder chemischen Reaktionen aus handelsüblichen einzelnen Feuerwerkskörpern u. ä. mangelt es ihrer Art nach an der vorausgesetzten gesteigerten Gefährlichkeit, sie werden idR vom Tatbestand nicht erfasst (Lackner/Kühl 2, Wolff LK 4; and. Fischer 3, Wolters/Horn SK 5) bzw. stellen ausnahmsweise allenfalls einen minder schweren Fall iSd Abs. 4 dar.

Randnummer 6 Die Explosion darf jedoch nicht durch Freisetzen von Kernenergie verursacht sein (SSW-Wolters 3), hier greift § 307 ein.

Nach meinem Wissen, findet bei Rohrreinigern auch die beschriebene schnelle exotherme Reaktion statt, die, wenn sie sich wegen eines sie umschließenden Behältnisses nicht ungehindert ausbreiten kann, zur Explosion führt.

VG
EK

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Hallo,

Der große Kommentar Schönke-Schröder sagt dazu:

danke erst einmal für den Text. Auf so etwas hatte ich gehofft. Ich werde es mir gleich noch in Ruhe durchlesen.

Nach meinem Wissen, findet bei Rohrreinigern auch die
beschriebene schnelle exotherme Reaktion statt, die, wenn sie
sich wegen eines sie umschließenden Behältnisses nicht
ungehindert ausbreiten kann, zur Explosion führt.

Frei nach Otto: da waren sie wieder, unsere drei Probleme. Der Rohrreiniger wirkt nämlich absichtlich langsam. Die Gasentwicklung ist gewollt, um zu vermeiden, daß die Rohleitung, der Reiniger und das zu entfernende Gewölle zu einem zementartigen Klumpen werden. Das entstehende Gas dient also der Auflockerung. Natürlich will man nicht, daß dem Reiniger der ganze Summs anläßlich eines platzenden Rohres um die Ohren fliegt, so daß - wie gesagt - die Gasentwicklung erst allmählich erfolgt.

Dies ist auch aus einem anderen Grund erforderlich: bei dem entstehenden Gas handelt es sich (und das wird durchaus auch von Wissenschaftlern kritisiert) um Wasserstoff, der durchaus explosives Potential aufweist. Eine langsame Gasentwicklung ist also auch erforderlich, damit sich im Rohr keine explosive Mischung bildet, sondern der (leichte) Wasserstoff nach und nach entweichen kann.

Das explosionsartige Zerbersten der Flasche kommt nur dadurch zustande, daß auch langsam steigender Druck irgendwann die Leistungsfähigkeit der Flasche übersteigt.

Es bleibt schwierig. Verschärfend ist allerdings sicher auch zu werten, daß es sich bei der sich über den Schulhof verteilenden Masse um eine ziemlich ätzende und dazu noch ziemlich heiße Substanz handelt, was wahrscheinlich auch zu den Verletzungen geführt hat.

Gruß
Christian

Nicht nur Schüler sind da betroffen. Auch Lehrer, die eine Anleitung geben, machen sich strafbar.

http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article…

Danke EK,

damit bringst du Licht in das Dunkel des Sprengstoffes. :wink:

Gruss

Iru

Hallo,

Das explosionsartige Zerbersten der Flasche kommt nur dadurch
zustande, daß auch langsam steigender Druck irgendwann die
Leistungsfähigkeit der Flasche übersteigt.

Wenn ich mir das OP nochmal genau angucke, ist glaube ich gar nicht der Druck auslösende Ursache der Explosion:

Nun sind besagte 5 Jugendliche aber wirklich dämlich, und : schmeißen die Rohrbombe auf den Schulhof

Die Flasche stand zwar unter Druck, aber sie wurde eben nicht irgendwo (nach Art einer Bombe) „deponiert“, sondern geworfen. Beim Aufprall auf den Boden zerschellt dann die Flasche und die Druckwelle (nun nicht mehr von der Flasche zurückgehalten) nimmt ihren Lauf.

Inwieweit diese Unterscheidung wichtig ist, weiß ich auch nicht.

Meiner Meinung nach liegt der Knackpunkt eher hier:

Randnummer 3 1. Unter Explosion ist ein chemischer oder :stuck_out_tongue:hysikalischer Vorgang zu verstehen, bei dem durch eine plötzliche :Volumenvergrößerung (Druckwelle) Kräfte frei werden, die eine :zerstörende Wirkung ausüben können

Die Druckwelle muss also „zerstörende Wirkung ausüben (können)“. Genau dies ist aber beim Rohrreiniger nicht der Fall - die zerstörerische Wirkung geht von der Mixtur, nicht der Druckwelle aus.

Somit komme ich zu dem Schluss, dass es sich NICHT um eine Explosion in diesem Sinne handelt.

Gruß

Anwar

Bei einer Rohrreiniger Reaktion bleiben am Ende als
Endprodukte Feststoffe(oder genauer Flüssigkeiten) und Gase
zurück.

Ja, und zwar vom Rohreiniger so an die 99,9%.

Bei einer Schwarzpulver Reaktion bleiben am Ende als
Endprodukte Feststoffe und Gase zurück.

Das Verhältnis Gas zu Feststoffe liegt bei Schwarzpulver in etwa bei 3000:1 (nach Explosion). Ich würde das als substantiell von Rohrreiniger abweichend bezeichnen wollen.

Der einzige Unterschied besteht in den Prozentzahlen wie viel
in Gas übergeht.

Vollkommen richtig. Der Unterschied zwischen Rakete und Auto liegt ja auch nur in der Geschwindigkeit und vielleicht noch in der Zahl der Reifen.

Danke EK.

Hätte mich auch gewundert, wenn jemand, der z.B. „nur“ ein Überdruckventil verschließt, um eine Explosion herbeizuführen, unter einen milderen Paragraphen fallen würde.

Gruß manu

Hallo,

vielen Dank allen für die spannende Diskussion zum Thema Sprengstoff bzw. ob die Tat als Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion zu werten ist. Hier von meiner Seite aus vielleicht noch ein paar genauere Infos zum Hergang, für die, die es interessiert. (Infos stammen aus den Beschreibungen der lokalen Presse.)

Zunächst: falsch war der Hinweis, es habe auf dem Schulhof stattgefunden - Ort des Geschehens war die nahegelegene Schulbushaltestelle, die aber nicht zum Schulgelände gehört. Die Flasche wurde scharf in die Nähe von drei Schülern geworfen, welche die Flasche aufhoben. In deren Händen ist die (Plaste-)Flasche dann explodiert, die Verletzungen stammen von der ätzenden Flüssigkeit. Das Ausmaß der Verletzungen ist mir persönlich nach wie vor nicht bekannt.

Die Polizei legte wohl bei den Informationen, die an die Presse gegeben wurden, eher Wert auf die Chemikalie, als auf das Wort Bombe. („Halbstarke bewerfen Kinder mit Chemikalie“ oder so ähnlich lautete eine der Schlagzeilen. Möglicherweise ein Hinweis, dass zumindest die Polizei das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion nicht sieht?

Viele Grüße,
Inka

Dank!
Hallo zusammen,

vielen Dank für alle hilfreichen Kommentare, eine rege Diskussion und den ersten Überblick, den ich hier im Forum erhalten habe. Vielen Dank euch allen.

Viele Grüße,
Inka

Hallo, inka,

Zunächst: falsch war der Hinweis, es habe auf dem Schulhof
stattgefunden - Ort des Geschehens war die nahegelegene
Schulbushaltestelle, die aber nicht zum Schulgelände gehört.

Ich denke (aber wie gesagt, das ist sowieso von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich), dass das auf den Schulverweis keine Auswirkung haben wird.

Die Flasche wurde scharf in die Nähe von drei Schülern
geworfen, welche die Flasche aufhoben. In deren Händen ist die
(Plaste-)Flasche dann explodiert, die Verletzungen stammen von
der ätzenden Flüssigkeit.

Hmm, das könnte schon einen Unterschied machen. Ob das dann noch gefährliche Körperverletzung sein kann, weiß ich nicht. Ich würde dann wohl eher auf Fahrlässigkeit plädieren. Aber das hört sich stark nach einer Frage an, die nur der Richter entscheiden kann.

Die Polizei legte wohl bei den Informationen, die an die
Presse gegeben wurden, eher Wert auf die Chemikalie, als auf
das Wort Bombe. („Halbstarke bewerfen Kinder mit Chemikalie“
oder so ähnlich lautete eine der Schlagzeilen. Möglicherweise
ein Hinweis, dass zumindest die Polizei das Herbeiführen einer
Sprengstoffexplosion nicht sieht?

Wie die Polizei das sieht ist ja erst mal egal, Anklage erhebt die Staatsanwaltschaft. Aber wie bereits geschrieben, sehe ich hier EINDEUTIG keine Explosion im strafrechtlichen Sinne.

Gruß

Anwar