Hallo,
was darf ein rettungsassistent alles im einsatzfall?
medikamente darf er ja nicht geben, weiß ich jetzt.
was darf ein rettungssanitäter?
Also erstmal stellt jede (invasive) Behandlungsmaßnahme eine Körperverletzung dar, die einer Einwilligung durch den Patienten bedarf. Auch ein Arzt darf nicht „einfach so“ behandeln wenn der Patient nicht über die Maßnahme aufgeklärt ist und dieser zustimmt.
Im Gegensatz zu Ärzten dürfen RS/RA allerdings keine Diagnosen stellen, keine Medikamente geben und keine invasive Maßnahmen durchführen, auch dann nicht wenn der Patient zustimmt. So ist die Theorie.
In der Praxis ist das allerdings völlig weltfremd weil wenn der RS/RA nicht mal eine Diagnose stellen darf, kann er natürlich auch keinerlei Maßnahmen ergreifen.
Bei der Gabe von Medikamenten wird die Regel auch nicht durchgängig eingehalten, weil niemand stellt in Frage wenn RS/RA jemandem Sauerstoff applizieren - der auch ein Medikament ist. Auch Sprays wie Nitrospray, Berotec oder Auxilloson werden regelmäßig ohne NAchfragen gegeben, ebenso wie regelmäßig Zugänge gelegt und kristalloide Infosionen gegeben werden.
Hier stellt sich regelmäßig eher das rechtliche Problem weil RS/RA keine rechtliche Rückendeckung bei diesen Maßnahmen haben. Es kommt dadurch z. B. zu solchen grotesken Situationen daß Zugänge und Infusionen im Normalfall eigentlich nicht gegeben werden dürfen (auch wenn es dann doch faktisch oft geschieht), wenn der Patient aber in einem wirklich schlechten Zustand ist und es wirklich dramatisch wird erwartet man daß RS/RA dann im Rahmen der Notkompetenz genauso diese Maßnahmen durchführen. Nur: wie soll jemand ausgerechnet bei PAtienten in dramatisch schlechtem Zustand fähig sein derartige Maßnahmen sicher durchzuführen, wenn er das andererseits an „einfachen“ Patienten nicht regelmäßig trainiert?
Ähnliches bei der Defibrillation. In jedem Bahnhof, Flughafen, jeder großen Firma hängen AEDs, mit denen jeder Laie eine Defibrillation durchführen kann. Eine sinnvolle Maßnahme weil man inzwischen weiß daß die Elektrotherapie für viele Patienten lebensrettend ist. In vielen Rettungsdienstbereichen ist es auch inzwischen üblich RA/RS standardmäßig in der Defibrillation zu schulen, damit sie es können und anwenden. Rechtlich gesehen steht der RA/RS aber immer mit einem Bein im Gefängnis, weil das eine invasive Maßnahme ist, die er laut Gesetz eigentlich nicht durchführen darf.
Intubationen im Rahmen der Reanimation: wieder das gleiche. Ich habe selber seinerzeit einen Einsatz auf einem Sommerfest gehabt, bei dem ein ca. 40jähriger Mann reanimiert werden mußte. Der reguläre Notarzt war anderweitig im Einsatz, sodaß wir 2 RA erstmal alleine waren. Der Patient ließ sich trotz aller Versuche nur äußerst schwer/gar nicht beatmen, nach schätzungsweise 5-10 Minuten haben wir uns entschlossen eine Intubation zu versuchen. Dabei fand sich in den tiefen Halsregionen eine halb zerkaute Bockwurst, die sehr schwer zu erkennen war weil sie sich farblich kaum von der Umgebung der Luftröhre unterschied.
Ich gehe nicht so weit zu unterstellen daß der Patient sicher überlebt hätte wenn wir ihn sofort intubiert hätten. Ausschliessen läßt es sich aber auch nicht. Da sind in jedem Fall 5-10 Minuten wertvolle Zeit verstrichen, die vielleicht eben doch entscheidend waren…
Ich sehe das letztlich wie Malte: es hapert in Deutschland nicht an der Fähigkeit von RS/RA, die können meistens sehr viel und hätten spätestens dann, wenn sie entsprechende Maßnahmen auch offiziell durchführen dürften und auch fortgebildet wären, tagtägliche Übung. Es scheitert an ärztlichen Standesvertretungen und mangelnder rechtlicher Absicherung, die viele Leute erstmal vor notwendigen Maßnahmen zurückschrecken läßt - bis der Zustand des Patienten schon sehr schlecht ist und eine bestimmte Maßnahme „unumgänglich“ wird oder zumindest relativ einfach gerechtfertigt werden kann. Im Sinne eines Patienten kann das aber nicht wirklich sein.
Ein weiterer - ich kann es nicht anders nennen - Auswuchs ist daß durch die unklare Rechtslage, in die sich jemand begibt wenn er im Rahmen der Notkompetenz tätig wird, in fast allen Rettungsdienstbereichen eigene „Regeln“ ergeben wann und wie RS/RA tätig werden. Im Rhein-Sieg-Kreis, bei Bonn, z. B. führt die ärztliche Leitung des Rettungsdienstes eigene Fortbildungen zur Defibrillation durch. Es wird natürlich erwartet daß diese Vorgaben eingehalten werden weil der Arbeitgeber auch nur dann hinter den Maßnahmen des RS/RA steht wenn dieser sich, arbeitsrechtlich gesehen, an die Anweisungen hält. Blöderweise stehen die Vorgaben aber im Gegensatz zu den Empfehlungen sämtlicher maßgeblicher Organisationen/Kompetenzen auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Medizin. RS/RA geraten hier also regelmäßig in den Konflikt gegen wektweit anerkannte und übliche Standards zu verstossen - oder sich arbeitsrechtlich auf sehr dünnes Eis zu begeben.
Solche Auswüchse sind nur möglich weil keine einheitliche gesetzliche Regelung besteht, wo es dann in der Verantwortung des einzelnen Durchführenden wäre die Maßnahmen so zu machen wie es allgemein üblich und erprobt ist.
Im Ausland lacht man sich tot wenn man hört daß Krankenschwestern und RA/RS in Deutschland offiziell keine Zugänge legen dürfen und deswegen jedes Mal ein Arzt gerufen werden muß (besser: müßte)…
btw: fühlte mich bei denen immer sicher aufgehoben,
Das ist grundsätzlich eine gute Einstellung. Es gibt in jedem Beruf Deppen, natürlich auch bei RS/RA. Die Regel ist aber daß die Leute eine Berufsausbildung absolviert haben, tagtäglich diesen Job ausüben und die entsprechenden Fähigkeiten haben.
Gruß,
MecFleih