Vorsicht noch mehr Grammatik!
Liebe Leute, vor allem die Einwände Steffens haben mich meine Aufstellung überarbeiten und auch ergänzen lassen.
Ich bin aber nicht sicher, ob ich alles recht gemacht habe.
Der Konjunktiv der Zukunft ist so ein unsicherer Kantonist.
Viel Spaß damit.
Fritz
Im deutschen Zeitsystem unterscheidet man:
A) Vergangenheit,
B) Gegenwart und
C) Zukunft.
Jede Zeit kann eine von drei Modi (Modus) annehmen:
I. Indikativ,
II. Konjunktiv und
III. und Imperativ. (Der tritt nur im Präsens auf, wird deshalb hier vernachlässigt)
Außerdem kann jedes Tempus in einem von zwei Genera (Genus) erscheinen:
a) Aktiv,
b) Passiv.
Für die Vergangenheit A stellt uns die deutsche Sprache drei Zeitformen (Tempora) und zwei Genera zur Verfügung:
AIa1: Indikativ Aktiv Präteritum (auch Imperfekt genannt): ich ging, du lachtest, er wollte, wir dachten, ihr fuhret, sie kamen;
AIb1: Indikativ Passiv Präteritum: ich wurde angegangen, du wurdest ausgelacht, er wurde gepiesackt, …
Achtung: Ich verzichte im Folgenden auf die Angabe aller Personen!
AIa2: Perfekt Aktiv: ich bin gegangen, du hast gelacht, er hat wollen (sic!), wir haben gedacht, ihr seid gefahren, sie sind gekommen;
AIb2: Perfekt Passiv: ich bin angegangen worden, du bist ausgelacht worden, …
und AIa3: Plusquamperfekt Aktiv: ich war gegangen, du hattest gelacht, er hatte wollen (s. o.), wir hatten gedacht, ihr wart gefahren, sie waren gekommen.
AIb3: Plusquamperfekt Passiv: ich war angegangen worden, du warst ausgelacht worden, …
Für die Gegenwart B bietet das Deutsche nur eine Zeitform an:
BIa: das Präsens Aktiv: ich frage, du hast, er will, wir denken, ihr fahrt, sie kommen.
BIb: Präsens Passiv: ich werde gefragt, du wirst belogen, …
Für die Zukunft C können wir zwischen zwei Zeitformen wählen:
CIa1: das Futur (auch Futur I genannt): ich werde fragen, du wirst haben, er wird wollen, wir werden denken, ihr werdet fahren, sie werden kommen.
CIb1: Futur I Passiv: ich werde gefragt werden, du wirst belogen werden, …
und CIa2: das Futur II Aktiv: ich werde gefragt haben, du wirst gehabt haben, er wird gewollt haben, oder er wird [Infinitiv] wollen haben, wir werden gedacht haben, ihr werdet gefahren sein, sie werden gekommen sein.
CIb2: Futur II Passiv: ich werde gefragt worden sein, du wirst belogen worden sein, …
All diese fünf Zeitformen drücken reale Aussagen aus. Diese Aussagenform oder Modus wird Indikativ genannt.
Bei all diesen fünf Zeitformen kann noch angegeben werden, ob die Aussage im Aktiv oder im Passiv steht.
Eine grammatische Analyse einer Verbform nennt:
Person, Numerus, Modus, Tempus, Genus, also
3. Person Singular, Indikativ, Perfekt Aktiv von schlafen:
r/ sie/ es hat geschlafen
3. Person Singular, Indikativ, Perfekt Passiv von schlagen:
er/ sie/ es ist geschlagen worden
Kommen wir jetzt zum zweiten Modus, dem Konjunktiv.
Wir haben zwei Konjunktive:
- den Konjunktiv I (fälschlich und irreführend auch: Konjunktiv Präsens bzw. Perfekt genannt)
Diesen Konjunktiv benützen wir zu Wiedergabe der indirekten Rede:
Helmut Kohl sagt: „Ich gebe die Namen nicht bekannt!“ erscheint in der Zeitung als:
Helmut Kohl sagte, er gebe die Namen nicht bekannt.
Für den Konjunktiv haben wir in den drei Zeiten nur je eine Aussageform, von denen die der Zukunft so gut wie nie gebraucht wird.
A. Konjunktiv I der Gegenwart:
Er komme bald. Sie wolle es wissen.
B. Konjunktiv I der Vergangenheit:
Er sei früher gekommen. Sie habe es wissen wollen (sic!)
C. Konjunktiv I der Zukunft
Er werde bald kommen.
- den Konjunktiv II (fälschlich und irreführend auch: Konjunktiv Präteritum bzw. Plusquamperfekt genannt).
Diesen Konjunktiv verwenden wir, wenn wir über irreale Verhältnisse sprechen, über Wünsche, Möglichkeiten, Hypothesen; auch bei der höflichen Bitte findet dieser Konjunktiv II Verwendung:
Ich habe keine Ahnung! Ich weiß es nicht! aber ich wünsche mir:
Ich hätte gern eine Ahnung! Ich wüsste es gern!
A. Konjunktiv II der Gegenwart:
Er wäre gerne Millionär! Ich wollte, ich wäre ein Huhn, ich hätte nicht viel zu tun. Ich wäre dämlich, aber froh.
B. Konjunktiv II der Vergangenheit:
Er wäre gerne Millionär gewesen. Ich hätte gewollt (sic!), ich wäre ein Huhn gewesen, ich hätte nicht viel zu tun gehabt. Ich wäre dämlich, aber froh gewesen.
C. Konjunktiv II der Zukunft
Er würde gern kommen.
Hier müsste ein Exkurs zu den Ersatzformen des Konjunktivs eingeschoben werden. Also K II an Stelle von K I in der indirekten Rede, „würde + Infinitiv“ an Stelle von K II.
Jetzt müssen wir noch über die selben Konstruktionen, aber unter Hinzunahme eines Modalverbs sprechen.
AIa 1: Ich ging. => Ich wollte gehen
AIb1: Ich wurde angegangen. => Ich wollte angegangen werden.
AIa2: Ich bin gegangen. => Ich habe gehen wollen.
AIb2: Ich bin angegangen worden. => Ich habe angegangen werden
wollen.
AIb3: Ich war gegangen. => Ich hatte gehen müssen.
AIa2: Ich war angegangen worden. => Ich hatte angegangen werden müssen.
BIa: Ich gehe. => Ich kann gehen.
BIb: Ich werde gefragt. => Ich muss gefragt werden.
CIa1: Ich werde gehen. => Ich werde gehen müssen.
CIb1: Ich werde gefragt werden. => Ich werde gefragt werden müssen.
Ab hier wird es skurril:
CIa2: Ich werde gegangen sein. => Ich werde gegangen sein müssen.
CIb2: Ich werde gefragt worden sein. => Ich werde gefragt sein worden müssen.
Nur noch perverse Deutschlehrer quälen ihre Schüler mit solchen Formen.
Und nun das auch noch für Konjunktivkonstruktionen mit dem Modalverb:
Konjunktiv I der Gegenwart:
Aktiv: Er lese gern Bücher. => Er wolle gern noch mehr Bücher lesen.
Passiv: Er werde gerne gefragt. => Er werde gern gefragt werden wollen.
Konjunktiv I der Vergangenheit:
Aktiv: Er habe gern Bücher gelesen. => Er habe gern noch mehr Bücher lesen wollen.
Passiv. Er sei gern geschlagen worden. => Er habe gern geschlagen werden wollen.
Konjunktiv I der Zukunft:
Aktiv: Er werde gerne kommen. => Er habe sehr gern kommen werden wollen.
Passiv: Er werde gerne geschlagen werden. => Er habe sehr gern geschlagen werden werden wollen.
Konjunktiv II der Gegenwart:
Aktiv: Er wäre gern Millionär. => Er hätte gern Millionär werden wollen.
Passiv: Sie würde gerne geschlagen. => Sie hätte gern geschlagen werden wollen.
Konjunktiv II der Vergangenheit:
Er wäre gern ein Huhn gewesen. => Er hätte gern ein Huhn sein wollen.
Er wäre gern geschlagen worden. => Er hätte gern geschlagen worden sein wollen.
Konjunktiv II der Zukunft:
Aktiv: Er würde gern Millionär werden. => Er hätte gern Millionär werden wollen.
Passiv: Er würde gern geschlagen werden. => Er hätte gern geschlagen werden wollen.
Gebrauch der Tempusformen
Die deutsche Sprache leistet sich
* eine Tempusform zur Darstellung von gegenwärtigen Ereignissen oder Zuständen.
* zwei Tempusformen zur Darstellung von zukünftigen Ereignissen oder Zuständen.
* drei Tempusformen zur Darstellung von vergangenen Ereignissen oder Zuständen.
Die Frage ist: Bei welcher Gelegenheit muß man welche Tempusform benutzen ?
Präsens (Gegenwart)
* wird benutzt, um zum Ausdruck zu bringen, daß etwas jetzt, in diesem Augenblick ist oder geschieht. (Die tatsächliche Gegenwart)
Beispiel: Die Sonne scheint; der Lehrer ist fleißig, Heiner bohrt in der Nase, und die anderen Schüler schlafen.
* wird benutzt, um zum Ausdruck zu bringen, daß etwas allgemeine Gültigkeit hat.
(Was an keine besondere Zeit gebunden ist, sondern immer gilt.)
Beispiel: Der Mensch gehört zu den Säugetieren. Der Mond ist 384000 km von der Erde entfernt.
* wird benutzt, wenn es um sich ständig wiederholende Vorgänge geht.
(Was immer wieder geschieht und nicht an die Gegenwart gebunden ist.)
Beispiel: Jeden Morgen geht die Sonne auf. Ute putzt sich täglich zweimal die Zähne.
* wird benutzt als literarisches (dramatisches) Präsens:
wenn etwas besonders spannend und unmittelbar dargestellt werden soll.
Beispiel: Plötzlich steht der Einbrecher vor mir und bedroht mich mit der Pistole.
* wird benutzt als historisches Präsens:
für große geschichtliche Ereignisse.
Beispiel: Im Jahre 375 fallen die Hunnen in Europa ein. Am 12. Oktober 1492 landet Kolumbus auf der Insel San Salvador.
* wird in der Umgangssprache auch benutzt für Aussagen über künftige (!) Ereignisse oder Zustände:
die Zukunft wird durch bestimmte Zeitangaben ( morgen, nächste Woche usw.) verdeutlicht.
Beispiel: Morgen schreiben wir eine Mathe-Klausur. Nächstes Jahr besuche ich meine Schwiegermutter.
Perfekt (vollendete Gegenwart)
* wird benutzt für alle Vorgänge, die in der Vergangenheit begonnen haben u n d noch bis in die Gegenwart andauern o d e r deren Auswirkungen noch bis in die Gegenwart andauern.
Beispiel: Jesus ist von den Toten auferstanden.
Im Religionsunterricht haben wir von seinen Wundern erfahren.
* wird benutzt, um vom Präsens aus auf ein Ereignis hinzuweisen,
das zeitlich vorher stattgefunden hat (Vorzeitigkeit bei Texten im Präsens).
Wenn ein Ereignis in der Präsensform dargestellt wird, und es soll auf ein anderes Ereignis, das zeitlich v o r h e r stattgefunden hat, verwiesen werden, müssen die Formen des Perfekts
benutzt werden.
Das Perfekt verdeutlicht also Vorzeitigkeit bei Texten, die im Präsens stehen.
Beispiel: Ich weiß, wie man das Gerät bedient, weil ich vorher die Gebrauchsanleitung
gelesen habe.
Heiner hat fleißig gespart und kauft sich heute ein neues Fahrrad.
* übernimmt in der Alltagssprache oft die Funktion des Präteritums.
Beispiel: Voriges Jahr ist unser Urgroßvater gestorben. Bis ins hohe Alter hat er jeden Tag die Zeitung gelesen.
Präteritum (=Imperfekt / Erzähl-Vergangenheit)
* wird benutzt für alle Vorgänge, die in der Vergangenheit begonnen haben u n d auch in der Vergangenheit abgeschlossen worden sind.
Beispiel: Der Mond verbarg sich hinter Wolken, ein Käutzchen schrie - da fiel ein Schuß.
* ist die typische Tempusform für Erzählungen (Märchen, Kurzgeschichten, Romane etc.)
Beispiel: Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin. Die lebte in einem märchenhaften Schloß. /…/
Plusquamperfekt (vollendete Vergangenheit)
wird benutzt, um vom Präteritum aus auf ein Ereignis hinzuweisen, das zeitlich vorher stattgefunden hat (Vorzeitigkeit bei Texten im Präteritum).
Wenn ein Ereignis in der Präteritumsform dargestellt wird, und es soll auf ein anderes Ereignis,
das zeitlich v o r h e r stattgefunden hat, verwiesen werden, müssen die Formen des Plusquamperfekts benutzt werden.
Das Plusquamperfekt verdeutlicht also Vorzeitigkeit bei Texten, die im Präteritum stehen.
Beispiel: Die Astronauten unternahmen heute einen Weltraumspaziergang, vorher hatten sie sich gründlich ausgeschlafen.
Obwohl sie wochenlang fleißig geübt hatte, fiel sie durch die Prüfung.
Futur I (Zukunft)
* macht deutlich, daß ein Ereignis in der Zukunft stattfindet.
Beispiel: Wir werden einen wunderschönen Urlaub verbringen. Am Wochenende wird die Sonne wieder scheinen. Wenn Heiner das Regal selbst zusammenbaut, wird es wohl nicht lange halten.
* macht deutlich, daß es sich um eine Vermutung oder Hoffnung handelt.
Beispiel: Ich vermute, Peter wird gerade in der Fahrschule sein. Ich hoffe, er wird seine Fahrprüfung bestehen.
* macht deutlich, daß es sich um ein Aufforderung oder ein Verbot handelt.
Beispiel: Du wirst jetzt sofort deinen Spinat aufessen! Das wirst du sofort unterlassen!
* wird benutzt, um vom Präsens aus auf ein Ereignis hinzuweisen, das zeitlich s p ä t e r stattfinden wird (Nachzeitigkeit bei Texten im Präsens). Wenn ein Ereignis in der Präsensform dargestellt wird, und es soll auf ein anderes Ereignis, das zeitlich s p ä t e r stattfinden wird, verwiesen werden, müssen die Formen des Futur I benutzt werden.
Das Futur I verdeutlicht also Nachzeitigkeit bei Texten, die im Präsens stehen.
Beispiel: Wenn du mich ganz lieb darum bittest, werde ich dir dein Lieblingsessen zubereiten.
Jessica ist eine gute Schülerin, und sie wird auch später im Beruf Erfolg haben.
Futur II (vollendete Zukunft)
* wird benutzt, um deutlich zu machen, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft ein Ereignis bereits stattgefunden hat u n d beendet ist.
Beispiel: Morgen um diese Zeit werde ich meine Prüfung überstanden haben. Bis Weihnachten wird das alles vergessen sein.
* wird benutzt, um eine Vermutung über Vergangenes (!) zum Ausdruck zu bringen.
Beispiel: Deine Verletzung wird schon nicht so schlimm gewesen sein. Christiane wird eure Verabredung schon nicht vergessen haben.
* wird benutzt, um die Vorzeitigkeit bei einem Geschehen in der Zukunft zum Ausdruck zu bringen.
Beispiel: Wenn sie mich morgen um die gleiche Zeit noch einmal anrufen, wird die Entscheidung über ihren Antrag bereits gefallen sein.
Vorzeitigkeit
Dargestellte Zeit
(Tempusform, in der erzählt wird) PRÄSENS/PRÄTERITUM
Vorzeitigkeit
(Tempusform, um Ereignisse darzustellen, die v o r h e r geschehen sind) PERFEKT/PLUSQUAMPERFEKT
FUTUR I oder PRÄSENS mit Zeithinweis auf Zukunft FUTUR II
Nachzeitigkeit
Dargestellte Zeit
(Tempusform, in der erzählt wird) PRÄSENS
Nachzeitigkeit
(Tempusform, um Ereignisse darzustellen, die n a c h h e r geschehen sind) FUTUR I
Mit dem Schluss bin ich noch nicht so recht zufrieden. Er könnte anschaulicher werden.