Ein guter Text

Textauszug:

Auf die Bäume ihr Affen
von
Hans A. Pestalozzi

Was ist sie denn, diese Freiheit?
Die Wahrung der Menschenrechte?
Warum sorgen wir denn nicht dafür, dass die Menschenrechte auch in der Wirtschaft gelten?
Wo gelten in der Wirtschaft die elementarsten Menschenrechte wie Redefreiheit, Freiheit der Meinungsäusserung, Koalitionsfreiheit?
Und ist nicht Hierarchie, d.h. die Macht von Menschen, anderen Menschen befehlen zu dürfen, an sich schon eine Verletzung des grundlegendsten Menschenrechtes, der Menschenwürde?
«Du kannst ja gehen, wenn es dir nicht passt!»
Besteht meine Freiheit darin, dass ich gehen kann? Dann stehe ich einfach auf der Strasse.
«Du kannst ja die Stelle wechseln, wenn es dir nicht passt.»
Ändere ich damit etwas an meiner Situation?
Die Freiheit des Arbeiters, zwischen dem Fliessband X und dem Fliessband Y wählen zu können.
Die Freiheit der Kassiererin, zwischen der Supermarktkasse X und der Supermarktkasse Y wählen zu können.
Die Freiheit des Angestellten, zwischen dem Computer X und dem Computer Y wählen zu können, zwischen dem Bildschirm X und dem Bildschirm Y.
Ist das nun die Freiheit?
Die Freiheit des Lehrers, die heimlichen Lehrpläne Disziplin, Unterordnung, Einordnung zu erfüllen oder entlassen zu werden?

Die Freiheit des Sozialarbeiters, alle Ausgeflippten wieder flicken und wieder einzuordnen, ohne sich um die Ursachen kümmern zu dürfen, oder abgeschoben zu werden?
Die Freiheit des Beamten, der richtigen Partei anzugehören oder kaltgestellt zu werden?
Die Freiheit des Journalisten, auf die Inserenten Rücksicht zu nehmen oder den Arbeitsplatz zu verlieren? Die Freiheit des Pfarrers, nicht politisch sein zu dürfen und damit Diener der Reichen und Mächtigen sein zu müssen oder versetzt zu werden.
Die Freiheit des Politikers, sich dem Fraktionszwang zu fügen oder ausgeschlossen zu werden?

«Aber ist denn nicht unsere wirtschaftliche Freiheit eine grossartige Errungenschaft? Schau dir doch den Hunger in der Welt an! Schau dir doch die Warteschlangen im Osten an! Da lob ich mir unsere Wirtschaft und ihre Freiheit!»
Welche wirtschaftliche Freiheit? Die Konsumfreiheit?

Die Freiheit des Konsumenten, zwischen dem Einkaufszentrum X und dem Einkaufszentrum Y wählen zu können?

Die Freiheit, zwischen Maggi und Knorr wählen zu können?

Die Freiheit, zwischen dem weissen Riesen anderen Phantom wählen zu können?

Die Freiheit, zwischen 50 verschiedenen Seifen wählen zu können?
Die Freiheit, den Hamburger bei Burger King statt bei McDonalds reinwürgen zu können? Merken wir denn nicht, dass wir auch in dieser sogenannten Konsumfreiheit keine echte Wahl mehr haben? Eine Freiheit ohne die Möglichkeit, zwischen echten Alternativen wählen zu können, ist keine Freiheit. Oder ist es unsere Freiheit, mindestens ein Auto haben zu müssen, weil es anders nicht mehr geht? einen Fernseher haben zu müssen? einen Tiefkühler haben zu müssen? im Urlaub vom Hochhaus in einem Vorort von Zürich oder München oder Wien in ein Hochhaus an der Costa Brava überwechseln zu müssen?
Merken wir denn nicht, dass diese Freiheit längst zum Konsumzwang geworden ist?

Oder ist es die Freiheit, eine Zweitwohnung haben zu dürfen, weil die Unfreiheit in der Erstwohnung nicht mehr auszuhalten ist? am Sonntag mit dem Wagen im Land herumreisen zu können, weil die Unfreiheit im Wohnviertel unerträglich geworden ist?

Abend für Abend am TV mir vorgekaute Meinung, vorgekaute Information, vorgekaute Kultur einzuverleiben, weil uns die Unfreiheit der eigenen Meinungsäusserung kaputt macht?
am Wochenende und im Urlaub auf vorgeschriebenen Plätzen ein Zelt aufstellen und einen Kochherd konstruieren zu dürfen, weil mir die Wohnbatterien keine Möglichkeit mehr offen lassen, mein zu gestalten? Freiheit als Kompensation dessen, was wir verloren haben?
Oder besteht die wirtschaftliche Freiheit in unserer freien Marktwirtschaft?

Freie Marktwirtschaft in der Landwirtschaft?
Marktwirtschaft in der Energieversorgung?
Marktwirtschaft im Bankwesen?
Marktwirtschaft bei den Versicherungen?

Und wie steht es denn mit der unternehmerischen Freiheit?
Hat sie sich nicht selbst schon grösstenteils ausser Kraft gesetzt, sich selber aufgegeben? Dass man die Marktwirtschaft durch Gesetze vor den Unternehmern schützen muss, die ihre Privilegien mit Kartellen und anderen Zusammenschlüssen retten wollen, ginge ja noch. Auch dass die Manager-Helden weinerlich nach dem Schutze des Staates rufen sobald das wirtschaftliche Klima etwas rauher wird wäre noch zu verzeihen. Dass man sich aber feige hinter angeblichen Sach- und Systemzwängen verschanzt, wenn es darum ginge, sich gegen die Giganten unserer heutigen Wirtschaft, gegen die weitere Zentralisation, die weitere Konzentration, die weitere Abhängigkeit von den Grossbanken zur Wehr zu setzen, ist unerträglich. Die unternehmerische Freiheit beschränkt sich je länger je mehr auf das Diktat der paar wenigen, die an den Schaltstellen der heutigen zentralisierten Strukturen sitzen. Die wirtschaftliche Freiheit ist die Freiheit des Kapitals sich dahin zu verschieben, wo es am meisten rentiert - Schluss!

Die wirtschaftliche Freiheit ist die freie Mobilität des Kapitals.

Alles andere, gesellschaftliche Strukturen, Arbeitsplätze Wohnverhältnisse und was auch immer, hat sich dieser einen Freiheit unterzuordnen. Wehe, wenn diese eine Freiheit durch irgendeine andere Freiheit bedroht wäre. Das ist die Schizophrenie in unserem Freiheitsbegriff und im Verhältnis der Wirtschaft zum Staat. Der Staat hat die Mobilität des Kapitals sicherzustellen. Hier heisst es: Mehr Staat ! Man ruft nach dem Staat, wenn es darum geht, alles andere abzuschalten, um diese eine Freiheit sicherzustellen. Aber der Staat darf nichts tun, was diese Mobilität einengen könnte.

Stimmt! (o.w.T.)

Verquast und falsch
Na ja, hat ja schon ein paar Jährchen auf dem Buckel der Text, und atmet auch den Zeitgeist jener Jahre aus. Ziemlich verquast und blechern, das ganze.

„Die Freiheit der Kassiererin, zwischen der Supermarktkasse X und der Supermarktkasse Y wählen zu können. Die Freiheit des Angestellten, zwischen dem Computer X und dem Computer Y wählen zu können, zwischen dem Bildschirm X und dem Bildschirm Y.
Ist das nun die Freiheit?“

Nein, das ist in der Tat keine echte Freiheit. Aber die Kassiererin kann einen anderen Beruf ergreifen, sich umschulen lassen, nach Amerika auswandern. Der Angestellte kann kündigen, sich selbständig machen oder in die Entwicklungshilfe gehen - wie ihm beliebt. Natürlich, so hopplahop von heute auf morgen geht das nicht. Wer nicht mehr auf dem Trampelpfad bleiben will, sondern sich SEINEN Weg querfeldein durch die Büsche schlagen will, muss sich schon ein wenig mehr anstrengen. Entscheidend ist, strukturiert zu denken, zu planen und den Mut zu haben, eine Änderung in seinem Leben vorzunehmen. Aber genau das wollen ja die meisten Menschen in Wirklichkeit nicht.

Jammern ist ja auch viel einfacher und bequemer . . .

Die Mittelmäßigkeit…

vom Klaus Hoffmann „Die Mittelmäßigkeit“

„Die Mittelmäßigkeit“

Jeden Morgen das gleiche Ritual.

Jeden Morgen ein Gesicht in gleicher Qual.

Jeden Morgen dieses Fügen

vor dem Spiegel und im Bus.

Jeden Morgen die Fragen,

ob ich will und ob ich muß.

Jeden Tag im Mantel gleiche Haltung.

Jeden Tag meine Meinung aus der Zeitung.

Jeden Tag das Wissen um Veränderung.

Jeden Tag in mir die gleiche Lähmung.

Jede Nacht im Bett den gleichen Vorwurf.

Jede Nacht den gleichen Traum

von Angst und Flucht.

Jede Nacht mit offnen Augen alles sehn.

Jede Nacht zu warten, daß die Ängste gehn.

Jeden Augenblick in eine Lüge quäln,

muß dich betrügen, um nicht durchzudrehn.

Wieder mal wissen, du bist ausgekniffen,

hast dich nicht gestellt, hast dich selber verpfiffen.

Die Mittelmäßigkeit

verhindert jeden Streit.

Seh sie oft mit Blättern an den Ecken stehn,

manche jünger noch als ich, wag nicht hinzugehn.

Will vorüber tauchen, merk ´ne Ablehnung in mir,

ohne sie gehört zu haben, ist die Angst in mir.

Bisher hab ich mich noch nie geäußert über Politik,

wollte nie beteiligt sein, zog mit jedem mit.

Doch sie sagen, mein Schweigen

bringt viel Schlimmes ein.

Es verhilft, daß andere noch viel lauter schrein.

Soll ich in der Mitte stehn?

Soll ich keine Fragen stelln?

Soll ich denn im Rahmen bleiben,

jeden Streit vermeiden?

Geh ich allem aus dem Weg,

noch eh der Kampf beginnt,

haben andre schon,

was ich denken soll, bestimmt.

Die Mittelmäßigkeit

verhindert jeden Streit.

Hallo Michael,

Nein, das ist in der Tat keine echte Freiheit. Aber die
Kassiererin kann einen anderen Beruf ergreifen, sich umschulen
lassen, nach Amerika auswandern.

Wenn die Frau die entsprechenden mentalen Fähigkeiten hätte, wäre sie keine Kassiererin, sondern Werbefachfrau, Ärtin oder Ingenieurin. Und nach Amerika kommt sie auch nicht (legal), denn sie kriegt keine Green Card.

Der Angestellte kann
kündigen, sich selbständig machen oder in die
Entwicklungshilfe gehen - wie ihm beliebt.

Einen Platz weiter von mir sitzt ein Freelancer. Er macht die gleiche Arbeit wie ich. Verdient etwas mehr, bekommt mehr Nackenschläge muß sich aber die Projekte selber suchen und nehmen was er kriegt, damit er auch morgen noch etwas zu beißen hat. Und die anderen Selbstständigen die ich kenne, führen auch kein glücklicheres Leben.

Wer nicht mehr
auf dem Trampelpfad bleiben will, sondern sich SEINEN Weg
querfeldein durch die Büsche schlagen will, muss sich schon
ein wenig mehr anstrengen. Entscheidend ist, strukturiert zu
denken, zu planen und den Mut zu haben, eine Änderung in
seinem Leben vorzunehmen. Aber genau das wollen ja die meisten
Menschen in Wirklichkeit nicht.

Das habe ich mit 20 auch noch gedacht. Mittlerweile habe ich dazugelernt. Natürlich gibt es Menschen, die ihren eigenen Weg gehen, wir kennen sie aus den Medien. Was viele vergessen ist, dass der eigene Weg der weniger begabten oder derjenigen, die Pech haben in der Sozialhilfe landet.

Erzähl doch mal, inwiefern du deinen Weg gegangen bist.

Gruß
Carlos

Hallo Carlos,

es gibt da eine ganz gute Redewendung: Jeder lebt so, wie er will - alles andere ist ihm zu teuer. Für den Versuch, Lebensvisionen zu realisieren, ist in der Tat ein Preis zu zahlen: Zeit, Schweiss, Frustrationen und Rückschläge, Selbstzweifel, die Gefahr des Scheiterns. Selbst bei höchstem persönlichen Einsatz und ansonsten günstigen Bedingungen kann ein Entwicklungsziel auf Grund widriger Umstände oder auf Grund von Schicksalsschlägen letztenendes doch nicht erreicht werden. Das ist so. Und das nennt man „Risiko“.

Menschen bemühen sich in der Regel, Risiken weitestgehend zu mindern oder aus dem Weg zu gehen. Dies ist bis zu einem gewissen Grad auch höchst vernünftig. Wer sich beim Bergsteigen nicht sichert und auf den Bergführer verzichtet, ist einfach nur leichtsinnig und dumm. Allerdings schränken sich viele Menschen durch ein übertriebenes Sicherheitsbedürfnis in ihrer Lebensgestaltung ein und immobilisieren sich unnötig. Die Zone der Vertrautheit wird dann kaum noch verlassen, unbekannte neue Lebensfelder ängstlich gemieden. Aber trägt die Schuld hierfür etwa die Gesellschaft?

Menschen, die ihren eigenen Weg gehen, kennen wir wohl nicht nur aus den Medien. Die kennt wohl jeder aus seinem persönlichen Umfeld. Ich behaupte aber nicht, dass eine „vom Durchschnitt abweichende Lebensführung“ den Menschen generell glücklicher oder erfüllter macht. Das wäre eine blödsinnige und noch dazu ziemlich elitäre Ideologie.

Da Du konkret danach gefragt hast: Ja, natürlich, auch ich bewege mich auf vielen Trampelpfaden und bin oftmals viel zu träge, neue Felder zu erkunden. Ich möchte aber um keinen Preis mehr in eine abhängige Beschäftigung zurück, auch wenn ich - natürlich - bisweilen die unzweifelhaften Annehmlichkeiten des Angestelltendaseins vermisse.

Gruss

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