Vom Melonenkaufen

Hi,

vor kurzem wollte jemand wissen, woran die Qualität von Melonen zu erkennen ist. Leider finde ich das Posting nicht mehr, deshalb hier die ultimative Antwort:

Als bevorzugte Frucht unseres vortrefflich bewässerten Landes gilt die Melone, schon deshalb, weil das Wasser, mit dem sie uns versorgt, nicht von der Bewässerung des übrigen Landes abhängt. Der einzige Nachteil der Melone ist Zuriel, der orientalische Obsthändler, der mit dem einen Auge nach links schielt, mit dem anderen nach rechts und mit dem dritten die Kundschaft treuherzig anblickt.

Das Geheimnis der Melone

von Ephraim Kishon

Dr. Feinholz: (kommt auf dem Heimweg am Obstmarkt vorbei und erinnert sich, dass seine Gattin Elsa immer vergisst, Melonen zu kaufen, das einzige Mittel gegen die unerträgliche Sommerhitze; tritt auf einen Berg von Melonen zu, der in der Mitte des Marktes emporragt, und wendet sich an Zuriel, den Besitzer des Berges.) Sind sie süß?
Zuriel: (antwortet nicht.)
Dr. Feinholz: Also gut. Geben Sie mir eine.
Zuriel: (läßt einen konzentrierten Röntgenblick über den grünen Berg schweifen, ergreift eine besonders aufgeschwollene Melone, wirft sie in die Luft, fängt sie auf, streichelt sie, drückt sie, beklopft sie, hält sie ans Ohr, wirft sie auf den Haufen zurück, nimmt eine andere… Luft… auffangen… streicheln… drücken… beklopfen… Ohr… weg… eine dritte… die vierte ist in Ordnung, wiegt sie im finstersten Winkel seines Obststandes ab, mit dem Rücken zur Kundschaft.) 6 Kilo. 75 Piaster.
Dr. Feinholz: Die ist also süß?
Zuriel: Sehr süß.
Dr. Feinholz: Wieso wissen Sie das?
Zuriel: Erfahrung.
Dr. Feinholz: Erfahrung?
Zuriel: Erfahrung. In den Fingerspitzen. Beim Betasten. Beim Auffangen aus der Luft. Eine Melone, die nicht ganz reif ist, macht „plopp“. Eine Melone, die reif ist, macht „plopp“.
Dr. Feinholz: Ich verstehe. (zahlt, schultert die fünf Kilo schwere Melone und tritt den Heimweg an. Die Hitze ist so entsetzlich, dass der Asphalt zu schmelzen beginnt. Dr. Feinholz begreift mit einemmal, warum seine Gattin Elsa immer vergisst, Melonen zu kaufen. Zu Hause angelangt, versteckt er die Melone im Eisschrank. Nach Schluss der Mahlzeit zieht er sie als freudige Überraschung hervor und schneidet sie auf.)
Die Melone: (ist gelb, schmeckt wie gefrorener Badeschwamm, wurde vermutlich mit Kerosin bewässert.)
Dr. Feinholz: (spuckt aus, wütend) Also bitte. Da hast du unser gelobtes Land in seiner ganzen Pracht. 75 Piaster hat mich das Zeug gekostet!
Elsa: Trag’s zurück.
Dr. Feinholz: Jawohl. Alles hat seine Grenzen, sogar meine Geduld. (Schleppt die Melone in der kochenden Hitze auf den Markt zurück und wirft sie vor Zuriels Füße.) Was haben SIe mir da angehängt?
Zuriel: (antwortet nicht.)
Dr. Feinholz: Das kann man nicht essen.
Zuriel: Dann essen Sie’s nicht.
Dr. Feinholz: Ich habe Sie ausdrücklich gefragt, ob die Melone süß ist, und Sie haben Ja gesagt.
Zuriel: Das Plopp beim Auffangen war in Ordnung. Aber wer kann in das Innere einer Melone sehen?
Dr. Feinholz: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Sie für die Melonen, die Sie verkaufen, verantwortlich sind.
Zuriel: Nicht für Melonen, die Sie ohne Garantie von mir gekauft haben.
Dr. Feinholz: Es gibt Melonen mit Garantie?
Zuriel: Ja.
Dr. Feinholz: Und was ist der Unterschied?
Zuriel: 6 Piaster pro Kilo. Melonen ohne Garantie kosten 12 Piaster das Kilo. Melonen mit Garantie 18. Dann bin ich verantwortlich.
Dr. Feinholz: (tritt heftig nach einer Melone, die ihm gerade vor die Füße rollt.)
Zuriel: (antwortet nicht.)
Dr. Feinholz: Also gut. Geben Sie mir eine Melone mit Garantie. Aber wenn sie wieder ungenießbar ist, können Sie sich auf etwas gefasst machen.
Zuriel: (wirft eine Melone in die Luft, fängt auf, streichelt sie, drückt sie, beklopft sie, hält sie ans Ohr, wirft sie weg. Zweite ebenso, dritte ebenso, vierte ist in Ordnung.) 7 Kilo 80.
Dr. Feinholz: Meinetwegen.
Zuriel: (schneidet eine schmale, dünne Scheibe aus der Melone und zeigt sie Dr. Feinholz.) Rot?
Dr. Feinholz: Rot.
Zuriel: Ohne zu prahlen, das ist wirklich eine ganz besonders rote Melone.
Dr. Feinholz: (zahlt, schleppt die sechs Kilo schwere Melone schwitzend und ächzend nach Hause.) Der alte Gauner hat sie ohne ein Wort des Widerspruchs ausgetauscht.
Elsa: Klar.
Dr. Feinholz: (gibt die Melone in den Kühlschrank, wartet eine halbe Stunde, zieht sie hervor, schneidet sie auf.) Eine prachtvolle rote Melone, wirklich.
Elsa: Hast du sie gekostet?
Dr. Feinholz: Gekostet habe ich sie nicht. Aber man sieht ja, dass sie gut sein muss.
Die Melone: (schmeckt schal, alt, abgestande, faul, bitter.)
Elsa: Bubi wird die Melone brav zurücktragen, ja?
Dr. Feinholz: (Abschleppdienst, Schweiß, keuchen, Flüche, Melone vor Zuriels Füße.) Da haben Sie den Dreck.
Zuriel: (antwortet nicht.)
Dr. Feinholz: Habe ich diese Melone mit Garantie gekauft oder nicht?
Zuriel: Ja.
Dr. Feinholz: Kosten Sie sie.
Zuriel: Danke. Ich esse Melonen nicht gern. Ich muss dann immer schwitzen.
Dr. Feinholz: Das nennen Sie süß? Das soll eine süße Melone sein?
Zuriel: Ich habe Ihnen keine süße Melone garantiert. Ich habe Ihnen eine rote Melone garantiert.
Dr. Feinholz: Ich pfeife auf die Farbe. Von mir aus kann sie marineblau sein.
Zuriel: Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass es Ihnen auf den Geschmack ankommt? Die Garantie für süße Melonen ist 21 Piaster pro Kilo.
Dr. Feinholz: (nach einer kurzen Erholungspause) Also gut. Geben Sie mir eine garantiert süße Melone.
Zuriel: (Prozedur von Wurf bis Nummer vier wie zuvor.) 9 Kilo 30.
Dr. Feinholz: Einen Augenblick! Ich möchte sie kosten.
Zuriel: (Schneidet ein pyramidenförmiges Stück aus der Melone heraus, und zwar dergestalt, dass die Spitze der Pyramide dem geometrischen Mittelpunkt des Meloneninhalts entspringt.)
Dr. Feinholz: (beißt die Spitze ab.) Sehen Sie, guter Mann, das ist eine süße Melone!
Zuriel: (steckt die Pyramide rasch an ihren Platz zurück.) 2 Pfund 10.
Dr. Feinholz: (zahlt, schwitzt, taumelt heimwärts.) Ich habe ihn gezwungen, sie umzutauschen. Und jetzt koste einmal!
Elsa: (kostet, spuckt aus.)
Die Melone: (vollkommen schal, schmeckt bestenfalls nach Abwaschwasser, besteht ausschließlich aus Samenkernen, verwandelt sich in unmittelbarer Nähe des geometrischen Mittelpunktes in feuchte Watte.)
Elsa: Zurücktragen!
Dr. Feinholz: (Qualprozedur wie zweimal zuvor bis zum Ende.) Und das? Was ist das?
Zuriel: (antwortet nicht.)
Dr. Feinholz: Was ist das?!?
Zuriel: Sie haben ja gekostet.
Dr. Feinholz: Was ich gekostet habe, war süß.
Zuriel: Hier ist es süß und zu Hause ist es sauer? Was machen Sie zu Hause mit den Melonen? Marinieren?
Dr. Feinholz: (bekommt einen Erstickungsanfall und flucht auf deutsch.)
Zuriel: (klopft ihm auf den Rücken.) Wollen Sie eine andere?
Dr. Feinholz: (keuchend) Ja.
Zuriel: (beginnt mit dem Prüfungsritual.)
Dr. Feinholz: Werfen Sie Ihre Großmutter in die Luft! Ich suche mir selbst eine aus.
Zuriel: Wie Sie wünschen.
Dr. Feinholz: (fühlt sich nach kurzem Umblick mit magischer Gewalt von einer flaschengrünen Frucht angezogen, betastet sie und weiß mit jener unfehlbaren Sicherheit, die sonst nur den schöpferischen Augenblicken des Geistes innewohnt, dass diese einfach süß sein muss.)
Zuriel: 16 Kilo 80. Wollen Sie die Garantie schriftlich?
Dr. Feinholz: Krepier! (Stöhnen, Schwitzen, Ankunft zu Hause.) Der Lump hat mir eine andere geben müssen.
Elsa: Das sehe ich.
Dr. Feinholz: (schließt sich mitsamt der Melone im Eiskasten ein, kommt aber, da es dort sehr kalt ist, schon nach wenigen Minuten wieder heraus und schneidet die Melone auf.)
Die Melone: (süß, reif, rot, zart, saftig, kernlos, delikat, Exportqualität.)
Dr. Feinholz: (strahlt, verjüngt sich, das Leben ist wieder schön, die Sonne geht in großer Farbenpracht unter, Vöglein zwitschern.) Das nenne ich Melone, was? Liebling, so eine Melone hast du noch nie gegessen! Weil ich sie selbst ausgesucht habe. Dieser Verbrecher. Dreimal hintereinander hat er nichts Brauchbares gefunden. Und ich, gleich beim erstenmal, von einem geheimen Instinkt geleitet -
Elsa: Sprich keinen Unsinn.
Dr. Feinholz: Unsinn? Du wirst ja sehen. Von jetzt an mache ich’s immer so. (Sucht am nächsten Tag seine Melone wieder selbst aus, fühlt sich wieder mit unerklärlicher Magie zu einer bestimmten Frucht hingezogen, zahlt, schwitzt, taumelt, Kühlschrank, halbe Stunde, Schnitt.)
Die Melone: (schmeckt nach verfaultem Laub, ist vollkommen ungenießbar und spottet der menschlichen Eitelkeit.)
Dr. Feinholz: (versucht sich eine Kugel in den Kopf zu schießen, zielt schlecht, trifft daneben und lebt weiter.)