Haager Landkriegsordnung

Hi!

Ist es richtig, daß sowohl die Haager Landkriegsordnung als auch diverse Kriegsrechtsordnungen, z.B. in den USA, Frankreich und Großbritannien, die Erschießung von Geiseln als Mittel der Kollektivstrafe oder als Möglichkeit zur Repression als rechtens ansehen?

Wenn dem so ist, wie kann ich dann noch gegen die Geiselerschießungen der Wehrmacht argumentieren? Mir fehlen Argumente - außer dem Rückzug auf die Menschenrechte?

Brauche unbedingt Hilfe!

Grüße
Heinrich

Hi heinrich
Also in der Haager Landkriegsodnung, inkraftgetreten 1907, steht von Geiselerschießungen gar nichts drin.

der Wortlaut in deutscher Übersetzung (von der Schweiz):
http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_515_111/app1.html

Als Lektüre wird empfohlen:
Art. 41
Die Verletzung der Bedingungen des Waffenstillstandes durch Privatpersonen, die aus eigenem Antriebe handeln, gibt nur das Recht, die Bestrafung der Schuldigen und gegebenen Falles eine Entschädigung für den erlittenen Schaden zu fordern.

Und Art. 50
Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine ganze Bevölkerung wegen der Handlungen Einzelner verhängt werden, für welche die Gesamtheit nicht als verantwortlich angesehen werden kann.

Also, wenn das Geiselerschiessungen deckt, dann frag ich mich ja schon…

Gruß
Mike

Hi Mike!

Und Art. 50
Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine ganze
Bevölkerung wegen der Handlungen Einzelner verhängt werden,
für welche die Gesamtheit nicht als verantwortlich angesehen
werden kann.

Also, wenn das Geiselerschiessungen deckt, dann frag ich mich
ja schon…

Ich versuche mal die Argumentation der Gegenseite aus dem Gedächtnis zusammenzubekommen:

Art.50 der Haager Landkriegsordnung (HLO) verbietet die „Kollektivstrafe“ (das soll ein feststehender juristischer Begriff sein), nicht jedoch die „Repressalie“ (auch ein feststeheneder juristischer Begriff). Die Repressalie stellt eine Lücke in der HLO dar.

Repressalie: Wenn in einem Kriegsgebiet jemand mit nach der HLO unerlaubten Mitteln kämpft (z.B. bestimmte Kampfmittel oder als Partisan), dann darf der Angegriffene zur Repressalie greifen, d.h. er nimmt Geiseln und droht mit deren Erschießung, um den Angreifer zurück auf die HLO zu bringen. Läßt der sich nicht darauf ein, können die Geiseln erschossen werden.

Einige Verteidiger bei den Kriegsverbrecherprozessen 1945-1948 haben sich auf diese Lücke berufen, ebenso auf bestehende Gesetze des alliierten Militärrechts, etwa bei den Briten.

Ich finde das Ganze total hirnrissig, aber wie argumentiert man in so einem Fall gegen Rechts?

Grüße
Heinrich

Hallo Heinrich,

oder als Partisan), dann darf der Angegriffene zur Repressalie

Ich finde das Ganze total hirnrissig, aber wie argumentiert
man in so einem Fall gegen Rechts?

Das ist nicht hrinrissig, sondern entstammt vielmehr der menschenfreundlichen Vorstellung, daß der Krieg ein Kampf Militär gegen Militär sein soll. Militär erkennt man an der Uniform, die Zivilbevölkerung an der Zivilkleidung.
Der Partisan negiert diese Unterscheidung und macht damit die gesamte Zivilbevölkerung zum Angriffsziel.
Wenn nun der vordringende Feind oder Besatzer (a) mutig ist, versucht er das durch Repressalien (die ja für ihn selbst auch sehr belastend sind) zu verhindern. Wenn der vordringende Feind (b) feige ist, dann akzeptiert er das und geht einfach gegen die gesamte Zivilbevölkerung vor.
Ein großes Problem mit Partisanen hatten z.B. die Deutschen in der Sowjetunion (Fall a) und die Amerikaner in Vietnam (Fall b).

Gruß

Wolfgang Berger

Hallo Heinrich

Repressionsmaßmahmen sind tatsächlich erlaubt, wenn sie „in angemessenem Umfang“ stattfinden!
Ob die ermordung 4 jaähriger Kinder angemessen ist, wage ich doch dezent zu bezweifeln.

Jetzt kommt aber ein ganz dickes ABER:
In dem meisten Fällen greift der § 41
„Die Verletzung der Bedingungen des Waffenstillstandes durch Privatpersonen, die aus eigenem Antriebe handeln, gibt nur das Recht, die Bestrafung der Schuldigen und gegebenen Falles eine Entschädigung für den erlittenen Schaden zu fordern.“
(Hervorhebung von mir)

Denn die meisten Staaten hatten ja kapituliert, bzw mit Frankreich war ein Waffenstillstand geschlossen worden)

Bei Staaten bei denen der Kriegszustand beendet ist, greift die Kriegsordnung sowieso nicht. Da gilt zur Partisanenbekämpfung das jeweilige ZIVILRECHT!!! So zum Beispiel in Tschechien (Reichsprotektorat Böhmen und Mähren)

Gruß
Mike *rechtsverdreher* Hammer

Hi Wolfgang!

Das ist nicht hrinrissig, sondern entstammt vielmehr der
menschenfreundlichen Vorstellung, daß der Krieg ein Kampf
Militär gegen Militär sein soll. Militär erkennt man an der
Uniform, die Zivilbevölkerung an der Zivilkleidung.
Der Partisan negiert diese Unterscheidung und macht damit die
gesamte Zivilbevölkerung zum Angriffsziel.
Wenn nun der vordringende Feind oder Besatzer (a) mutig ist,
versucht er das durch Repressalien (die ja für ihn selbst auch
sehr belastend sind) zu verhindern. Wenn der vordringende
Feind (b) feige ist, dann akzeptiert er das und geht einfach
gegen die gesamte Zivilbevölkerung vor.
Ein großes Problem mit Partisanen hatten z.B. die Deutschen in
der Sowjetunion (Fall a) und die Amerikaner in Vietnam (Fall
b).

Nochmal langsam, damit ich weiß, ob ich das verstanden habe:

Militanter ziviler Widerstand des besetzten Landes erlaubt den Besatzern, Männer, Frauen und Kinder zu erschießen? Unabhängig davon, daß das besetzte Land kapituliert hat und damit der Kriegszustand beendet ist? Dann sind also alle Geiselerschießungen der Wehrmacht von Norwegen bis Griechenland, von Frankreich bis Polen (ich nehme die Sowjetunion jetzt mal heraus) rechtlich abgesichert?

Richtig so?

Grüße
Heinrich

Hallo Mike!

Jetzt kommt aber ein ganz dickes ABER:
In dem meisten Fällen greift der § 41
„Die Verletzung der Bedingungen des Waffenstillstandes durch
Privatpersonen, die aus eigenem Antriebe handeln, gibt
nur das Recht, die Bestrafung der Schuldigen und
gegebenen Falles eine Entschädigung für den erlittenen Schaden
zu fordern.“
(Hervorhebung von mir)

Denn die meisten Staaten hatten ja kapituliert, bzw mit
Frankreich war ein Waffenstillstand geschlossen worden)

Bei Staaten bei denen der Kriegszustand beendet ist, greift
die Kriegsordnung sowieso nicht. Da gilt zur
Partisanenbekämpfung das jeweilige ZIVILRECHT!!! So zum
Beispiel in Tschechien (Reichsprotektorat Böhmen und Mähren)

Das hilft mir schon sehr!
Auf die Regelung mit dem Zivilrecht wegen Kapitulation bin ich noch gar nicht gekommen.

Danke!

Grüße
Heinrich

Hallo Heinrich,

Militanter ziviler Widerstand des besetzten Landes erlaubt den
Besatzern, Männer, Frauen und Kinder zu erschießen? Unabhängig
davon, daß das besetzte Land kapituliert hat und damit der
Kriegszustand beendet ist? Dann sind also alle
Geiselerschießungen der Wehrmacht von Norwegen bis
Griechenland, von Frankreich bis Polen (ich nehme die
Sowjetunion jetzt mal heraus) rechtlich abgesichert?

Richtig so?

Ja, im Partisanenkrieg. Der Partisan hält sich nicht an das Kriegsrecht und wird auch durch eine Kapitulation nicht unbedingt gebunden.
Ziviles Besatzungsrecht ist selbstverständlich dann bindend, wenn es nach der Kapitulation nur noch zu vereinzelten Überfällen, Sabotageakten usw. kommt, die keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung haben.
Die deutsche Bevölkerung z.B. ist nach der Kapitulation völlig friedlich geblieben. Jeder einzelne der millionenfachen Morde an wehrlosen Deutschen nach der Kapitulation hätte nach dem von Michael beschriebenem Grundsatz als Mord geahndet werden müssen. Daß das nicht geschehen ist und bis heute noch nicht gefordert wird, liegt an einigen Ausnahmeregelungen, mit denen die Deutschen von der Schutzfunktion dieses Grundsatzes ausgeschlossen werden.

Gruß

Wolfgang Berger