Wie ernaehrte man eine Armee

Hallo

Mein erstes Posting hier, also wenn’s schon x mal durchgenommen
wurde, nicht schlagen.

Ich frage mich, wie in frueheren Zeiten ein grosses Heer auf
seinen Kriegszuegen ernaehrt wurde. Nehmen wir mal Napoleon
Bonaparte: Der war ja bisweilen mit mehreren 100.000 Mann unterwegs.
Wenn jeder pro Tag ein 1 kg Nahrung und 1.5 l Fluessigkeit zu sich
nehmen soll um bei Kraeften zu bleiben, dann sind das ueber 100
Tonnen Nahrung und 150 Tonnen Fluessigkeit Tag fuer Tag.
Wo kam das alles her? Man schafft es doch wohl nicht auf einem Marsch
von 50 km den Bauern z.B. 100.000 Brote abzuknoepfen. Das Heer
begegnet doch auf den 50 km nur vielleicht 100 Bauern.
Wenn es Versorgungstruppen gab, die nur dafuer sorgten, die
eigentliche Armee zu fuettern, dann stellt sich die Frage, wie gross
diese Versorgungstruppen gewesen sein muessen um diese Massen
transportieren zu koennen und wie schnell sie waren um ein
ausreichend grosses Einzugsgebiet abzudecken.
Was wurde aus den Landschaften, die die Armee durchquerte? Es kommen
ja auch Tonnen von Kot und Urin zusammen.
Irgendwie kann ich mir das alles nicht vorstellen.

Gruss, Tychi

Hallo !

>Tonnen Nahrung und 150 Tonnen Fluessigkeit Tag fuer Tag.
Wo kam das alles her? Man schafft es doch wohl nicht auf einem
Marsch
von 50 km den Bauern z.B. 100.000 Brote abzuknoepfen.ja auch Tonnen von Kot und Urin zusammen.

Zu zeiten Friedrichs II. wurde die Armee nicht durch das Land versorgt sondern fast ausschließlich durch Versorgungskonvois (niemand wollte die Plünderungen des 30.jährigen Krieges wiederhaben, außerdem musste die Armee zusammengehalten werden, bei „Versorgungseinsätzen“ in den umliegenden Dörfern verdrückten sich sonst zu viele). In der Praxis sah das so aus, dass schon zu Friedenszeiten in den Festungen und Depots große Mengen an Getreide angehäuft wurden. Diese wurden dann der Armee nachgeliefert, anfangs hauptsächlich mit dem Schiff (preuß. Festungen lagen meist an strategisch wichtigen Flüssen Magdeburg, Torgau, Küstrin, Brieg), den restlichen Weg mit Wagenkolonnen. Beispiel: Die preußische Armee sollte im siebenjährigen Krieg bei der Belagerung von Olmütz durch einen Versorgungskonvoi von 3000 Wagen mit einer Länge des Konvois von 13 km versorgt werden. Der Überfall durch die Österreicher auf diesen Wagenkonvoi zwang Friedrich dazu die Belagerung abzubrechen (bitte nicht auf die genauen Zahlen festlegen, habe grad kein Buch zur Hand, aber die Dimensionen stimmen).
Es wurden dann in Städten sogenannte Felddepots angelegt, weiterhin gab es in der Nähe des Operationsgebietes der Armee dann die Feldbäckereien, die ca. alle 5 Tage Brot gebacken haben, dass war die Ration, die die Soldaten mitgeschleppt haben. Dieses Versorgungsproblem bestimmte die Operationen der Armee, die sich nie viele Tagesmärsche von ihren Depots bzw. Feldbäckereien entfernte.
Die Wagenknechte rekrutierten sich meist aus Menschenmaterial, welches nicht für die Armee taugte und wurde zu großen Teilen zwangsrekrutiert, dementsprechend war die Zuverlässigkeit dieser Leute. Auch wurden diese Leute erst im „letzten Moment“ vor dem Feldzug „geworben“ was das Chaos noch perfekt machte.
Fazit: Auch ich bin immer wieder erstaunt wie die Armeen damals versorgt wurden und halte diese Sache für eine logistische Meisterleistung.

Hallo Tychi,
zur Frage der Ernährung einer Armee gebe ich einen zeitgenössischen Text wieder und zwar über Napoleons Rußlandfeldzug 1812. Diese Schlacht war aus bayerischer Sicht eine Katastrophe - jedenfalls fehlt mir jeder Respekt vor dem großen „Feldherrn“ Napoleon! (ich hoffe, der Text ist nicht zu lang):

Genau genommen begann die Tragödie des bayerischen Heeres am 4. April 1811, als auf Befehl Napoleons das 13. Infanterie—Regiment, verstärkt durch eine Batterie Artillerie, von Bayreuth aus nach Danzig abrücken mußte, um die seit Tilsit 1807 zum Freistaat erklärte Festung an der russischen Grenze zu verstärken. Damit war Bayern noch in der Phase der organisatorischen Vorbereitungen des Feldzuges militärisch eingespannt worden, als es darum ging, die Weichsel- festungen als Aufmarschlager und Nachschubmagazine einzurichten. Politisch waren die Würfel seit Dezember 1810 gefallen, als sich Zar Alexander I. von der Kontinentalsperre losgesagt hatte. Die Folge waren versteckte Rüstungen auf beiden Seiten gewesen, bis im Dezember 1811 an die Rheinbundstaaten der Befehl erging, die Truppenkontingente in Marschbereitschaft zu versetzen. Die Rheinbundakte schrieb in Artikel 38 für Bayern 30.000 Soldaten jeder Waffengattung vor - selbst das zwangsverbündete Österreich hatte kein größeres Aufgebot zu leisten, Preußen gar nur etwa 20.000 Mann.
Am 5. Februar 1812 wurde in Bayern die Mobilmachung ausgerufen, schon vier Tage später stand die Einteilung des bayerischen Kontingentes, das sich im Raum Bamberg-Bayreuth zu sammeln hatte, fest. Danach entsandte das Königreich unter den Kommandeuren Bernhard Erasmus Graf von Deroy, General der Infanterie, geboren 1743, als »Bayerischer Dessauer« besungen und von den Truppen »Vater Deroy« genannt,10 und Karl Philipp Graf von Wrede, General der Kavallerie, geboren 1767, königlicher Kämmerer, später Fürst, Feldmarschall und Diplomat, zwei vollständige »Armeekorps«, wie auf bayerischer Seite formuliert und konsequent festgehalten wurde. Aus französischer Sicht handelte es sich um zwei »Divisionen«, die 19. und 20. der grande armeé, so daß Deroy seinem Kommandeurskollegen Wrede am 27. März raten mußte, im Armeeverband von der französischen Zählweise auszugehen, in Schreiben an Kriegsministerium und König aber ja immer die bayerische Bezeichnung zu verwenden.
Jedes der bayerischen Korps trat mit drei Infanterie-Brigaden, bestehend aus je zwei Infanterie-Regimentern und einem leichten Infanterie-Bataillon, einer Kavallerie-Brigade aus drei Chevaulegers-Regimentern und einer Artillerie-Brigade an, die sich aus fünf Batterien mit je sechs Geschützen zusammensetzte. Für die sanitäts- und veterinärärztliche Versorgung war in den Regi- ments- und Bataillonsstäben durch Ärzte und chirurgische Praktikanten vorgesorgt, aus deren Reihen auch das Personal für Feldlazarette genommen wurde. Die Grundausstattung für zwei Lazarette und zwei Marodepferde-Depots führte das Fuhrwesenbataillon mit, das mit sechs Kompanien vertreten war: 606 Fahrzeuge, 2508 Pferde, 1313 Soldaten. Es hatte jedem Bataillon drei vierspännige Munitions-, den Chevaulegers-Regimentern zusätzlich Schmiede- und Kohlenwagen abzustellen. Alleine die Artillerie-Abteilungen waren mit zusammen 186 meist vierspännigen Fahrzeugen — Munitions-, Requisiten-, Schmiede- und Kohlenwagen — ausgerüstet. Entsprechend zählt die »Train—Ordnung«, die General Deroy am 12. Juni für sein Korps erließ, ohne die Fahrzeuge der Artillerie, 58 Wagenposten auf: von den » Schanzzeugwagen nebst den Sappeurs« über die Fahrzeuge des Kriegskommissariats, die Kassa— und Registraturwagen, die Gefährte der Generalität bis hin zu den Fahrzeugen der Feldpost.
Jedes Infanterie-Regiment rückte mit etwas mehr als 1600 von insgesamt 2436, jedes Bataillon mit knapp über 800 von 1224 Mann aus den Heimatgarnisonen ab. Die Kavallerie-Regimenter, nach der Sollstärke je 1068 Reiter, sollten nach dem Befehl vom 7. Februar mit je 516 Mann und 536 Pferden aus ihren Standorten abmarschieren. Tatsächlich aber überschritt die gesamte Kavallerie mit 3277 Reitern und 3381 Pferden die Landesgrenze, eigentlich 181 Reiter und 165 Pferde zuviel.
Diese Diskrepanz zwischen der Soll-Stärke und dem effektiven Stand hilft die Stärkemeldung des gesamten bayerischen Kontingentes erklären, die General der Artillerie Triva, Ministerstaats- sekretär im Kriegswesen, am 8. März dem Ministerium der auswärtigen Verhältnisse abgab: 28463 Mann mit 6727 Pferden, zusammen mit den 1786 Soldaten und 80 Pferden in Danzig also 30249 Mann mit 6807 Pferden.
Sie stammten aus allen bayerischen Garnisonen zwischen Straubing und Lindau, zwischen Bayreuth und Innsbruck. Weiterhin haben auf bayerischer Seite, wenn gleich in den offiziellen Stärkemeldungen nicht ausgewiesen, eine Reihe von Marketendern am Feldzug teilgenommen sowie eine Anzahl verheirateter Frauen, die ihre Männer begleiteten.
Mit 69 Jahren war General Deroy der älteste Armeeangehörige; der jüngste, Kaspar Diem von der 4. Schwadron des 1. Chevaulegers-Regiments, zählte erst 15 Jahre.
Am 10. März brachen die beiden Korps aus den Versammlungsräumen in Oberfranken auf. Der Weg führte über Dresden, Meißen, Glogau, Posen, Gnesen an die Weichsel, die Deroy am 9. Mai bei Plozk, Wrede am selben Tag flußabwärts bei Wroclawek überquerte. Am 30. Juni und 1. Juli erreichten beide die russische Grenze bei Preny.2‘ Zu diesem Zeitpunkt war der Übergang über den Grenzfluß Njemen bereits in vollem Gange. Am 22. Juni hatte Napoleon in seiner berühmten Proklamation aus Wilkowitschki Rußland des Eidbruchs und der 50jährigen Einmischung in die inneren Angelegenheiten Europas bezichtigt, den Beginn des »zweiten polnischen Krieges« erklärt und seiner Armee den Befehl zum Übersetzen gegeben.
Die grande armeè trat am Njemen mit rund 450.000 Soldaten an, etwa ein Drittel Franzosen, zwei Drittel »Verbündete«, das bis dahin größte Heer der Weltgeschichte, gegliedert in die kaiserliche Garde, neun Armeekorps, vier Kavalleriekorps und das österreichische Hilfskorps unter Schwarzenberg. Generalfeldmarschall Karl Philipp von Schwarzenberg behielt als einziger Nichtfranzose den Oberbefehl über sein Kontingent; er sollte, zurückhängend, die rechte Flanke der Riesenarmee decken.
Am linken Flügel an der Ostsee stand das preußische Aufgebot unter dem französischen Marschall Macdonald und mit dabei jene 1786 Bayern des 13. Infanterie-Regiments und der Linien-Batterie Berüff.
Die Rheinbund-Kontingente zählten zum Zentrum, darunter die Hauptstreitmacht der Bayern als 19. und 20. Division des VI. Korps unter Gouvion St. Cyr, der im März in Oberfranken formell den Oberbefehl übernommen hatte. Man mag es als Ausdruck besonderer Wertschätzung betrachten,
wie es die Zeitgenossen empfanden, als das Bewußtsein der blinden Ergebenheit interpretieren, aber auch als Mißtrauen vor der geballten Stärke des bayerischen Aufgebotes, daß sich beide Korps weitere Eingriffe gefallen lassen mußten. So wurden auf Befehl Napoleons das 1. und 2. Chevaulegers-Regiment, 1094 Reiter, als Kavallerie-Brigade am 27. März dem III. Kavallerie-Korps Grouchy, die Chevaulegers-Regimenter 3-6 zusammen mit der leichten Batterie Widnmann, insgesamt 2283 Mann, nach der Parade vor Wilna am 14. Juli als Kavallerie-Division dem IV. Korps des Prinzen Eugen Beauharnais auf Dauer unterstellt. Auf diese Weise kämpften die Bayern auf drei verschiedenen Abschnitten, und mehr als 5000 Soldaten waren den Befehlen ihrer Führer Deroy und Wrede entzogen.
Im unklaren darüber, an welcher Stelle der französische Angriff erfolgen und wohin er sich richten würde, stand das russische Aufgebot von ca. 200.000 Mann unter den Generälen Barclay de Tolly, Bagration, Wittgenstein u. a. weit auseinandergezogen und tief gestaffelt hinter dem Njemen. Rein zahlenmäßig schien damit die Aufgabe für Napoleon lösbar: Vernichtung der gegnerischen Streitmacht und Einzug in die feindliche Hauptstadt, um den Frieden diktieren zu können.
Des Debakels von Spanien uneingedenk, wo der Krieg trotz der Eroberung der Hauptstadt unerbittlich weiterging, übersah der Kaiser den patriotischen Widerstandswillen des Volkes und unterschätzte die geographischen und politischen Verhältnisse des Zarenreiches. Hinzu kommt, daß Rußland zwei Zentren aufzuweisen hatte: Petersburg, Mittelpunkt von Regierung und Verwaltung, Stadt der Werften und Zeughäuser, Verbindungstor nach England, und Moskau, das religiöse Zentrum mit den Palästen und Residenzen des Adels, dessen Eroberung eine nicht minder tiefe Verletzung der Nationalehre versprach.
Die Entscheidung für Moskau muß im Heer frühzeitig bekannt gewesen sein, denn bereits am 19. Juli fürchtete der Oberstabsmedicus und oberste bayerische Militärarzt Dr. Köhler wenige Meilen östlich von Wilna den Versorgungsengpaß »von hier bis Moscau« . Entsprechend stürmte die Hauptmacht der Verbündeten über Wilna, Witebsk, Smolensk, Gjat und Borodino auf der großen Heer- straße nach Moskau, wo sie am 14. September eintraf. Beim Vortrab unter Murat mit dabei waren die bayerischen Chevaulegers der Kavallerie-Brigade und der Kavallerie-Division. Der Eindruck, den Moskau auf die erschöpften Soldaten machte, muß überwältigend gewesen sein, wie Karl Freiherr v. Widnmann, Hauptmann und Führer jener leichten Batterie der Kavallerie-Division, schildert.
Die Verluste waren freilich gewaltig: rund zwei Drittel der Hauptarmee waren verloren, mit etwa 100.000 Mann betrat Napoleon die »heilige Stadt«. Das 1. und 2. Chevaulegers-Regiment war auf eine Eskadron zusammengeschrumpft, die Kavallerie-Division zählte nur mehr 700-800 mangelhaft berittene Leute.
Der enorme Niedergang der Armee ist nur zum kleineren Teil durch Gefechtsverluste zu erklären. Bekanntlich beschränkte sich die russische Führung, schon in der Phase der Feldzugsplanung durch eine Reihe von preußischen Emigranten unterstützt, konsequent darauf, sich bei hinhaltendem Widerstand geordnet ins Landesinnere zurückzuziehen. Wenn man sich in Gefechte einließ, dann nur mit der Nachhut gegen die französische Vorhut, wie bei Witebsk am 25. Juli oder vor Smolensk am 16.—19. August, um die Stadt planmäßig räumen und in Brand stecken zu können. Erst Kutusow, der am 29. August Barclay de Tolly als Oberbefehlshaber abgelöst hatte, wagte anfangs September, sich zur Entscheidung zu stellen, worauf Napoleon sehnsüchtig gehofft hatte. Bei Gjat am 1. September und vor allem bei Borodino am 7. September prallten die Heere aufeinander, aber der Kaiser versäumte den Einsatz seiner Garde, um den Gegner zu vernichten. So blieb ein Pyrrhus-Sieg, der die Verbündeten 28000 Soldaten kostete, die Straße nach Moskau öffnete, aber den Krieg nicht entschied. Kutusow zog sich geordnet zurück, gab zwar die Hauptstadt preis, konnte aber in aller Ruhe sein Heer nach den großen Verlusten wieder ergänzen.
Den Tag von Borodino feierten beide Seiten als Sieg. So brannten in Polozk an der Düna nach dem Eintreffen der Nachricht am 17. September zuerst die französischen Freudenfeuer auf den Wällen, dann, einen Tag später, die russischen im Vorfeld der Stadt. Daß Teile der französischen Hauptarmee zu diesem Zeitpunkt an der Düna standen, hängt mit dem »Hauptstadtproblem« zusammen. Um die Straße nach Petersburg zu decken, hatte Barclay de Tolly auf dem allgemeinen Rückzug nach Osten den Generalleutnant Graf Wittgenstein mit etwa 25.000 Mann in der Gegend von Polozk zurückgelassen. Vom Norden durch das X. französische Korps unter Macdonald bedroht, das inzwischen in Jakobstadt angekommen war, und von Westen durch den nachrük- kenden Marschall Oudinot mit dem II. Korps, entschloß sich Wittgenstein am 31. Juli zum Angriff auf Oudinot, der letztlich unentschieden endete, den Franzosen aber zu einem dringenden Hilferuf an Napoleon veranlaßte. Um den Vormarsch durch den drohenden Einbruch in seiner linken Flanke nicht zu gefährden, befahl der Kaiser am 5. August das VI. — bayerische — Korps unter Gouvion St. Cyr von Beschenkowitschi zur Unterstützung nach Polozk. Hier, an der Einmündung der Polota in die Düna, dem kleinen Städtchen von etwa 3500 Einwohnern und einigen Hundert russischen Holzhäusern, einigen steinernen Prachtbauten, darunter das Jesuitenkolleg und die griechische Kirche mit Judenschule, auf einer sumpfigen Hochfläche, die im Umkreis von etwa vier km im Nord osten durch Wälder begrenzt wird, endete der Vormarsch der bayerischen Hauptstreitmacht.
Hier kam es zur ersten Feindberührung der bayerischen Korps und am 16., 17., 18. und 22. August zur ersten Schlacht von Polozk, in deren Verlauf die Bayern einen glänzenden Sieg erfochten, der freilich durch das Fehlen der eigenen Reiterei nicht ausgenutzt werden konnte. Insgesamt verloren die Verbündeten rund 4000 Soldaten, das bayerische Kontingent fast 2000: 144 Gefallene, 1135 Verwundete und 715 Vermißte; unter den an ihren Wunden erlegenen war General Deroy, so daß Wrede noch in der Schlacht den Gesamtbefehl über die Bayern übernehmen mußte.
Das Ausmaß der Verluste wird erst deutlich, wenn es an der Gesamtstärke der bayerischen Truppen vor der Schlacht gemessen wird. Nach französischen Unterlagen zählte des VI. Korps am 3. August noch 16.132 Mann, das ergibt, verglichen mit der Sollstärke von 25.086 nach Abzug der Danzig-Truppe und der Kavallerie, einen Gesamtausfall von 8.954 Bayern - ohne Feindeinwirkung. Davon wurden in der Appellstatistik fast 5.000 Soldaten als krank geführt und 1.500 als traineurs, Plünderer. Der Rest bleibt Dunkelziffer. Der Ausfall von mindestens 35,7% alleine beim VI. Korps noch vor dem ersten Gefecht zeigt beispielhaft für die ganze Armee bereits jetzt Ursa- chen auf für das Scheitern des Feldzuges und den Untergang des bayerischen Aufgebotes.
Das Klima spielte in dieser Feldzugsphase eine nur untergeordnete Rolle. Nach den Berichten Dr. Köhlers war es bis dahin eher warm als kühl. Nur Anfang Juli gab es trockene, heiße Tage; gegen Monatsende setzte tagelanger Regen ein. Nachdem ausgebaute Kunststraßen fast völlig fehlten, mussten sich die Truppen bei Hitze durch endlosen Sand, bei Regen durch grundlosen Morast kämpfen. Die täglichen Märsche in geschlossenen Kolonnen, zermürbende Aufholjagden für die hinteren Truppenteile, weil der geringste Engpaß unvermeidlich Stauungen verursachte, zehrten an den Kräften, ohne daß ausreichend Zeit zur Erholung eingeräumt worden wäre. Napoleon wußte, daß nur das Einholen des Gegners die Strapazen der Armee abkürzen konnte, wollte er nicht von vorneherein auf die letzte Karte setzen, die Einnahme Moskaus. Die Folge war eine Kette von Widersprüchen, an denen er scheitern mußte: Je schneller die Armee vorrückte, desto mehr hing der Verpflegungstroß zurück; um so früher, als es die rückwärtigen Magazine vorgeschrieben hätten, mußte die Nahrung aus dem Land beschafft werden. Die geringe Bevölkerungsdichte Rußlands hätte das Auseinanderziehen der Verbände erfordert, aber dem stand die Notwendigkeit schneller Konzentrierung der Kräfte für die Entscheidungsschlacht im Wege. Man hatte noch in Polen Fuhrwerke, Knechte und Pferde gepreßt, um die Versorgung zu sichern. Aber die leicht gebauten Wagen brachen ein, die Pferde waren den Strapazen nicht gewachsen, und die Fuhrknechte entliefen reihenweise. Selbst wenn Getreide erbeutet wurde, konnte es nicht gemahlen werden; so bestand die Verpflegung wochenlang aus Sumpfwasser, Branntwein und Fleisch von den Schlachtochsen, die, herdenweise rnitgetrieben, selbst vor Erschöpfung verendeten.
Schon am 19. Juli fiel Dr. Köhler die große Abmagerung der Soldaten auf; nach dem Biwack von Uschatz am 27. Juli waren gar 1075 Mann nicht mehr imstande, weiterzumarschieren. Heu und Stroh für die Pferde gingen seit Mitte Mai aus, so daß zerhäckseltes Dachstroh, schließlich Grünfutter vorgesetzt werden mußte. So verwundert es nicht, daß zuerst die Pferde fielen: Augenzeugen berichten, daß schon die Straße vom Njemen weg durch unzählige Kadaver gekennzeichnet gewesen wäre; vollends sei ein Lager vor den Mauern Wilnas durch den pestilenzartigen Geruch Tausender verwesender Pferde unerträglich gewesen.
Mit der dringend notwendigen Verpflegung blieben auch die übrigen Versorgungstransporte stecken, das Geld, um die Truppe zu entlohnen, und vor allem Bekleidungsersatz. Deroy berichtete am 11. August, daß »die Monturen, vorzüglich Schuh, Hemden, Unterhosen, Kamaschen, nunmehr so zusammengerissen, daß die meisten mit ganz herunter hängenden Lumpen, zum Theil auch baarfuß, also für den Dienst höchst despectierlich, umhergehen«.
Ohnedies beim Ausmarsch aus Bayern »nur mittelmäßig mit Schuhen versehen«, werde die ganze bayerische Armee in kürze völlig ohne Schuhwerk dastehen. Und nun habe auch noch Aktuar Schedel, der einen Nachschubtransport überbringen hätte sollen, wegen Pferdemangels in Polen ausgerechnet die Wagen mit den Ersatzschuhen stehengelassen.
Hier äußern sich drastisch die Versäumnisse der Armeeführung in München, die zwar den Feldzugausgang nicht entschieden, aber den Niedergang des bayerischen Aufgebotes mit verschuldeten. Die Verwaltung war zu schwerfällig, um aus den negativen Erfahrungen des preußisch-polnischen Feldzuges 1806/07 gelernt zu haben, wo sich die bayerische Ausrüstung, zum Teil auf dem gleichen Kriegsschauplatz, schon einmal als mangelhaft erwiesen hatte. Und sie war zu sparsam, um die eigenen Soldaten wenigstens mit dem Notwendigsten auszurüsten. Es ist bekannt, daß schon beim Ausmarsch der Armee aus Bayern Tausende von Feldflaschen und Brotsäcken fehlten, daß sich bereits im Mai der Mangel an Mänteln, Röcken, Hemden, sogar Unterwäsche bemerkbar gemacht hat.
Bei der Kavallerie mußten für die Mobilmachung noch 2000 Pferde vom Acker weg eingezogen werden; es kann nicht überraschen, daß sie den Anstrengungen eines monatelangen Kriegszuges nicht gewachsen waren.
Um der überstürzten Aufstellung gerecht zu werden, traten einige Schwadronen sogar mit an der Rotzseuche erkrankten Tieren an. Man verließ sich offenbar auf die Versorgung durch die französische Administration, was zu heftigen Vorwürfen beider Seiten führte und auf die Vorstellung, alles Fehlende noch unterwegs beschaffen zu können. Das gilt im besonderen Maße für das Sanitätswesen. Als Dr. Köhler im Juni 1812 aus Ortelsburg/Ostpreußen einen dringenden Hilferuf nach München richtete, um für die notwendigen Spitäler zwischen Weichsel und Njemen wenigstens 500-600 Decken, Hemden, Strohsäcke, Leintücher zu erhalten — eine Forderung, die nach könglichem Reskript vom 11. Juli ungekürzt erfüllt werden sollte —‚ war der Kriegsökonomierat an-
derer Meinung: die Armee stünde noch auf dem Boden der Verbündeten, daher hätten diese Staaten für die Kranken zu sorgen. Allein das sprunghafte Ansteigen der Krankenziffer im Mai und Juni zeigt, wie wichtig eine vorausschauende Sanitätsversorgung gewesen wäre.
Unter diesen Umständen kann es nicht verwundern, wenn sich in der Armee allmählich Unzufriedenheit bemerkbar machte. Im Mai kam es zu einer unmittelbar nach München gerichteten französischen Beschwerde über Plünderungen und Ausschreitungen gegenüber der Zivilbevölkerung. Zwar wiesen sowohl Deroy als auch Wrede, von Triva zu Stellungnahmen aufgefordert, die Vorwürfe entrüstet zurück, doch die nachfolgenden Berichte noch aus Ostpreußen offenbaren die Schwierigkeiten, mit denen die Truppenführer zu kämpfen hatten. So sah sich Deroy am 16. Juni, also noch vor der Grenze, gezwungen, für jedes Bataillon einen Offizier als Nachkommando einzusetzen, »welcher sämtliche Traineurs nachbringt und keinen Mann zurückläßt, indem das Trainieren nur eine Gewohnheit ist, und durchaus nicht aufkommen darf. Auch hat das Corps Commando bemerkt, daß zu viele Kommandierte bei der Bagage und den Vorspannswägen sich befinden, […] durch welche Exzesse verübt werden«.
Tatsächlich hat der Nachkommandoführer vom 19. Juli gemeldet, daß nur zwei wirklich kranke Soldaten zurückgeblieben seien, daß aber einige Hundert auf eigene Faust das Land durchstreiften, daß während des Marsches in den Dörfern Fenster eingeschlagen, Türen aufgerissen, Tische umgeworfen, Öfen beschädigt worden seien, daß sich eine Edelmannsfrau beklagt hätte, geschlagen und ihres Geflügels beraubt worden zu sein, und daß wirklich auf dem Weg verstreute Federn und zerbrochenes Geschirr gelegen habe. Mochte Deroy seine Soldaten auch mit »Hunnen und Vandalen« vergleichen, sie vor den Folgen auf dem Rückmarsch warnen, scharfe Anordnungen erlassen, den Bauern nicht immer gleich die ganzen Herden wegzutreiben und schließlich die Prügelstrafen für Traineure einführen, »15 ad posteriora«, und 25, falls sie mit geladenem Gewehr angetroffen würden, - es half nicht viel: die Auflösung der bayerischen Armeekorps war in vollem Gange. Daran änderte auch die Todesstrafe nichts, die nach kaiserlicher Proklamation zur Abschreckung auch an einigen Bayern vollstreckt wurde. Es liegt auf der Hand, daß sich alle diese Mängelerscheinungen und Auflösungstendenzen nur verstärken konnten, je länger der Feldzug andauerte.
In Polozk an der Düna hatte inzwischen St. Cyr, der nach der Verwundung Oudinots den Oberbefehl übernommen hatte, auf die Ausnützung des Sieges verzichtet. So entstand eine wochenlange Gefechtspause, die die Verbündeten mit Vorpostendienst und Schanzarbeiten verbrachten, während der sich die Russen aber laufend verstärken konnten. Mitte Oktober, als die Kämpfe wieder aufflammten, standen auf diese Weise den rund 27.000 Franzosen, Portugiesen, Schweizern, Kroaten und Bayern etwa 50.000 Russen gegenüber.
Das bayerische Kontingent, seit dem Reskript vom 15. September zu einem Korps zusammengelegt, war zwischen dem 3. und dem 29. August um die Hälfte zusammengeschmol- zen, bestand am 1. Oktober nur noch aus 6.064 waffentragenden Soldaten. Wrede selbst gab zeitweise dem aufreibenden Vorpostendienst in den Sümpfen um Polozk die Schuld an dieser Entwicklung. Als Major Caspers mit dem ersten Nachschubtransport an Geld, Ausrüstung und Arznei aus München am 7. Oktober an der Düna eintraf, verschlug es ihm schier die Sprache: »Das Elend, worin sich unsere gute Armee befindet, kann blatterdings nicht beschrieben werden«. Tatsächlich fehlte es an allem. »Da nichts mehr im Stande war, die ausgehungerten Mägen zu ersättigen, so war auch kein denkbarer Gegenstand, der sich nur entfernt als eß - oder verschlingbar finden lassen könnte - der nicht aufgezehrt wurde. Kuhhäute in schmale Riemen geschnitten und gebraten, Kröten und Frösche, faule ausgeworfene Fische, Hunde, Katzen, Kräuter, Schwämme, Korn, Eingeweide,
Haber, Blut, kurz alles wurde wie Leckerbissen verschlungen, und Kessel und Kasseroll kamen nie vom Feuer - außer in dem Moment, wo man sich um deren tourweisen Besitz zankte und raufte«.
Seiboltsdorf berichtet weiter, daß sich die Hände der Hungrigen bei Nacht wie Dachse unter die Offiziersbaracken durchwühlten, um sorgfältig aufgespartes Brot zu erhaschen. Nach dem Bericht Dr. Köhlers vom 1. September lag die letzte Brotverteilung an die Truppe bereits 40 Tage zurück; das Brackwasser, aus Moortrichtem und Sümpfen geschöpft, ließ Durchfall, Ruhr und Nervenfieber, seit dem Vormarsch schon mitgeschleppt, grassieren. In den vier bayerischen Spitälern in Polozk, Kirchen und Scheunen, fehlten Stroh, Decken, Geschirr, das Personal und vor allem Arznei.
Alleine im »Internistenspital« starben zwischen dem 26. August und dem 16. Oktober 900 Soldaten. Nach Dr. Köhler ertrugen die Leute alles mit einer dumpfen Resignation, »man könnte sagen, mit Apathie; sie scheinen wenig bekümmert um ihre Erhaltung, um Leben und Tod und ertragen alles ohne Murren mit einer sich hingebenden Gleichgültigkeit« .
Die gleichen Eindrücke bestätigt der Franzose Marbot, Kommandeur eines Regiment der cavalerie légère im II. Korps. Der Bayern hätte sich ein düsterer Geist bemächtigt, eine Art lndifferentismus; sie wären, krank vor Heimweh, wie die Fliegen gestorben.
Wie es in diesen Wochen hinter der Front zuging, erfährt man aus dem erhaltenen Schreiben der Kommandantschaft Balwierzyschki, rund 20 km südlich Preny am Njemen, vom 26. Oktober an Wrede. Bis an die Weichsel seien Bayern zurückgelaufen, dort von der französischen Gendarmerie aufgegriffen worden. Daß sie, um zu überleben, stehlen, betteln und oft genug Ausrüstung und Munition verkaufen würden, habe bereits die ganze bayerische Armee in Verruf gebracht.
Wrede wußte, wie es um die einst so stolzen bayerischen Truppen stand; aber ihm, dem absoluten Militär, blieb nur das Mittel des Befehls, um die Disziplin wieder zu heben. So rügte er im Tagesbefehl vom 24. September Nachlässigkeit, Abstumpfung, Gleichgültigkeit, Trägheit und Sorglosigkeit und appellierte an jeden einzelnen, »der Entbehrung oder der Entfernung von seinem Vaterlande wegen« nicht seine Pflicht zu vergessen.
In München wurde man von dieser Entwicklung total überrascht. Als durch Briefe von Armeeangehörigen die ersten Nachrichten über den Zustand der Truppen, ihre Ausfälle und ihren Mangel in der Heimat bekannt wurden, forderte Triva auf königliches Geheiß Wrede am 14. Oktober auf, unverzüglich Zensurmaßnahmen zu ergreifen und seine Stellungnahme abzugeben. Wrede kam dieser Aufforderung am 9. November aus Danilowitschi nach und verband die Meldung über die verhängte Zensur aller Privatpost mit einer ausführlichen Analyse: Es läge nun einmal im Charakter des bayerischen Soldaten, auf einer Seite lobenswert tapfer zu sein, auf der anderen »bei der geringsten Entbehrung, größeren Fatiquen oder weiterer Entfernung vom Vaterland« klein- und mißmutig zu werden; selbst Offiziere hätten ihn bei der geringsten Krankheit mit Gesuchen um Abberufung überhäuft; es sei nicht seine Schuld, daß sein Tagesbefehl vom 24. September nicht bei allen die gehoffte Wirkung gezeigt habe; er habe jedenfalls ganze Abteilungen auf die National- ehre aufmerksam gemacht, aber nur wenig Eindruck wahrgenommen; er gebe zu bedenken, »daß es in Kriegszeiten nicht der Zeitpunkt ist, Soldaten zu bilden, daß man vom Bauern, wenn man ihm einen Soldatenrock anzieht, eine Muskete auf den Rücken gibt und marschieren macht, nicht verlangen kann, schon Soldat zu sein .
Unter diesen Zeugnissen kann es nicht überraschen, daß es zu zahlreichen Desertionen und sogar zu Übertritten in die russische »Deutsche Legion« gekommen ist, darunter bei einer Reihe von Offizieren, die freilich später militärgerichtlich belangt wurden.
Dennoch: Als am 16. Oktober in und bei Polozk die Gefechte wieder einsetzten, hielten die Reste der bayerischen Armee der russischen Übermacht stand. Es gelang Wrede sogar, in einem bravourösen Gegenangriff, den Verbündeten Luft zum Rückzug über die Dünn zu verschaffen, der in der Nacht zum 20. Oktober vollzogen wurde. »Nie werde ich diese schreckliche Nacht vergessen, in der ich alle Greuel des Krieges, die nur vorkommen können, kennen lernte«, schrieb Hauptmann Maillinger. Die Verluste der Bayern scheinen mit einigen Dutzend glimpflich ausgefallen zu sein; insgesamt sollen die Verbündeten einige Tausend Mann verloren haben.
Im Stich gelassen, blieben über tausend Kranke und Verwundete in den Spitälern zurück. Anstatt nun geschlossen den Vormarsch Wittgensteins zu verzögern, brach die Heeresgruppe der Verbündeten nach der Verwundung St. Cyrs im Streit um das Oberkommando auseinander. Wrede zog sich nach Westen zurück, General Legrand, dem sich Wrede nicht unterstellen wollte, nach Süd- osten und der Hauptteil des II. Korps in Richtung Süden. Gemeinsames Handeln wäre freilich umso notwendiger gewesen, um den Rückzug Napoleons aus Moskau zu decken.
In Moskau hatte Napoleon vom 14. September bis 18. Oktober vergeblich gehofft, einen ehrenvollen Frieden abschließen zu können. Die geräumte, fast menschenleere Stadt, die noch dazu wenige Tage nach dem Einmarsch an mehreren Stellen gleichzeitig in Flammen aufging, die unbeantwortet gebliebenen Friedensangebote, der nahende Winter, die Bedrohung der rückwärtigen Verbindungen durch die Russen und endlich der überraschende Angriff Kutusows am 18. Oktober auf Murat, der die Hauptstadt im Süden abschirmen sollte, erzwangen schließlich den Aufbruch. Murat war es zwar gelungen, den Ansturm mit einem Verlust von 2.000 Soldaten abzuwehren, für die Reste des 1. und 2. Chevaulegers-Regiments aber war es das letzte Gefecht: nur mehr 14 Reiter stark, wurden sie aufgelöst und verschwanden als erste Einheiten aus der Kriegsgliederung der bayerischen Armee.
Napoleons Stolz verbot der durch nachgesandte Verstärkungen auf rund 120.000 Mann angewachsenen Streitmacht, den Rückweg auf feindabgewandten Straßen zu nehmen. So schlug er, noch immer sieggewohnt, am 19. Oktober die Heerstraße nach Süden ein, Richtung Kaluga, Kutusow entgegen. Bei Mab Jaroslawetz kam es am 24. zur Schlacht, bei der sich Oberst Diez mit dem Rest des 6. Chevaulegers-Regiments besonders auszeichnen konnte. Die Folgen: 6.000 Mann Verlust gegenüber 8.000 beim Gegner; am verhängnisvollsten aber wurde, daß Napoleon nun doch über Borowsk und Wereja auf die große Straße nach Smolensk zurückwich.
Ab hier begann der eigentliche Rückzug der Großen Armee mit all seinen Schrecken und Greueln, mit dem Kampf jedes einzelnen ums Überleben gegen Eis und Schnee, gegen den Hunger und gegen einen übermächtig gewordenen Gegner. In den Gefechten von Wiasma, wo am 3. November die bayerische Kavallerie-Division zu bestehen aufhörte, beim Übergang über den Wop, wo die leichte Batterie Widnmann ihre letzten Geschütze verlor, in der Schlacht von Krasnoi vom 16./17. und zuletzt an der Beresina bei Studienka, wo noch ein letztes Mal Napoleons Genie aufblitzte, als es ihm gelang, vom 24.-29. November über 40.000 über den Fluß zu retten, erfüllte sich das Schicksal der grande armeè.
Wredes Schar, am 16. November bereits auf ganze 3.120 Mann zusammengeschmolzen, stieß am 3. Dezember nördlich von Mobodetschno auf die zurückflutenden Verbände der Hauptarmee. Man sah, schreibt der damalige Oberleutnant Furtenbach, »einen unermeßlich unübersehbaren, regellosen Haufen auf der breiten Straße daherwälzen; alles aufgelöst, nirgends Subordination. Generale, Soldaten, alles durcheinander, in den auffallendsten Anzügen, die Menschen gleich Skeletten und vom ständigen Biwackieren ganz schwarz und entstellt, ohne alle Lebensmittel; die Straße übersäht von Leichnamen und gefallenen Pferden. […] Hungrig fielen uns diese Gespenster an« … Abgestumpft gegenüber dem Unglück anderer, sei man ganz gleichgültig über die Sterbenden hinweg geschritten, habe ihnen noch die besten Lumpen zum eigenen Gebrauch vom Leibe gerissen.
Am 5. Dezember verließ Napoleon in der Nacht die Trümmer seiner Armee, bei bester Gesundheit, wie er im 29. und letzten Bulletin versicherte. Danach brach auch der letzte Zu- sammenhalt der Truppen: alles flüchtete an die Weichsel zurück. Das Häuflein Bayern, durch den Einsatz als Nachhut unter Marschall Ney weiter dezimiert, traf Ende Dezember in Pobozk ein, ohne Fahnen, die schon am 24. November dem Gegner in die Hände gefallen waren, ohne alle Fahrzeuge und Geschütze, deren letzte am vereisten Ponaryberg bei Wilna stehengeblieben waren. Zeitweise hielten sich nicht mehr als 68 Mann in der Umgebung Wredes auf.
Die einzige bayerische Truppe, die im Feldzug nicht untergegangen ist, war jenes verstärkte 13. Infanterie-Regiment mit 1.786 Mann im Korps Macdonald. Mit der Division Grandjean im Juli bis Dünaburg vorgerückt, brauchte es in die Kämpfe um Polozk nicht einzugreifen. Entsprechend gut war auch sein Zustand. Als Oberst Graf Butler, von Pobozk kommend, am 3. Oktober das Regiment übernahm, konnte er feststellen: »Mannschaft ist gesund und auch ziemlich gut mit Monturen versehen. Welch ein Unterschied gegen jene Regimenter, welche ich erst jüngst verlassen habe und beinahe als krank dahinschwebten«
Der Rückzug begann hier in der zweiten Dezemberhälfte, zuerst bis Tilsit, wo der Übergang über die Memel erst erkämpft werden mußte, dann - nach Abschluß der berühmten Konvention von Tauroggen vom 30. Dezember 1812 - in Gewaltmärschen, bei Temperaturen unter 30 Grad und ständigen Gefechten mit nachrükkenden Kosacken, bis Danzig, wo die bayerische Truppe am 17. Januar 1813 mit 1.135 Mann in guter Ordnung eintraf.
Insgesamt verlor die bayerische Armee etwas über 30.000 Mann. Mit den Verstärkungen von 5.550 Soldaten waren im Laufe des Jahres 35.799 Bayern nach Rußland gezogen. Davon bestanden am 1. Januar 1813, die Danzig-Truppe eingeschlossen, noch über 5.000 Mann; alleine an der Weichsel hatten sich nach und nach 3.920 Soldaten eingefunden. Zieht man die Nachschubtransporte ab, die zwischen dem 8. und 20. Oktober mit 4.202 Mann aus Bayreuth abgerückt und zwischen 22.und 30. Dezember mit 2758 Mann bei Wrede eingetroffen sind, dann haben nur 2.297 Bayern das russische Abenteuer von Anfang an ohne Schaden überstanden. Wieviele Kranke und Amputierte sich retten konnten, ist unbekannt. Auch läßt sich nicht mehr klären, was mit den Tausenden geschah, die aus Erschöpfung am Wegesrand liegen blieben, in Gefan- genschaft gerieten oder der Armee den Rücken wandten. Immerhin kehrten zwischen März und Dezember 1814 rund 890 Männer aus Gefangenenlagern zurück. Hunderte hatten den Übertritt in den russischen Untertanenverband einem ungewissen Schicksal vorgezogen und waren im Zarenreich geblieben.
Nach all dem stellt die Zahl von 30.000 Toten auf der Obeliskinschrift einen aufgerundeten Annäherungswert dar. Daß sie »für des Vaterlandes Befreyung« starben, wie auf der nördlichen Tafel nachzulesen, ist nur über das Einweihungsdatum am 20. Jahrestag der Völkerschlacht verständlich. Bekannt für seine antifranzösische Einstellung und dazu berufen, das Versprechen einzulösen, das sich die Armee im August 1812 in Polozk gegeben hatte, wollte König Ludwig I. be- kräftigen, daß es der Opfergang der bayerischen Armee gewesen war, der letztlich den Abfall von Napoleon ermöglicht und notwendig gemacht hat.

Beste Grüße
Lenny

Hallo

Wie funktionierte das im WW2 bei den Amis mit der Soldatenversorgung (Munition, Essen etc.). Gabs da immer mal jemand von der Gruppe, der Essen holen musste. Oder kam ab und zu ein Lkw von „hinten“ vorbeigefahren und hat muni und happi verteilt?

Gruß mifune

Verheerend…
… was glaubst Du, wo dieser
Ausdruck herkommt?

Gruss, Marco