Geil...seit wann?

moin leute

bisher dachte ich immer dieses wort sei irgendwann in den 80gern geprägt worden. jedoch habe ich letztens in einem mittelalterlichen roman auch dieses wort gelesen.
nur frei und modern übersetzt oder haben schon die alten ritter bei ihrer wollust von geilheit geredet???

grüsse

markus

Hallo,

nur frei und modern übersetzt oder haben schon die alten
ritter bei ihrer wollust von geilheit geredet???

Aus Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch:

geil, geile adj. von wilder kraft, mutwillig, üppig, lustig, fröhlich; mit gen. froh über; begierig zuo

geil stm. (= stark, maskulin) übermut

geil stn. (= stark, neutrum) fröhlichkeit, lustiges wachstum, wuchern; hode

geilaere stm. ein fröhlicher gesell

geile, geil stf (= stark, femininum) üppigkeit, fruchtbarer boden, fröhlichkeit, übermut; swf (schwach femininum) hode

geilen swv intr.(= schwaches verb intransitiv) übermütig, ausgelassen sein froh werden.
tr. (= transitiv) froh machen. - refl. (= reflexiv)sich freuen, erlustigen; lustig wachsen und wuchern

geilheit stf. fröhliche tapferkeit; ausgelassenheit

salut

gernot

80gern geprägt worden. jedoch habe ich letztens in einem
mittelalterlichen roman auch dieses wort gelesen.
nur frei und modern übersetzt oder haben schon die alten
ritter bei ihrer wollust von geilheit geredet???

Hallo !

Wann wurde denn Dein „mittelalterlicher“ Roman geschrieben???
Mittelalterliche Romane, die heute geschrieben wurden, darf man doch nicht als Muster nehmen. Die Schreiberlinge heute bringen dort alles Mögliche unter, vor allem die Erkenntnisse von heute.

Wenn ich nicht total falsch liege, hat selbst Luther bei der Bibelübersetzung das Wort schon benutzt.
Das Wort „geil“ hat heute aber doch, wenn es so von 3-6jährigen benutzt wird, eine ganz andere Bedeutung.

Früher so :

geil
Adjektiv Standardwortschatz (8. Jh.), mhd. geil, ahd. geil, as. gEl Stammwort.
Aus g. *gaila- Adj. „lustig, lüstern“, auch in ae. gAl, erweitert in anord. geiligr „schön“ und in gt. gailjan „erfreuen“.
Im Deutschen entwickelt sich die Bedeutung einerseits zu „sexuell lüstern“, andererseits zu „üppig, aber kraftlos wachsend“ (von Pflanzentrieben).
In der modernen Jugendsprache häufig als allgemeiner Ausdruck der Anerkennung gebraucht. - Außergermanisch vergleichen sich lett. gails „wollüstig (u.a.)“, lit. gailùs „beißend, scharf“ und vielleicht akslav. (d)zElo „sehr“. Die Bedeutungen in den beteiligten Sprachen fallen ziemlich weit auseinander und sind kaum auf eine einheitliche Grundform zurückzuführen. Die Zusammenhänge im einzelnen sind klärungsbedürftig (vgl. die Bedeutungen „unzüchtig“ und „wildwachsend“ bei l. follis und seinen Nachfolgern). Vermutlich liegt eine l-Ableitung zu der unter Geiz und Geier behandelten Wurzel (ig.) *ghei- „verlangen, begehren“ vor. Abstraktum: Geilheit; Partikelableitung: aufgeilen.
Brandt, R.: Wortgeschichts- und Wortbedeutungsstudien (Frankfurt 1989);
Heidermanns (1993), 226. indogermanisch io

Heute, und das seit den 70/80ern bedeutet es doch das, was jeder damit meint, eben etwas, was man toll/geil findet. Das kann etwas Schönes sein, etwas Begehrenswertes usw.
Eine geile Frau ist heute doch keine Frau mehr, die geil ist, sondern sie sieht gut aus und ist wohl auch aufregend.

Gruß max

vielen dank für die antworten

grüsse

markus

Eingriffe und Ergänzung
Hallo, Max und Gernot!

Ich habe an euren Artikel ein wenig rumgemacht. Im einen Fall zwei sinnentstellende Tippfelher verbessert, im andren die Struktur geändert, um den Textes etwas leichter lesbar zu machen.
Ich bitte um euer Verständnis.

Die ursprüngliche Bedeutung: „lustig, fröhlich“ findet sich in einem Meistersanggedicht. Ich entsinne mich im Moment des Autors nicht. Das beginnt mit den Worten:

„Ir jungen diet, pis nit so geil!“

und bedeutet einfach: „Ihr jungen Leute, freut euch nicht zu sehr …“.

Ich möchte noch hinzufügen, dass „geil“

  • ähnlich wie das in den End-60ern und 70ern, auch durch kräftige Mithilfe von Schimanski, der es in einer Tatortfolge über siebzig Mal aussprach, abundant werdende „Scheiße“ in Bildungen wie: „scheißliberal, etc.“

  • bewusst und provokativ gebraucht wurde, um unsere Eltern und Lehrer zu schockieren.

Ich bin ganz sicher, dass meine Mutter dieses Wort - in der damaligen sexuell abwertenden Bedeutung - nie ausgesprochen hat.

Und ich selbst war ein wenig geschockt, als meine 4-jährige Nichte sagte: „Au deil, dann dehn wir auch!“

Inzwischen ist es ein sinnentleertes: sehr gut, wie alle die „tierisch, kolossal, pyramidal, Tadellöser & Wolff, etc“ der Generationen vorher.

Gruß Fritz