Anrede: per Sie und mit Vornamen

Jemanden per Sie und mit Vornamen anreden, empfinde ich als herablassend. Bei uns in Österreich muss sich schlimmstenfalls das Dienstpersonal so etwas gefallen lassen („Johann fahren Sie mich mit dem Auto in die Stadt“, „Alois schneiden Sie die Hecke“, „Maria bügeln Sie diesen Anzug auf“, usw.). Leider verfallen immer mehr Menschen in diese Unsitte; vermutlich haben sie es sich im Fernsehen in (schlecht synchronisierten) us-amerikanischen Filmen abgehört, aber für meine Ohren kommt dies einem Affront gleich. Ja und wie reagiere ich, wenn mir so etwas passiert? Höflicher Mensch der ich bin, frage ich mein Gegenüber nicht: „Bin ich Ihr Butler?“. Sondern ich bleibe gelassen und spreche ihn/sie ganz betont mit Familiennamen an, ich nenne seinen/ihren Familiennamen öfter, als sonst in Gesprächen üblich. Vielleicht überringelt er/sie dann, dass auch ich mit Familiennamen angesprochen werden will.
Was meint Ihr dazu? Welche Normen gibt es in anderen deutschsprachigen Regionen?

Hallo Hermann,

ich finde es wesentlich herablassender, jemanden überhaupt nicht anzureden und eine Frage hier ‚reinzurotzen‘… Dies aber nur am Rande.

Schlimm finde ich es nicht; in Deutschland ist es auch in Büros durchaus üblich, wenn man das Duzen ablehnt (die Kombination ‚Sie + Vorname‘ hat auch eine Bezeichnung, die will mir allerdings im Moment partout nicht einfallen). Die von Dir erwähnten Sätze

„Johann fahren Sie mich mit dem Auto in die Stadt“
„Alois schneiden Sie die Hecke“
„Maria bügeln Sie diesen Anzug auf“

sind allerdings mehr als unhöflich, weil es schlicht Befehle sind! Es bricht niemandem ein Zacken aus dem Krönchen, wenn er denn Satz mit dem Wörtchen ‚bitte‘ garniert. Wie so oft, macht auch hier der Ton die Musik. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich meine Haushälterin bzw. Sekretärin mit ‚XY, sind sie bitte so nett und …‘ um etwas bitte oder mit ‚XY, tun Sie …‘ auffordere, etwas zu tun, gelle?

Gruß

Renee

Hallo Hermann,

Interessant, wie du das empfindest.
In gewisser Weise hast du Recht, ich musste gleich an Weinheber denken: „Marie, ich bitt’ Sie auf den Knie’n, ziehn’s mir nicht so närrisch an den Jalousie’n!“

Trotzdem ist dieses Zwischending für mich etwas ganz angenehmes. Ich habe es in der Firma, in der ich arbeite, kennengelernt.
Es schafft Ungezwungenheit, eine gewisse Vertrautheit gepaart mit trotzdem nötiger Distanz, andererseits hebt es aber auch eine andere Distanz auf.

Die ganz Jungen sind alle per Du. Die Älteren können und wollen sich nicht mit allen „verbrüdern“, aber dieses „Herr Sowieso“ und „Frau Sowieso“ klingt so formell.

Ich weiß nicht, wie es passiert ist und wann es passiert ist, aber es kommt immer häufiger vor, Kollegen mit Vornamen und per Sie anzusprechen. Die Empfindung, dass wir alle uns auf „Butler-Niveau“ begeben, hatte ich dabei noch nie.

Ich bin schon gespannt, was andere zu diesem Thema meinen.

Grüße
Irene

Jemanden per Sie und mit Vornamen anreden, empfinde ich als
herablassend. Bei uns in Österreich muss sich schlimmstenfalls
das Dienstpersonal so etwas gefallen lassen

Hallo, Hermann,

solange das auf Gegenseitigkeit beruht (von mir also nicht erwartet wird, mit „Herr Kommerzienrat“ zu antworten), empfinde ich es nicht als herablassend. - Auch die höflichste Anredeformel kann doch äußerst arrogant rübergebracht werden … Im Übrigen kommt es doch wohl vor allem darauf an, was auf die Anrede folgt.

Was mich allerdings erheblich stört (außer hier im Forum, natürlich), ist von Wildfremden geduzt zu werden.

Gruß
Kreszenz

Hi Hermann,

so was gibt es hier in der Gegend eher selten.

Im früheren Betrieb meiner Frau hat ihr Chef sie so angeredet, sie hätte es vielleicht umgekehrt auch gekonnt, wollte es aber nicht, es war ihr zu blöd, so blieb es von ihrer Seite bei Sie und Herr Meyermüllerschmitz.

Wie ma nso was ablehnen kann?
Gute Frage, die sich wohl nicht pauschal beantworten läßt. Wie ist das Verhältniss zu dieser Person, wie würde sie wohl reagieren, ist es ansonsten dort üblich etc.

Wenn mir so was passieren würde, würde ich freundlich, aber deutlich klarstellen, daß ich entwerde weiter mit Nachnamen gesiezt werden möchte, oder eben mit Vornamen gedutz. Nur wie ich das jetzt genau sagen würde - ?

Gandalf

Hi Irene,

Trotzdem ist dieses Zwischending für mich etwas ganz
angenehmes. Ich habe es in der Firma, in der ich arbeite,
kennengelernt.
Es schafft Ungezwungenheit, eine gewisse Vertrautheit gepaart
mit trotzdem nötiger Distanz, andererseits hebt es aber auch
eine andere Distanz auf.

Genau so habe ich das kennen und schätzen gelernt. Hatte eine hervorragende Zusammenarbeit mit einem Chef, das bis hin zu persönlichen Einladungen zu ihm nach Hause (mit Gattin) ging. Ein „Du“ hätte ich selbst in einem Arbeitsverhältnis nicht gewollt, die Verbindung Sie+Vorname dagegen entspricht genau dem Gefühl aus Vertrautheit und Respekt, das Du beschrieben hast.
LG,
Anja

Hi,

Was mich allerdings erheblich stört (außer hier im Forum,
natürlich), ist von Wildfremden geduzt zu werden.

Ich denke, dass liegt aber allgemein am Internet, den Chat-Communities, der Unpersönlichkeit, die dann schnell durch so was persönlicher werden soll, an der Schnelligkeit etc. Das Medium ist trotz allem noch jung, soll es zumindest sein und da gehört es für viele dazu, auf „Floskeln“ zu verzichten, locker rüber zu kommen und darunter fällt meist auch die Anrede.

Hier stört es mich nicht, weil es irgendwie die Scheibe ist, die mich dutzt, aber so von Auge zu Auge - fände ich auch unangenehm.

Es grüßt Peter

Hallo,

bisher habe ich eigentlich nur angenehme Erfahrungen mit dieser Kombination gemacht.

Aber wenn mir ein „Du“ an sich nicht passt, sage ich einfach, dass ich es nett finde, dass ich das „Du“ angeboten bekomme (auch wenn es kein Angebot war), ich persönlich aber gerne beim „Sie“ bleiben möchte. Das wurde bisher ohne große Nachfrage respektiert. Und wenn ich es begründen müsste, dann würde ich sagen, es ist noch zu früh oder dass ich das im Arbeitsleben grundsätzlich so handhabe etc.

Es grüßt Peter

Von wegen herablassend,
Hi,

in einigen weltweit operierenden Firmen amerikanischen Ursprungs wird es so gehandhabt, dass mit Vornamen und „Sie“ angeredet wird. Das ist in sofern ein Kompromiss, weil kulturell bedingt viele Leute nicht mit dem „Du“ klarkommen. Dieser Kompromiss wird von beiden Seiten akzeptiert, ich habe noch keinerlei anderslautende Bemerkungen vernommen.
Gruss,

Jemanden per Sie und mit Vornamen anreden, empfinde ich als
herablassend.

hallo,

ich auch, weil es im deutschen nicht üblich ist. woanders ist es grad umgekehrt. der vorname zeugt von höflichkeit und ein „herr meier“ wird als frotzelei empfunden.

gruß
datafox

angenehm - aber wie reagiere ich korrekt?
Hallo Hermann!

Ich - ebenfalls aus Österreich - habe die Kombination Sie/Vorname bislang immer als sehr angenehm empfunden. Untergekommen ist sie mir eigentlich nur an der Uni, entweder im normalen Betrieb bzw. auf Tagungen, wo mich Profs, mit denen ich mehr zu tun hatte, irgendwann mit Vornamen angeredet haben. Ich fand das imemr sehr nett, habe es so verstanden, dass sie mich schätzen und eine gute Gesprächsbasis besteht. Als herablassend habe ich das nie empfunden, aber wie schon von anderen gesagt wurde: Es hängt sicher davon ab, wie es rüberkommt, ob andere Höflichkeitsformeln vorhanden sind etc.

Was mich aber immer wieder ratlos macht, ist, wie ich denn auf so etwas reagiere… Im direkten Gespräch lässt sich die direkte Anrede ja vermeiden, da muss ich ja nicht unbedingt immer den Namen dazusagen, wenn ich jemanden anrede :smile:. Aber wie z.B. schriftlich? Kann ich auch auf Vornamen umsteigen, wenn mein (in der Hierarchie deutlich über mir befindliches) Gegenüber das tut?
Wenn jemand dazu noch etwas sagen könnte, wär’ ich sehr froh!

Lieben Gruß in die Runde und ein schönes Wochenende,
Elisabeth

ein
„herr meier“ wird als frotzelei empfunden.

Würde ich so nicht sagen :smile:

HM :smile:)

*sch…* (offt.)
sag daß das nicht wahr ist!!

*schäm*

datafox

Fand das immer sehr nett…Was mich aber immer wieder ratlos macht,
ist, wie ich denn auf so etwas reagiere… Kann ich auch auf Vornamen
umsteigen, wenn mein (in der Hierarchie deutlich über mir befindliches)
Gegenüber das tut?

Hallo Elisabeth!

Mein Artikel war zugegebenermaßen provokant formuliert, ich wollte damit die Diskussion in Gang bringen. Einerseits fühlst Du Dich offensichtlich geschmeichelt, wenn jemand mit höherem Status Dich mit Vornamen anredet und Dir so ein Gefühl der Vertrautheit gibt, andererseits scheinst Du zu spüren, dass dieses Verhalten nicht reziprok ist.

Oder konkret: wenn z. B. eine Frau Prof. Simone Mayr Deine Dissertation betreut und zu Dir sagt: „Elisabeth, im Jänner 1998 ist im „German Quarterly“ ein Aufsatz erschienen, den müssen Sie sich anschauen.“ wirst Du vernünftigerweise mit „Ja, Frau Professor“ und nicht mit „Ja, Simone“ antworten.

Oder ganz allgemein: auf der Uni das Lehrpersonal immer mit Titel ansprechen (ganz gleich ob face to face oder im Brief), ansonsten kannst Du ganz gehörig ins Fettnäpfchen treten.

Baba
Hermann

Hm. Na gut…
Hallo Hermann,

danke für Deine Antwort!
Dein Beispiel ist klar, war aber nicht genau das, was ich meine, aber vielleicht ist das eh egal. Wenn mein Dissbetreuer jemals auf Vornamen umsteigen sollte, wär klar, dass ich trotzdem bei „Prof. xy“ bleibe. Mir ging’s um Leute, die ich auf einem Symposion kennengelernt habe, die dann recht bald mit mir auf Vornamen umsteigen, und die mich jetzt auch in Mails mit Vornamen anreden, und da kommt’s mir etwas komisch vor, dann jedesmal mit „Liebe Frau Prof. soundso“ oder „Lieber Herr Prof. weissnichtwie“ zu antworten.
Aber besser mach ich’s so wie bisher und bleibe bei der Anrede „Prof.“ - wen’s stört, der kann mir ja das Du anbieten :smile:)

Noch etwas zu Deinem Posting:

Einerseits fühlst
Du Dich offensichtlich geschmeichelt, wenn jemand mit höherem
Status Dich mit Vornamen anredet und Dir so ein Gefühl der
Vertrautheit gibt, andererseits scheinst Du zu spüren, dass
dieses Verhalten nicht reziprok ist.

Naja, natürlich ist es in der anonymen Menge der Studenten schön, wenn man merkt, man wird als Individuum erstens wahrgenommen und zweitens offenbar geschätzt. „Geschmeichelt sein“ ist nicht ganz das richtige Wort, weil es ja auch um fachliche Anerkennung geht.
Das ändert aber nichts daran, dass es eben eine Hierarchie gibt, und die wird durch das mit Vornamen Nennen höchstens relativiert, aber nicht abgeschafft. Ich sehe hier nicht so sehr ein „andererseits“, wie Du das tust.

Danke jedenfalls für Deine Antwort, die das bestätigt, was ich ohnehin tue :smile:
Lieben Gruß,
Elisabeth

P.S. „German Quarterly“… Germanisten unter sich?? Wo was wie? :smile: