Jemandem über den Mund fahren

Hallo,

ich ahne zwar, aber ich weiß nicht genau, was der Spruch bedeutet.
Kann mir jemand das mal erklären? Wäre schon wichtig, da ich es
angeblich tat und es nicht gut ankam ;-(

Bei Verständnis gelobe ich Besserung.

LG, Karin

Hallo Karin

Das heisst, dass du jemanden beim Sprechen grob unterbrochen, ihm das
Wort abgeschnitten hast.

Gruss, Tychi

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Hallo Karin,

scheint einer jener Sprüche zu sein, die ausnahmsweise
nicht auf das altdeutsche „munt“ (Hand) zurückgehen.
Oder doch?
Im altgermanischen Recht versinnbildlichte die Hand
Macht, wie sie sich noch heute im „Vormund“ darstellt,
der über seinen Schutzbefohlenen die Hand hält und
Gewalt über sie hat. Morgenstund hat somit Gold in der
Hand, das sie unter den Frühaufstehern freigebig
verteilt.
…mundtot machen…jemand die Gewalt aus der Hand
nehmen
…Mund verbrennen…Luther,Suppe

Grüße
J.

Quelle: Krüger-Lorenzen

Richtig. Mütter tun dies im Übrigen durchaus auch sehr gerne bei ihren Sprösslingen im Wortsinn, indem sie die Hand vor dessen Mund halten wenn er etwas -aus ihrer Sicht- unliebsames von sich gibt.

mfg
Simon

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Hallo Karin,

ich ahne zwar, aber ich weiß nicht genau, was der Spruch
bedeutet.

wenn Du jemanden daran hindern willst, etwas zu sagen, kannst Du ihm mit der Hand den Mund zuhalten, oder mit der Hand über den Mund fahren.

Gandalf

Grübel, grübel und studier…Danke an alle, Karin
.

Nu, wart mal erst!
Die beiden Artikel sind zu schön, darum ganz:

_ Mund

In Mundarten und Umgangssprache steht für Mund meist ‚Maul‘, besonders in den oberdeutschen Mundarten. Norddeutsch tritt dafür oft auch der derbe Ausdruck ‚Schnauze‘, niederdeutsch ‚Snuut‘ ein. Außer den bereits bei Maul aufgeführten Redensarten seien noch die folgenden ergänzt: Seinen Mund nicht auftun: schweigsam, nicht redselig sein, ‚Maulfaul‘ sein; die Redensart beruht auf Jes 53,7: »Er tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird«.

Nicht auf den Mund gefallen sein: redegewandt, schlagfertig sein; oder verstärkt: Ein gutes Mundwerk haben; niederländisch ‚hij is goed van de tongriem gesneden‘, 1603 belegt; französisch ‚avoir la langue bien pendue‘, ‚avoir le filet coupe‘; englisch ‚to have the gift of the gab‘, ‚to have a well-oiled tongue‘, ‚to have one’s tongue well hung‘.

Wie auf den Mund geschlagen sein: vor Verblüffung kein Wort zu sagen wissen, Sich den Mund verbrennen (bei Luther: »sich das Maul verbrennen«): unbedacht mit den Worten herausfahren, die einem dann Tadel und Unannehmlichkeiten zuziehen. Das Bild der Redensart ist vom Essen zu heißer Suppe hergeleitet, wie denn auch Lehmann S. 68 (‚Behutsamkeit‘ 3) erklärt: »Wer das Maul verbrennt hat, der bläst in die Supp«; dazu auch das niederdeutsche Sprichwort: ‚De kann swigen, de heet eten kann‘. Das Bild des Essens steht auch hinter Den Mund vollnehmen: übertreiben, prahlen. Leckere speisen machen den Mund wäßrig. Einem, der eine wohlbesetzte Tafel sieht, Läuft das Wasser im Mund zusammen; französisch ‚l’eau vient à la bouche‘.

Sich etwas vom Mund absparen: am Essen sparen, um sich etwas kaufen zu können; daß dies nicht richtig ist, sagt ein Sprichwort aus dem Westerwald: ‚Wot mer sport on seim Mund, frißt die Katz orrer de Hund‘. Diese Redensart erscheint literarisch bereits in Hans Sachs’ Schwank ‚Der zu karg und der zu milt‘ (4):
Wo er nur kund bey seinen jaren
Ein Pfenning kund am maul ersparen -
und in seinem bekannten Fastnachtsspiele, dem ‚Heiß eisen‘ (179):
Vier gulden zwölffer, die ich doch hart
Hab selbst an meinem maul erspart.

Einem etwas vor dem Munde wegnehmen; in älteren Belegen statt wegnehmen ‚abschneiden‘, so heißt es in Murners ‚Narrenbeschwörung‘ (59, 52):
Wer all die Buben ertränkte …
Der thet doch gott ein dienst daran
Das sy dem armen krancken man
syn brot abschnyden vor dem mundt;

und in Grimmelshausens ‚Simplicissimus‘ (I, 16) ist die Rede von Schmarotzern und Hungerleidern, die denen, »so etwas meritirt, das Brot vorm Maul abschneiden«; vgl. französisch ‚oter à quelqu’un le pain de la bouche‘, (wörtlich: einem das Brot vom Mund wegnehmen), im Sinne von: einem den Lebensunterhalt nicht gönnen.

Jemandem die Bissen in den Mund zählen: ihm nicht gönnen, daß er sich satt ißt. Von der Hand in den Mund leben sagt man von einem, der nicht spart, sondern das Erworbene sogleich ausgibt; scherzhaft bezieht man es auf den Zahnarzt, der davon lebt, daß er anderen mit der Hand in den Mund fährt. Einem den Mund sauber halten: ihm nichts vom Essen abgeben, auch allgemeiner: jemandem etwas vorenthalten; Wie aus einem Munde wird vermerkt, wenn zwei gleichzeitig dasselbe sagen.

Die Redensart Warm und kalt aus einem Munde blasen oder Aus einem Mund kalt und warm blasen: zwiespältig, unaufrichtig, ‚doppelzüngig‘ sein, geht auf eine Fabel Äsops (Nr. 64) zurück. Ein Waldschrat schloß Freundschaft mit einem Menschen. Eines Tages sah er, wie der Mensch sich in die Hände blies, um sie zu wärmen; kurze Zeit später, als er beim Essen saß, blies der Mann in den dampfenden Teller, um das Essen abzukühlen. Als der Waldgeist sah, daß der Mann warm und kalt aus einem Munde blies, kündigte er ihm die Freundschaft. Die Redensart ist zumindest seit dem 16. Jahrhundert bei uns bekannt.

Auch in den Niederlanden ist sie verbreitet (‚heet end koud uit een mond blazen‘); es gibt ein Gemälde von Jordaens über diese Fabel. Ebenso: Aus zwei Mündern sprechen: doppelzüngig sein; in der niederländischen Form ‚hij spreekt uit twee monden‘, womit man einen Betrüger bezeichnet, ist die Redensart im 18. Jahrhundert auch in den niederländischen Bilderbogen dargestellt worden.

Sehr alt ist die in Süddeutschland gebräuchliche Redensart von Mund auf in den (gen) Himmel kommen (fahren). In einer Predigtsammlung aus Salzburg heißt es 1705 in einer Kapitelüberschrift: »Von einem / der von Mund auf ist gen Himmel gefahren / weil er niemand freventlich verurtheilt hat« (Heribert von Salurn, ‚Festivale‘ I, 126). Sofort, ohne Aufenthalt im Fegfeuer, gelangt die Seele in den Himmel; früher dachte man sich, daß die Seele eines sterbenden Menschen durch den Mund dem Körper entfloh.

Die Redensart wurde parodiert zu: ‚Von Mund auf gen Himmel fahren, gleich wie die Kuh ins Mauseloch‘.

Der Mund der Wahrheit (italienisch ‚bocca della verita‘) ist ein altes Sagenmotiv. In der Vorhalle der Kirche Santa Maria in Cosmedin in Rom steht eine antike kreisrunde Brunnenablaufmaske, die ein menschliches Gesicht darstellt, ‚Mund der Wahrheit‘ (1,7 Meter Durchmesser). Daran knüpft sich die Sage, daß jeder, der einen Eid leisten soll, seine Hand in den offenen Mund dieser Plastik legen muß; wird ein Meineid geschworen, kann der Lügner seine Hand aus dem zugeschnappten Mund nicht mehr befreien. Erstmals ist diese Art der Wahrheitsfindung in Deutschland in der ‚Kaiserchronik‘ bezeugt (Mitte des 12. Jahrhunderts, VV 10688-10819): Eine Witwe vertraut Julian ihren Schatz an, den dieser jedoch für sich behalten will, als sie ihn zurückfordert. Vor dem Bild des Mercurius muß Julian, die Hand im Mund der Figur, die Wahrheit schwören. Da er jedoch lügt, beißt der Mund zu und hält Julian fest, bis dieser sich zur Rückgabe des Schatzes bereit erklärt.

In späterer Zeit verband man die Erschaffung des Bildes mit dem ‚Zauberer‘ Vergil und benutzte den ‚Mund der Wahrheit‘ zur Keuschheitsprobe. In der 1522 erschienenen Schwanksammlung ‚Schimpf und Ernst‘ (Nr. 206) von J. Pauli wird das Bild allerdings durch eine des Ehebruchs angeklagte Frau überlistet: ihr Geliebter umarmt sie - als Narr verkleidet - vor dem Schwur, so daß sie in aller Öffentlichkeit behaupten kann, nur ihr Mann und der Narr hätten sie berührt. Das Bild soll daraufhin in tausend Stücke zersprungen sein.

Einem nach dem Munde reden: ihm schmeicheln; Jemandem das Wort vom Munde ablesen, im gleichen Sinne wie etwa: jeden Wunsch von den Augen ablesen und damit erfüllen; ‚enen deep in de Mund seen‘, ihm Glauben schenken.

Einem über den Mund fahren: ihn scharf zurechtweisen; Einem das Wort im Munde umdrehen: seine Äußerungen entstellt weitergeben, sie absichtlich anders deuten; Das Wort aus dem Mund nehmen: dasselbe sagen, was der andere auch gerade sagen wollte; Ein Schloß an den Mund hängen: jemanden zum Schweigen bringen; Den Finger auf den Mund legen ist von der Gebärde, mit der man jemanden zum Schweigen auffordert, genommen; Einem die Worte in den Mund legen: ihm zu verstehen geben, was er sagen soll; vgl. französisch ‚parler par la bouche de quelqu’un‘.

Sich den Mund nicht verbieten lassen: sich von einer unerwünschten oder peinlichen Äußerung nicht abhalten lassen; Sich den Mund fusselig oder fransig reden: etwas ausführlich und doch wirkungslos darlegen; obersächsisch auch: ‚sich Fransen ums Maul reden, sich Troddeln schwatzen‘.

In aller Leute Mund sein: ins Gerede kommen; französisch ‚être dans toutes les bouches‘; englisch ‚to be in everybody’s mouth‘; niederländisch ‚over de tong gaan‘; Mund und Nase aufsperren: sehr erstaunt sein; Den Mund halten: schweigen; Den Mund auftun: etwas sagen; ‚e krumm Maul mache‘ (elsässich), Zeichen von Unlust geben; ‚wie us dem Mull gegroffe‘ sagt man im Siegerland über einen, der jemandem sehr ähnlich sieht. (Sich) kein Blatt vor den Mund nehmen Blatt, Schloß.

Etwas geht von Mund zu Mund: ein Gerücht verbreitet sich.
G.F. DEINLEIN: Dissertatio de dubiis quibusquam in successione ab intestatio collateralium in capita secundum regulam, So viel Mund, so viel Pfund (Altdorfi 1743); C. RIESSNER: Artikel ‚Bocca della verita‘, in: Enzyklopädie des Märchens II (1979), Spalte 543-549.

[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Mund, S. 7. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 4220 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 3, S. 1060) © Verlag Herder]

Maul

steht in Redensarten vielfach als derber, vom Tier auf den Menschen übertragener Ausdruck für ‚Mund‘. Die meisten Redensarten mit Maul sind Parallelbildungen zu Ausdrücken mit Mund besonders in den oberdeutschen Mundarten; z.B. Jemandem übers Maul fahren: ihn wegen einer Äußerung scharf zurechtweisen; Nicht aufs Maul gefallen sein: schlagfertig, um eine Antwort nicht verlegen sein; Sich das Maul verbrennen: sich durch Worte schaden. Das Maul aufreißen: übertreiben, vorlaut sein; vgl. englisch ‚gaping against an oven‘;

Das Maul voll nehmen: prahlen; Ein loses (grobes) Maul(werk) haben: freche (derbe, unsaubere) Reden führen. Allgemein üblich ist Halt’s Maul!: sei still! »Liebe Kinder, lernet das Maul halten; denn wer es hält, der wird sich mit Worten nicht vergreifen«, übersetzte Luther Sir 23,7; vgl. französisch ‚ferme ta gueule‘ oder ‚ta gueule‘ (beides derb).

Maulen: mürrische Widerworte geben. So schon bei Hans Sachs (‚Töchtermann‘ 18); als dem Ehemann anstatt des erwarteten Sohnes eine Tochter geboren wird, heißt es:
Darob het der jung man ein grawen
Und meulet sich ob seiner frawen.

Ähnlich ‚Sich vermaulen‘, ein halb mucksiges, halb naseweises Dagegenreden, Sichverteidigen.

Ein Maul anhängen: frech widersprechen. Das Maul hängen lassen: mürrisch, mißvergnügt sein; aus ‚melancholisch‘ hat die Volksetymologie Maulhängolisch, Maulhenkolisch gemacht (so schon bei Johann Fischart). Das Bild wäre von alten Pferden entlehnt, hat man gemeint mit Berufung auf den Satz in Pestalozzis ‚Lienhard und Gertrud‘: »Er hängt die Oberlippe wie eine alte Stute«. Aber dieser Übertragung bedarf es nicht; mürrische Menschen lassen wirklich den Mund hängen (oder Ziehen ein schiefes Maul). Schon in der Namenlosen Sammlung von 1532 heißt es unter Nr. 301: »Sihe wie henckt er das Maul. Mault sich«. Dazu die Erklärung: »Sihe wie ist der so zornig, die da zürnen, sehen sawr, vnd lassen das maul mit den lippen lang heraußhangen«. Ähnlich Agricola, Nr. 323. Auch in der ‚Zimmerischen Chronik‘ (IV, 14): »Damit macht er das meniglich … das maul hanckte«. In Ifflands ‚Jägern‘ von 1785 heißt es (I,1): »Hängt das Maul, so tief Ihr wollt - hier kann ich es nicht aushalten«.

Maul und Nase aufsperren: dumme Verwunderung äußern. Bei höchstem Erstaunen öffnen wir unwillkürlich gleichsam alle Sinne, als ob wir sie alle zu Hilfe nehmen wollten bei dem Erfassen eines merkwürdigen Anblicks, einer verblüffenden Geschichte.
Der offenstehende Mund erklärt sich dabei so, daß man sich äußern möchte, aber vor Erstaunen kein Wort hervorbringt. Schon der Prediger Geiler von Kaysersberg (1445-1510) rechnet die unter die Narren », die mit dem Kopff und Maul hören; denn es sein etlich also geartet, daß sie nicht hören können, wenn sie nicht das Maul aufsperren und gaffen, gleichwie ein Esel, der Distel frißt«; vgl. französisch: ‚rester bouche bée‘ (wörtlich: mit offenem Mund dastehen); ähnlich Die Maulsperre haben (kriegen): vor Staunen sprachlos sein, Maulaffe

Ein ungewaschenes Maul nennt man einen Mund, aus dem nur unnützes Gewäsch, schmutzige oder freche Reden kommen. Die Vorstellung ist sehr alt und früher offenbar weniger anstößig gewesen als jetzt, sogar die höfische Dichtung des 13. Jahrhunderts verschmäht sie nicht. Die rechte Waschung für den Mund sind Gebete; Murner predigt in der ‚Narrenbeschwörung‘ (47,12):
Das mul solt ir mit beten weschen!

Von besonders frechen Schnäbeln sagt Murner in der ‚Schelmenzunft‘, daß sie Das Maul in den Himmel stoßen, wenn sie Gottes Regiment tadeln, wobei er auf den alten Glauben von den Schnabelmenschen anspielt:
Man sagt myr das in alten zeyten
Warendt der schneblechten leyten
Ich kanß nit für eyn wunder han
Man findt wol ietz eyn schnebler man
Der mit seym maul erreichen kann
Den hymmel vnd all sternen dran.

Das Maul ausleeren nennt es der Bayer, wenn einer alles Böse, was er über jemanden oder eine Sache zu wissen glaubt, vorbringt. Das Maul nach etwas spitzen (und doch nicht pfeifen): auf etwas begierig sein; nach der Mundhaltung, die man einnimmt, wenn Einem das Maul nach etwas wässert; Grimmelshausen sagt dafür im ‚Simplicissimus‘ (II, 102): »mir die Zähne wässerig zu machen«.

Einem etwas ins Maul schmieren: es ihm so leicht und angenehm wie möglich beibringen; eigentlich von einer Speise gesagt, die der andere nicht von selber essen will, wie der Lehrer erst ‚vorkaut‘, was die Schüler verdauen sollen. Geläufig ist auch: Einem das Maul schmieren, Einem ums Maul gehen: ihm schöne Worte geben, Versprechungen machen, die nicht gehalten werden; vgl. Luther (‚Tischreden‘,1577, Bl. 362a): »Einem das Maul schmieren, ohne ihm etwas zu geben«. So auch 1529 bei Joh. Agricola (Nr. 692): »Er schmirbt yhm das Maul, und gibt yhm ein dreck drein. Das ist, er betrügt yhn«, Honig. Einem das Maul stopfen: ihn zum Schweigen bringen, um nicht weiter von ihm belästigt zu werden.

Nach einer lateinischen Fabel des Phaedrus versucht ein Dieb dem kläffenden Hofhund ein Stück Brot anzubieten, um ihm das Maul zu stopfen, damit er nicht mehr belle (vgl. Singer I, 118, II, 43). Luther gebrauchte die kräftige Wendung öfters in seiner Bibelübersetzung: z.B. Ps 107,42: »Aller Bosheit wird das Maul gestopft werden«; Ps 63,12 steht: »Lügenmäuler stopfen«; Ps 40, 10 und Lk 11, 53: »Den Mund stopfen«. Geiler von Kaysersberg sagt: »Wenn du jedermanndes maul wöltest stopfen, würdest du fürwar nirgendt lumpen und scher wollen gnug bekommen mögen«. In Sebastian Brants ‚Narrenschiff‘ (41, 27f.) findet sich die Redensart angewandt auf die Klatschbasen und schwatzhaften Narren, denen es niemand recht machen kann:
Der muß mäl han, vil me dann vil,
wer yedems mul verstopfen wil.

In lateinischer Form auch bei Heinrich Bebel (Nr. 340): »Multa farina opus est, si quis omnium hominum ora occludere velit«. 1541 führt Sebastian Franck an (I, 85): »Der muß vil mel haben, der alle meuler wil verkleyben«. Bei Abraham a sancta Clara (‚Judas‘ I,181) heißt es: »Es gibt wohl zu Zeiten einen schlechten Doctor, über den kein Patient thut klagen, denn er stopffet ihnen allen das Maul zu mit der Erden«.

‚Nur so übers Maul raschwätze‘ sagt man im Schwäbischen, wenn man meint, es wird nur so dahergeredet, das Gesagte ist nicht allzu ernst zu nehmen.

Sehr drastisch ist die aus neuerer Umgangssprache bezeugte Redensart Dem sein Maul muß noch besonders totgeschlagen werden, wenn er mal stirbt, womit man einen boshaften Schwätzer brandmarkt. Ähnlich auch in den Mundarten, z.B. schwäbisch ‚Bei dear muaß ma amaul d’Gosch oiges toatschlaga‘; ‚wemma dear d’Gosch zuanäha, no tät se no zua de Nähta rausbäbbera‘; ‚dia hot a Maul wie a Scheraschleifer‘.

Das Maul geht ihm wie geschmiert, Er läßt kein Spinnweb vor seinem Maul wachsen, Sein Maul geht ihm wie ein Schlachtschwert, wie ein Entenarsch, Er hat sein Maul nicht in der Hosentasche stecken. So schon bei Schuppius: »Wann Sie mich aber mit der Feder angreifen wollen, so will ich meine Feder und mein Maul nicht in die Hosentasche stecken, sondern mit Gottes Hülf sehen, daß ich Ihnen allein Mann’s genug sei« (vgl. französisch ‚Il ne met pas sa langue dans sa poche‘).

Dem Schweigsamen umgekehrt ist das Maul zugefroren oder er hat es gar zu Hause vergessen; vgl. französisch ‚Il a oublié sa langue‘ (wörtlich: Er hat die Zunge vergessen); oder aber er sitzt still da und Hält die Zunge im Maul.

Die Redensart Sich den Mund (das Maul) wischen hat mannigfachen Bedeutungswechsel erfahren. Ursprünglich wischt man sich das Maul (das Wort erscheint noch im 16. Jahrhundert in edlem Sinne), nachdem man eine Speise verzehrt, wie die Edelfrau und Vögtin in Hans Sachs’ ‚Edelfrau mit dem Aal‘ 39: »wischten darnach das maul paidsam«. Dann tut man in ironischem Sinne dasselbe, wenn man nichts davon bekommen hat, wenn man ohne Anteil geblieben ist. Sodann wird die Geste angewandt, um anzudeuten, daß man überhaupt keinen Anteil an etwas hat. In dieser Anwendung kann die Geste (und die aus ihr gewordene Redensart) auch auf Heuchelei zurückgehen. In diesem Falle stellt man sich unbeteiligt (wischt sich das Maul), obwohl man eigentlich recht stark beteiligt sein sollte. In älterer Zeit findet sich die Redensart gerade in diesem Sinne recht oft. In Hans Sachs’ ‚Krämer mit den Affen‘ (105) wischen die Spottvögel sich »den mund, drollen davon«, und in desselben Dichters ‚Zwei Gesellen mit dem Bären‘ (117) wischt sich der Ausreißer ebenfalls »den mund und geht darfon«.

Der heutige Gebrauch der Redensart nähert sich mehr der ersten, ironischen Umdeutung, insofern als sie heute fast durchgehend in der Bedeutung verwandt wird, keinen Anteil an einer Sache erhalten zu haben, auf den man doch eigentlich ein Anrecht hatte oder zu haben vermeinte.

‚Maul‘ als Bezeichnung für einen mißgebildeten Mund kommt in dem Sprichwort vor:
‚Familie (Maul) Schiefeschnut
kriegt de Kerz‘ nit ut’.
ANONYM: Een muilband op een lampe, in: Biekorf 39 (1933), S. 94.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Maul, S. 8. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 4007 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 3, S. 1011) © Verlag Herder]_

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Aber jetzt…:wink: Danke, Fritz; Gruß, Karin
.