Hannover und Hochdeutsch

Hallo,

der Volksmund behauptet ja, daß in Hannover das beste Deutsch gesprochen wird. Stimmt das überhaupt und wenn ja, gibt es einen Grund dafür warum ausgerechnet Hannover

Constantino

Hallo Constantino,

man sagt, das liegt daran, daß Konrad Duden aus der gegend von Hannover kam. So wurde der dort gesprochene Akzent „per Definition“ zum modernen Hochdeutsch.

Gruß
Torsten

Hallo Constantino,

wir haben dieses Thema schon öfter mal diskutiert. Bevor die Wogen wieder hoch schlagen, bloß mal die Empfehlung zur Gegenprobe:

z.B. Linden; Langenhagen, noch besser das unmittelbar ante portas gelegene Fuhrberg.

Es wird schnell deutlich, dass Stadt-Hannöversch kein lokaler Dialekt ist. Leider nicht belegen kann ich die an Ort und Stelle gehörte Hypothese, dass Hannöversch erst seit kurzer Zeit gesprochen wird, nämlich seit nach Annexion des Kgr Hannover durch Preuszen dort rigoros möglichst jede Erinnerung an Hannover getilgt werden sollte (vgl. französischen Sprachunterricht in der Bretagne mit wenigstens Prangerstehen für die Benutzung des Bretonischen).

Beiläufig:

KommSe ma nach Hannova inne Aalts-tadt, könnSe die raainste dooitsche S-prache höan!

Standdarddeutsch wird außer auf Theaterbühnen und in Medien nirgendwo gesprochen.

Schöne Grüße

MM

Hallo Constantino,

der Volksmund behauptet ja, daß in Hannover das beste Deutsch
gesprochen wird. Stimmt das überhaupt und wenn ja, gibt es
einen Grund dafür warum ausgerechnet Hannover

Ganz einfach: weil man im 19. Jahrhundert mal festgelegt hat, dass Hannoversch es sein soll.

Das heutige Standarddeutsch ist gewissermaßen eine Mischsprache: hochdeutsche Schriftsprache in niederdeutscher Lautung (Hannover gehört eigentlich nicht zum hochdeutschen, sondern zum niederdeutschen Sprachraum).

Im Zuge der politischen Einigung Deutschlands suchte man nach auch einer einheitlichen Sprache für Deutschland, wofür sich das Hochdeutsche anbot, weil es in Deutschland weiter verbreitet war. Andererseits gab es zu dieser Zeit keine einheitliche Aussprache im hochdeutschen Raum, nur einzelne regionale Dialekte. Da bot es sich vermutlich als „neutralste“ Lösung an, die Aussprache zu nehmen, die zustandekommt wenn ein Fremdsprachler (nämlich ein Niederdeutscher) hochdeutsch spricht. Und Hannover bot da wohl die „gemäßigste“ Aussprache an, weil es relativ nahe an der Sprachgrenze liegt (die erste größere Stadt nördlich der Benrather Linie).

Links zum Weiterlesen:
http://www.br-online.de/kinder/fragen-verstehen/wiss…
http://de.wikipedia.org/wiki/Hochdeutsch
http://www.vc.ehu.es/filologia/SARRERA-ITZULPENGINTZ…

Dialektkarten:
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/deutsche-staemm…

@ Martin: als Standarddeutsch wurde eben nicht ein hannoverscher (niederdeutscher) Stadtdialekt festgelegt, sondern vielmehr der Versuch der Hannoverander, das Hochdeutsche auszusprechen.

@ Torsten: dass die Aussprache auf Konrad Duden zurückgehen soll, halte ich für eher unwahrscheinlich. Erstens stammt Duden nicht aus Hannover, sondern aus Wesel, und zweitens beschäftigte er sich überwiegend mit der Schriftsprache, nicht vorrangig mit der Aussprache.
Viel eher ist da schon Theodor Siebs als Verantwortlicher zu nennen, dem Autor der „Deutschen Bühnenaussprache“. Und Siebs stammt auch tatsächlich aus Hannover!

Grüße
Wolfgang

FAQ
PS: in FAQ:189 steht auch noch einiges dazu, auch wenn ich dieser Darstellung nicht in jedem Detail zustimme.

Und etwas abstrakter steht auch noch was in FAQ:1469.

W.

Archiv
PPS: Und übers Archiv http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv… kommt man noch auf diesen schönen Zeit-Artikel, der den Ursprung noch etwas genauer hundert Jahre früher datiert:
http://www.zeit.de/stimmts/2000/200024_stimmts_hannover

Grüße
Wolfgang

Hallo,

inhaltlich hat Wolfgang alles Wesentliche gesagt, nur noch eine kleine Randnotiz: Vor vielleicht inzwischen gut 20 Jahren wollte die BBC in Hannover Dreharbeiten für den Deutschunterricht durchführen, weil man auch dort von der angeblich so „reinen“ Standardlautung gehört hatte. Nach ein paar Tagen hat man sich dann entschlossen, die Aktion nach Göttingen zu verlegen…

Ich bin selbst gebürtiger Hannoveraner, lebe jetzt aber rund 500 km weiter südwestlich, und wenn ich heute in meine Heimatstadt zurückkehre, hüpfen mir sogleich die dezenten ostfälischen Einfärbungen ins Ohr.

Hallo, Wolfgang und ihr!

Das heutige Standarddeutsch ist gewissermaßen eine
Mischsprache: hochdeutsche Schriftsprache in
niederdeutscher Lautung * (Hannover gehört eigentlich
nicht zum hochdeutschen, sondern zum niederdeutschen
Sprachraum).

Ich würde hier * ergänzen;
Hochdeutsche Schriftsprache, die in dieser Form nirgends gesprochen wurde und wird, versuchsweise buchstabengetreu ausgesprochen in niederdeutschen Lautung!

Gruß Fritz

Hallo, Fritz,

Ich würde hier * ergänzen;
Hochdeutsche Schriftsprache, die in dieser Form nirgends
gesprochen wurde und wird, versuchsweise buchstabengetreu
ausgesprochen in niederdeutschen Lautung!

Durchaus einverstanden, danke für die Präzisierung!

Was hältst du davon, die FAQ:189 gelegentlich zu überarbeiten?

Im großen und ganzen finde sie ich ja eigentlich sehr gut, aber die Aussage, das Hochdeutsche klinge nur " zufälliger- oder niederträchtigerweise […] fast ganz genauso wie das Deutsch, das man um Hannover herum spricht" ist m.E. nicht haltbar, vielmehr ist die hochdeutsche Kunstsprache das Ergebnis einer präskriptiven Normung, die sehr bewusst hannoveranische Lautung mit einbezog.

Und der Einfluss Konrad Dudens auf die Entwicklung der Aussprachenorm scheint mir doch übertrieben dargestellt, v.a. gegenüber Theodor Siebs. Herr Duden als Kind des Niederrheins hatte wohl kaum persönlichen Gründe, hannoveranische Lautung zu pushen.

Grüße
Wolfgang

Was hältst du davon, die FAQ:189 gelegentlich zu überarbeiten?

Oh, gern, Wolfgeng!

" zufälliger- oder niederträchtigerweise […] fast
ganz genauso wie das Deutsch, das man um Hannover herum
spricht"
ist m.E. nicht haltbar

Bei solchen Formulierungen hat mich wohl süddeutscher Hafer gestochen und ist durchaus als harmlose Ironier gemeint. Aebr du hast Recht, seriös ist das nicht. :frowning: Sorry! ;-}

Und der Einfluss Konrad Dudens auf die Entwicklung der
Aussprachenorm scheint mir doch übertrieben dargestellt

Auch das ist schnell geändert.

Schreib doch die von dir beanstandeten Stellen um, schick sie mir und es wird nicht allzulange dauern, bis ich das geändert habe.

Gruß Fritz

Hallo,

der Volksmund behauptet ja, daß in Hannover das beste Deutsch
gesprochen wird. Stimmt das überhaupt und wenn ja, gibt es
einen Grund dafür warum ausgerechnet Hannover

Constantino

Bei Tucholsky liest sich das so:

Onkel Erich kam neulich zu uns nach Berlin zu Besuch. Er ist aus Hannover, wo sie das reinste Deutsch sprechen - das allerreinste. Bis auf die Vokale, die sind im Hannoverschen eine Wissenschaft für sich. Man muß lange dran rumstudieren, bis daß man sie raus hat - und das getrübte a, das sie da sprechen, hat mir immer eine ungetrübte Freude bereitet. Unter anderem klingt dort »ei« wie »a«. ( - »Haben Sie Aale?« - »Näö, ich habe getzt Zaat!« - »Nicht doch. Ob Sie Aale haben?« - »Ich säöge doch: ich habe getzt Zaat!« - »Aaale! Den Fisch! Aale« - »Aach, Sie meinen Aeöle! Der Herr sind wohl von auswärts?«) Besitze hierüber ein herrliches Büchlein von Le Singe; auch besitzt das Hannöversche in seinem Dialekt eine der schönsten Anekdoten der Welt (»Schöde . . . Agäöthe ist da gräöde mit los!«) - aber das ist, wie Kipling sagt, eine andere Geschichte.

Grüße
oranier

Hallo,

der Volksmund behauptet ja, daß in Hannover das beste Deutsch
gesprochen wird. Stimmt das überhaupt und wenn ja, gibt es
einen Grund dafür warum ausgerechnet Hannover

Hallo Constantin,

meine Mutter ( u.a.) ist gebürtige Hannoveranierin und die sagte mir immer:
Die Hannoveraner sprechen das *reinste* Deutsch.
Damit meinte sie vor allem, dass sie *über den spitzen Stein stolpern*, das heißt, sie redet auch wirklich noch so:
Stein und nicht Schtein ( wie die meisten es aussprechen).

Wiederum mein Vater ( auch in Hannovergeboren) hat nie *gestolpert*.

Heutzutage hat sich das wohl auch bei den Hannoveranern abgeschliffen.
Ich denke, es ist vornehmlich die ältere Generation, die noch so redet.(Meine Mutter ist 81 Jahre alt)

Gruß
Petra