Hi, Helena!
da befragen wir doch wieder den Herrn Röhrich und der saegt:
_Eine weithin bekannte Redensart heißt Der Himmel hängt voller Geigen. Belege finden sich vor allem in der Barockdichtung. So heißt es bei Abraham a Sancta Clara (1644-1709) »Wann der Himmel, wie man sagt, voller Geigen hänget …« (›Reimb dich‹ 18). An anderer Stelle (›Abrahamische Lauberhütt‹ III,10) gibt er auch eine Erklärung: »Es ist ein gemeines Sprichwort, wann einige Welt-Menschen die große Himmels Freuden wollen zu erkennen geben, so pflegen sie zu sagen: Der Himmel ist voller Geigen«. In einem Weihnachtsspiel aus Kärnten singen die Hirten, wenn sie den Gesang der Engel hören:
Potz tausend, Bue! was spricht so toll,
Was hör i nit für Klang!
Der Himmel hängt mit Geigen voll,
Es ist a Engelsgsang.
Ebenfalls mit der biblischen Erzählung von der Verkündigung an die Hirten auf dem Felde verbindet Casper von Lohenstein (1635-83) die Wendung:
Der Himmel tut sich auf und hänget voller Geigen,
Die Cherubinen mühen sich die Geburt zu zeigen
Den armen Hirten an.
Auch Luther kennt das Bild, das schon im 15. Jahrhundert vorkommt: »Und weil ihr so gerne an diesem Reigen tanzt, dunkt euch, der Himmel hänge voller Geigen«. Später hat die Redensart zu scherzhaften Umformungen Anlaß gegeben: »Mancher meinet, der Himmel hang voller Geigen, so seynds kaum Nußschalen« (Lehmann,1639, S. 161).
In Grimmelshausens ›Abenteuerlichem Simplicissimus‹ (1669) findet sich bei der Beschreibung seiner zweiten Hochzeit die folgende Stelle: »Ich ließ trefflich zur Hochzeit zurüsten, denn der Himmel hing mir voller Geigen«. In demselben Werk findet sich die Redensart im schwankhaften Vergleich gebraucht, als Simplicissimus in ein Pfarrhaus einbricht, um Schinken und Würste zu stehlen: »Als er das Nachtschloß aufmachte, da sahe ich, daß der schwartze Himmel auch schwartz voller Lauten, Flöten und Geigen hieng; ich vermeyne aber die Schinken, Knackwürste und Speckseiten, die sich im Kamin befanden«.
Noch in der Neuzeit hat die Wendung nichts von ihrer Beliebtheit eingebüßt. Das zeigt ein bairisches Volkslied, das im ›Wunderhorn‹ den Titel ›Der Himmel hängt voller Geigen‹ trägt. Gustav Mahler vertonte 1892 den Wunderhorn-Text, den er an einigen Stellen leicht veränderte, als vierte der ›Fünf Humoresken‹ für Gesang und Orchester. Und Paula Modersohn-Becker schenkte ihrem Mann zur Verlobung gar ein Bild mit dem Titel: ›Du und ich und der Himmel voller Geigen‹.
Wahrscheinlich geht die Vorstellung der Redensart auf die Malerei der späten Gotik bzw. Frührenaissance zurück, als man den Himmel mit musizierenden Engeln belebt darstellte. So schmückt die Festtagsseite des Isenheimer Altars von Matth. Grünewald ein farbenprächtiges Engelskonzert. Auch Raffaels Bild ›Krönung Mariens‹ zeigt den Himmel mit geigenspielenden Engeln erfüllt. Ebenso könnte die Redensart Alle Engel im Himmel singen hören, durch die die Größe eines Schmerzes ausgedrückt werden soll, auf diese Vorstellung zurückgehen. In der Volkssprache wird die Redensart schließlich drastisch verändert und aus der Geige eine Baßgeige. So heißt es elsässisch ›Ich schlag dir uf d’Ohren, daß d’meinst, der Himmel ist e Baßgig‹; ›er sieht den Himmel für’ne Baßgeige (auch: 'nen Dudelsack) an‹, er ist besinnungslos betrunken (berlinisch). Vgl. auch die Drohung ›Ich hau dich auf den Kopf, daß du den Himmel für eine Baßgeige (einen Dudelsack) ansiehst‹. Mecklenburgisch sagt man von einem Hoffnungsfrohen, der noch keine Enttäuschung erfahren hat: ›dem hängt der Himmel noch vull Fideln: paß up, wenn dei Brummbaß man ierst kümmt‹. Obersächsisch kennt man als Ausruf bei einer unangenehmen Überraschung die Redensart ›Ei Himmel, hast du keine Geigen!‹
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Himmel. Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 2828
(vgl. Röhrich-LdspR Bd. 2, S. 717-718) © Verlag Herder]_
Gruß Fritz