Gibts einen Herrn Wunderlich?

Hallo!

Wir behandeln grad in Deutsch Edward (?) Bernstein. Mein Deutschlehrer meinte, ich könne doch mal ein Referat zu etwas machen, was mit Bernstein zusammenhängt … und dann hat er (meine ich zumindest, denn er redet so ermüdend) gesagt, „Wunderlich“ wäre gut.

Gibt es einen Sprachforscher, der Wudnerlich heißt? Wo finde ich was über ihn?

Danke schonmal!

Matthias

Hallo Matthias!

Eduard Bernstein war ein sozialistischer Schriftsteller und Revisionist.
Unter Wunderlich finde ich zwar vier Herren in meinem Lexikon, die waren aber Opernsänger, Mediziner, Geologe bzw. Maler und Grafiker.
Also - ich sehe keinen Zusammenhang.

Grüße aus dem gräulichen Wien
Barney

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Links zu Bernstein, leider nichts zu Wunderlich
Hallo,

Links:

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BernsteinEduard/
http://cepa.newschool.edu/het/profiles/bernstein.htm
http://library.thinkquest.org/3376/Bernst2.htm?tqskip=1
http://library.thinkquest.org/3376/Bernst.htm?tqskip=1
http://www.fordham.edu/halsall/mod/bernstein-revsoc…
http://www.spartacus.schoolnet.co.uk/GERbernstein.htm
http://www.marxists.org/archive/marx/works/1882/lett…
http://www.neue-einheit.com/deutsch/is/is1998/is11_9…

und Literatur:

  • Eduard Bernstein: Sozialdemokratische Lehrjahre. Entwicklungsgang eines Sozialisten; Berlin 1991

  • Eduard Bernstein: Sozialdemokratische Lehrjahre; Berlin 1991

  • Friedrich Engels: Die Briefe von Friedrich Engels an Eduard Bernstein. Mit Briefen von Karl Kautsky an ebendenselben; Berlin 1925

  • Francis Ludwig Carsten: Eduard Bernstein 1850 - 1932, eine politische Biographie; München 1993

  • Gerhard Stamer: Die Kunst des Unmöglichen oder die Politik der Befreiung : über Eduard Bernsteins halbherzigen Versuch, Marx mit Kant zu korrigieren; Frankfurt/M. 1989

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Eduard Bernstein und - wer ist Wunderlich?
Hallo, Matthias!

Ich habe auch nach einem gewissen Wunderlich gesucht und leider nichts gefunden. Unter meinen 17 Wunderlichs findet man alles Mögliche, aber keinen Sprachwissenschaftler, Autor, Politiker, Soziologen, Philosophen o.Ä.

Dafür habe ich einige Artikel über Eduard Bernstein gefunden - los geht’s mit der Berliner Zeitung vom 06.01.2000:


_ Eduard Bernstein - Von den Schwierigkeiten, Nein zu sagen
Vor 150 Jahren, am 6. Januar 1850, wurde in Berlin der Sozialdemokrat Eduard Bernstein geboren

Von Michael Brie

Am 27. August 1895 wurde die Urne mit der Asche von Friedrich Engels auf dessen letzten Wunsch in die Fluten vor der britischen Küste versenkt. Zu jenen, die an diesem stürmischen Tag aufs Meer fuhren, gehörte Eduard Bernstein. Wäre die wirkliche Geschichte ein Film, dann säßen zumindest noch Rosa Luxemburg und Karl Kautsky in diesem Boot. Und vielleicht wären da noch Lenin und Friedrich Ebert, der spätere erste Präsident der Weimarer Republik. Sie alle und viele andere waren angetreten im Kampf um das Erbe von Marx und Engels und um Einfluss auf eine sozialistische Bewegung, die unaufhaltsam geworden und der die Zukunft zu gehören schien. Starke Arbeiterbewegung Das Jahr 1895 fällt in eine Zeitenwende, und Eduard Bernstein sollte sie wesentlich prägen. Der Marxismus war zu einer ideologischen Macht erster Größenordnung geworden. Die deutsche Sozialdemokratie, einflussreichste sozialistische Partei überhaupt, hatte in dieser Lehre ihre Wissenschaft und ihr Glaubensbekenntnis gefunden. Aus der Verbindung von Partei und „wissenschaftlicher Weltanschauung“ schien eine Kraft erwachsen, die die kapitalistische Gesellschaft besiegen würde. Genau zu diesem Zeitpunkt aber war die lange Phase der Depression der kapitalistischen Weltwirtschaft überwunden. Eine neue und andauernde Phase der Prosperität begann. Die Gewerkschaften vermochten es, breiten Schichten der Arbeiterklasse einen realen, wenn auch bescheidenen Anteil am neuen Reichtum zu sichern. Auch kulturell und politisch wuchs der Einfluss der Arbeiterbewegung. Zugleich wurde die koloniale Aufteilung der Welt fortgesetzt. Ein imperialer Chauvinismus drang tief in das Bewusstsein der Bevölkerung ein. Ungezügeltes Wettrüsten und die Missachtung der europäischen Eliten gegenüber jenen Regeln, die seit 1815, dem Sieg über Napoleon, den großen Konflikt auf dem Kontinent verhindert hatten, schufen die Voraussetzungen für die Katastrophe von 1914.

An jenem Augusttage des Jahres 1895 hätte ein guter Regisseur in jenem Boote eine „Story“ beginnen lassen, die schrecklich enden sollte. Erster und Zweiter Weltkrieg, Auschwitz, der große Terror, koloniale Kriege und der große Kalte Krieg prägten wesentlich das 20. Jahrhundert. Wir sollten uns nicht außerhalb dieser Geschichte fühlen, nur, weil sie scheinbar so lange her ist und sich so nicht wiederholen wird. Auch wir befinden uns in einer Zeitwende. Und welches Schicksal uns erwartet, wissen wir nicht. Vielleicht sollten wir lernen aus dem Leben jenes Mannes, der am 27. August 1895 wirklich in jenem Boot saß - von Eduard Bernstein.

Eduard Bernstein wurde am 6. Januar 1850 als Sohn eines jüdischen Lokomotivführers in Berlin geboren. Schon mit 22 Jahren war er Mitglied der deutschen Sozialdemokratie, musste 1879 nach Zürich emigrieren und ging 1887 nach London. Er war ein Duzfreund von Engels und ein enger Mitarbeiter in Kautskys Zeitschrift „Neue Zeit“. Nach Engels Tod gehörte er zu den führenden Theoretikern der internationalen Sozialdemokratie. Seit 1902 war er bis 1928 mit geringen Unterbrechungen Abgeordneter im deutschen Reichstag. Wenige Wochen vor dem Machtantritt Hitlers starb er am 18.Dezember 1932 in seiner Heimatstadt Berlin.

Eduard Bernstein ist als Begründer des Revisionismus in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie eingegangen. Die ihm von Engels bescheinigte theoretische Offenheit kehrte sich gegen die eigenen Lehrer. Mit seiner nach der Rückkehr aus dem englischen Exil veröffentlichten Schrift von 1901 „Wie ist wissenschaftlicher Sozialismus möglich?“ vollzog er die systematische Abkehr von Grundaxiomen des Marxismus. Er trennte die sozialistischen Ideale von der seinem Verständnis nach nur empirisch zu betreibenden Wissenschaft. Die Frage, ob Kapitalismus und Arbeiterbewegung tatsächlich zum Sozialismus führen werden, wurde damit aus einer „wissenschaftlichen Gewissheit“ wieder zu einer durch die Geschichte selbst zu belegenden These.

Geschichtliche Persönlichkeiten sind nicht in der Isolation von Geschichte zu erkennen. Sie sind Akteure historischer Auseinandersetzungen. Und wie im klassischen Drama sind sie nur durch ihr Wechselspiel mit dem Gegenspieler zu verstehen. Bernsteins Gegenspielerin war Rosa Luxemburg. Und es ist ihre gemeinsame Tragödie, dass keiner von ihnen durch die Geschichte wirklich Recht bekommen hat.

Bernstein war mit seinen Erfahrungen in Großbritannien hellsichtig für die Chancen einer sozialen und politischen Gestaltung der kapitalistischen Gesellschaften und fast blind für die Notwendigkeit einer durchgreifenden Revolution des politischen und kulturellen Systems des deutschen Kaiserreichs. Er sah in politischen Veränderungen nur den sich fast von selbst ergebenden Nachvollzug wirtschaftlicher Evolution, die irgendwann den Kapitalismus zum Verschwinden bringe. Die kolonialen Kriege Deutschlands fanden sein Verständnis; im Spiel der großen Mächte dürfe man sich nicht enthalten.

Luxemburg dagegen erkannte in besonderer Schärfe die Gefahren von kapitalistischen Diktaturen und Weltkrieg. Ohne jeden Kompromiss geißelte sie Kolonialismus und Militarismus. Dieser persönliche Mut und diese politische Haltung der Dissidenz war vielen deutschen Sozialdemokraten abhanden gekommen. Blind war Luxemburg dagegen für die reale Bedeutung der sozialstaatlichen Einhegung des Kapitalismus. Sie sah darin nur Korruption einer revolutionären Klasse. Sie erkannte nicht, dass die Interessen der wirklichen Arbeiter eher auf eine soziale Integration in den Kapitalismus zu günstigen Konditionen als auf dessen Überwindung gerichtet waren. Verfehlte Analysen

Beide verfehlten eine realistische Analyse. Bernstein gab den Marxismus dort auf, wo er am stärksten war - in der Untersuchung von Machtstrukturen. Luxemburg blieb marxistisch dort, wo diese Lehre am schwächsten ist, bei der Identifikation von Machtstrukturen des Kapitalismus und den Institutionen des Marktes. Der eine sah geblendet auf die neuen Möglichkeiten der Prosperitätsperiode nach 1895, die andere sah das Menetekel der globalen Barbarei an der Wand. Der eine verabsolutierte die Möglichkeiten reformerischer Gestaltung, ohne die Machtstrukturen dabei grundlegend zu verändern, die andere verabsolutierte die Notwendigkeit einer politischen Revolution, ohne dabei breite Bündnisse einzugehen und reformerisch wichtige Entwicklungspotentiale zu erhalten.

Bernstein griff den Marxismus als eine auf den politischen Putsch gerichtete Lehre an, die auf dem wissenschaftlich nicht zu begründenden Glauben an die historische Mission der Arbeiterklasse beruhe. Angesichts der Realitäten des kaiserlichen Deutschlands mit seinem autoritären System war seine Orientierung auf eine unbedingt friedliche und demokratische Evolution falsch, wie spätestens im Ersten Weltkrieg deutlich wurde. Auch schwächte seine spezifische Marxismuskritik den Kampfeswillen der Sozialdemokratie und bahnte einer prinzipienlosen Burgfriedenpolitik den Weg. Dem revolutionären Glauben hatte er nur die oft kämpferisch vorgetragenen Hoffnungen auf friedliche Reformen entgegenzusetzen. Mehr noch: Bernstein erkannte nicht, dass die von ihm selbst heftig kritisierte Politik der Kriegsunterstützung durch die Mehrheitssozialisten das unselige Bündnis von Ebert und Scheidemann mit den Säulen des Kaiserreichs des Jahres 1918 heraufbeschworen hatte. Selbst mitschuldig, konnte die Sozialdemokratie die Novemberrevolution nicht demokratisch vollenden. Am Ende entstand eine deutsche Republik, die von wichtigen, in Wirtschaft, Staat und Kultur herrschenden Kräften im Prinzip abgelehnt wurde. Sie trug den Keim ihrer Selbstauflösung in sich und wurde in der Krise Anfang der dreißiger Jahre leichte Beute der Nationalsozialisten. Bernstein hat die Agonie seiner Republik bis fast zu ihrem bitteren Ende miterleben müssen.

In der deutschen Sozialdemokratie vor 1914 blieben Bernstein und Luxemburg letztlich Nebenfiguren. Mehrfach wurde Bernsteins „Revisionismus“ auf Parteitagen verdammt. Man wollte sich die „Lehre“ nicht nehmen lassen, die diese Partei nach innen so stark machte, auch wenn man mit dieser Lehre immer weniger anzufangen wusste und sie in ein leeres Dogma verwandelte. Luxemburgs Radikalität war den Parteioberen suspekt. Sie sahen darin eine Gefährdung eroberter Positionen im Kaiserreich und dienten sich im „Ernstfall“ des Krieges dem System an.

Bernstein und Luxemburg dagegen waren ab 1915 vereint in der Kritik an den Mehrheitssozialdemokraten und ihrer Politik der Kriegsunterstützung. Beide bezogen 1918/19 in der Revolution Positionen weit links von der Mehrheit. Nur fand sich der eine mit den neuen Realitäten eines Bündnisses von Sozialdemokratie und wichtigen Machtsäulen des Kaiserreiches letztlich ab, während die andere sich dagegen aufbäumte, zur Gewalt aufrief und ermordet wurde.

Bernsteins menschliche Größe äußert sich nicht zuletzt in seiner Würdigung von Rosa Luxemburg: Sie sei „als die selbstlose Kämpferin für eine Idee gefallen, der sie ihr ganzes Ich gewidmet hat ? In ihr hat der Sozialismus eine hochbegabte Mitstreiterin verloren, die der Republik unschätzbare Dienste hätte leisten können, wenn nicht falsche Einschätzung der Möglichkeiten sie ins Lager der Illusionisten der Gewaltpolitik geführt hätte.“

Bernstein gehört zu jenen seltenen und in der Politik fast immer randständigen Persönlichkeiten, die vor allem durch sittlichen Ernst getrieben werden. Seine Revision des Marxismus war vor allem durch die Empörung gegen die philisterhafte Berufung auf eine Theorie getragen, die in der praktischen Politik längst beiseite gelegt worden war. Immer war er bereit, in der Minderheit zu sein, wenn die Redlichkeit ihm dies gebot. Oftmals ging er zur Mehrheit wieder über, wenn sie ihn das kleinere Übel dünkte.

Bernstein hat als Sozialist versucht, zur Besserung seiner Welt beizutragen. Und dafür hat er fast alles gegeben. Aber eben nur fast. Er war nicht aus dem Stoff, aus dem Helden gemacht werden. Er ist keine Lichtgestalt revolutionärer Bewegungen. Er ist aber auch kein Judas gewesen. Er war ein ehrlicher Mann und aufrichtiger Sozialist, der den Widerstand wählte, wo er ihm unvermeidlich, und den Weg des Kompromisses ging, wo er ihm sittlich statthaft erschien. Er war ein bescheidener Mensch, und vielleicht war es diese Bescheidenheit, die ihn hinderte, manchmal auch dann Nein zu sagen, wenn es besonders schwer war. Es fiel ihm unter diesen Umständen leichter, sich die Wirklichkeit besser zu denken, als sie war. Aber haben wir nicht alle diese Schwäche, mit der es sich zumeist besser leben lässt? Demokratische Dissidenten waren und sind rar in diesem unserem Lande.

Der Autor ist Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Bundesstiftung Rosa Luxemburg._


Und hier noch etwas aus der Süddeutschen Zeitung vom 22.05.1999:


_ Inhaltsbestimmung
Wie Eduard Bernstein im Jahr 1921 die deutsche Revolution sah

Karl Marx hat uns, analytisch wie theoretisch, wieder etwas zu sagen ­ zu einem ähnlichen Comeback versuchen zwei Historiker der Berliner Humboldt-Universität, Heinrich August Winkler und Teresa Löwe, auch einem der schärfsten Marx-Kritiker innerhalb der deutschen Sozialdemokratie zu verhelfen: dem „Revisionisten“ Eduard Bernstein.

Um die bekannte Revisionsmusdebatte geht es dabei freilich nicht, sondern um den „unbekannten“ Bernstein der frühen Weimarer Republik, der, wie Winkler in seiner Einleitung hervorhebt, „schärfer als irgendein anderer Sozialdemokrat die strukturellen Grenzen einer Revolution in der Industriegesellschaft“ und den „Klassenkompromiß zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum“ als Bedingung einer lebensfähigen Demokratie erkannt und für den Wandel der SPD von einer „Klassenpartei“ zu einer „linken Volkspartei“ geworben habe. Auf diese Themen kommt Bernstein in seiner 1921 erstmals veröffentlichten Revolutionsgeschichte immer wieder zurück. Die Frage nach der Aktualität des Buches beantwortet Winkler nicht explizit, doch angesichts seiner entschiedenen Mißbilligung der Zusammenarbeit von SPD und PDS im Osten Deutschlands liegt die Antwort auf der Hand.

Bernsteins erklärte Absicht war es, jene ereignisreichen Monate zwischen Oktober 1918 und Januar 1919 darzustellen, in denen die erste deutsche Republik „ihren Inhalt zu bestimmen“ suchte, einschließlich der inneren Kämpfe, die ihren Charakter und ihre gesamte Innen- und Außenpolitik auf höchst verhängnisvolle Weise prägten. Dabei wollte er die den politischen Konflikten zugrundeliegenden ideologischen Gegensätze ermitteln und die von manchen Beteiligten in die Welt gesetzten Legenden zerstören helfen. Daß er als „Beigeordneter“ im Reichsschatzamt zeitweise selbst zu dieser Personengruppe zählte, deshalb mitunter ebenfalls die nötige Objektivität vermissen ließ, verdeutlichen die von Teresa Löwe verfaßten umfassenden, überaus hilfreichen Anmerkungen, in denen manche zeitbedingten oder (partei)politisch motivierten Fehlinformationen und -interpretationen anhand neuer Forschungsergebnisse korrigiert werden.

Nach einigen knappen, treffenden Bemerkungen zur Verantwortlichkeit der politischen und militärischen Leitung des Deutschen Reiches für die Entfesselung des Ersten Weltkriegs und die unausweichliche Niederlage, wendet sich Bernstein dem Ausbruch der Revolution und den Reaktionen insbesondere der linken Parteien und Gruppen zu. Mit Sympathie schildert er die Bemühungen der Mehrheitssozialisten um „Fritz“ Ebert und Philipp Scheidemann, sich an die Spitze der Massenerhebung zu setzen und diese in ruhigere Bahnen zu lenken. Eher negativ beurteilt er hingegen die Politik der Unabhängigen Sozialdemokatischen Partei Deutschlands, der er damals noch angehörte, und insbesondere des Spartakusbundes, der sich Ende Dezember 1918 als Kommunistische Partei Deutschlands neukonstituierte. Liebknechts Forderung etwa, alle exekutive, legislative und judikative Gewalt den Arbeiter- und Soldatenräten zu übertragen, weckte in ihm die Befürchtung: „Der bringt uns die Konterrevolution.“ Für Bernstein war vor allem wichtig, daß „die Revolution selbst im stürmenden Klassenkampf den Charakter einer entschiedenen Kulturbewegung“ bewahrte und sich „rein“ hielt von „Zugeständnissen an die Geister der wilden Unordnung und einer niederen Instinkten Ausdruck gebenden Willkür“.

Nach einem kurzen Blick auf die revolutionären Vorkommnisse in den Einzelstaaten stehen die Ereignisse auf Reichsebene im Mittelpunkt: die Vorbereitungen auf die Waffenstillstandsverhandlungen, die Kontroverse um die Einberufung einer verfassunggebenden Nationalversammlung und die Rolle der Räte, der Putschversuch vom 6. Dezember und die anschließende Schießerei zwischen Gardefüsilieren und linken Demonstranten, der Matrosenaufstand während der Weihnachtstage 1918, der zum Austritt der USPD-Mitglieder aus der provisorischen Regierung führte, schließlich die Berliner Unruhen vom Januar 1919, die Bernstein kurzerhand mit dem Etikett „Kommunistenaufstand“ versieht. In allen diesen Fällen geht er mit der Linken scharf ins Gericht, während er die Politik der Mehrheitssozialdemokraten und selbst die Aktivitäten der Militärs recht verständnisvoll kommentiert.

Wiederangekurbelt

Weil Bernstein überzeugt war, daß eine „radikale Umbildung“ hochentwickelter Industriegesellschaften die „Gefahr schwerer Schädigung ihrer Lebensmöglichkeiten“ heraufbeschwören würde und die vordringliche Wiederankurbelung des Wirtschaftslebens „unüberlegte“ Eingriffe in die Volkswirtschaft verbot, zog er eine insgesamt positive Bilanz der ersten Monate. Und zweifellos ist die These von der „Furcht vor dem Chaos“ oder, anders formuliert, von dem „elementaren Bedürfnis“ einer Gesellschaft nach „Kontinuität ihrer Lebensordnung“ (Richard Löwenthal) nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Da sich die revolutionären Matrosen, Soldaten, Arbeiter und Arbeiterinnen im November 1918 aber bereits für „Diskontinuität“ entschieden und die „Grenzen“, welche Industrialisierung und Demokratisierung einer Revolution in Deutschland setzen mochte, bereits überschritten hatten, verliert dieses von Bernstein wie von Winkler strapazierte Argument an Gewicht. Stattdessen stellt sich die Frage nach Handlungsspielräumen und Alternativen. Winkler deutet zwar an, daß Bernstein die Möglichkeiten für grundlegende Veränderungen unterschätzt haben könnte ­ daß, wie die neuere Forschung überzeugend nachwies, die Alternative keineswegs „Bolschewismus oder Bündnis mit den alten Eliten“ war, doch verblaßt dieser Tadel neben dem Lob für Bernsteins „hohes Maß an Wirklichkeitssinn“. Etwas mehr kritische Distanz zu einem Mann, der so viel Wert auf „Ordnung“ und „Disziplin“ legte und damit, wenngleich ungewollt, autoritären Kräften Vorschub leistete, wäre durchaus angebracht.

Werner Bührer_


Und hier noch etwas aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 08.02.1999:


_Ungeeignet für den Sozialismus
Eduard Bernsteins Schrift „Die deutsche Revolution von 1918/19“ wurde neu aufgelegt

Eduard Bernstein: Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik. Herausgegeben und eingeleitet von Heinrich August Winkler und annotiert von Teresa Löwe. Verlag J. H. W. Dietz, Bonn 1998. 352 Seiten, 32,- Mark.

Beinahe wäre Bernstein selbst Opfer der Revolution geworden. Eine Kugel war es, die in sein Arbeitszimmer eindrang und, in einem Aktenband des Kaiserreichs steckenbleibend, „ihrem revolutionären Beruf tüchtig Genüge leistete“. Eduard Bernstein, der diesem Vorfall sogar eine humoristische Note abgewinnen konnte, war im Januar 1919 Beigeordneter im Reichsschatzamt und erlebte in seinem Amtszimmer in der Berliner Wilhelmstraße die Straßenkämpfe zwischen radikalen Arbeitern und Regierungstruppen im Januar 1919 unmittelbar mit. Zwei Jahre darauf, 1921, lag seine Schrift „Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik“ vor, die persönliche Erinnerungen und historische Quellen zu einer „ersten eingehenden geschichtlichen Darstellung“ der Umwälzung zwischen dem 9. November 1918 und dem 19. Januar 1919 zusammenfügt.

Jetzt hat sich der Verlag J. H. W. Dietz, seiner sozialdemokratischen Tradition treu, entschlossen, die seit langem nicht mehr zugängliche und vergessene Schrift neu aufzulegen. In Heinrich August Winkler hat sie den sachverständigen Herausgeber und Autor einer begleitenden Einleitung gefunden. Achtzig Jahre nach den revolutionären Geburtswehen der ersten deutschen Demokratie liegt jetzt das Buch des „Vaters des Revisionismus“ wieder vor. Lohnt sich seine Lektüre?

Bemerkenswert ist in jedem Falle, wie klar der Autor die strukturellen Folgen der in den wenigen Wochen der Jahreswende 1918/19 von der Sozialdemokratie gemachten Politik für das weitere Schicksal der Weimarer Republik sieht. Doch seine eigenen historischen Aussagen und Einschätzungen sind heute weitgehend überholt und von der Forschung revidiert worden. Jene These beispielsweise, daß es 1918/19 um eine klare Alternative gegangen sei: hier die Mehrheitssozialdemokratie, moderat, parlamentarisch und für die demokratische Republik, dort die radikalen „Elemente“ - Teile der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) und der Spartakusbund -, die eine sozialistische Räterepublik nach bolschewistischem Vorbild anstrebten.

Über Bernsteins Lager wird man nicht lange rätseln müssen. Er bescheinigt trotz vereinzelter Kritik den sozialdemokratischen Volksbeauftragten Ebert, Scheidemann und Noske eine im Kern richtige Politik. Eine, die angesichts der radikalen Bedrohung unter immensen Zwängen gestanden habe und die, obwohl auf ein revolutionäres Mandat gestützt, nur ein Ziel haben konnte: die Errichtung einer parlamentarischen Republik. Bernstein wertet die Monate zwischen dem Sturz der Monarchie und der Wahl der ersten deutschen Nationalversammlung als ganz und gar ungeeignet für den Aufbau des Sozialismus. Sein Credo lautete, daß niemand grundlegende Veränderungen in der Wirtschafts- und Sozialstruktur Deutschlands herbeiführen dürfe, ohne ein vom ganzen Volk getragenes Mandat dafür in Händen zu halten.

Völlig zu Recht hebt Bernstein hervor, daß die Bewegung der Arbeiter- und Soldatenräte in ihrer großen Mehrheit der Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) zuneigte und die Politik des Rates der Volksbeauftragten auch nach dem Ausscheiden seiner USPD-Vertreter im Dezember 1918 im wesentlichen stützte. Die deutschen Räte verstanden sich als Organe des Übergangs, so lange, bis sich eine Nationalversammlung konstituiert hatte. Doch bis dahin bestand keine Notwendigkeit, sich politisch gänzlich abstinent zu verhalten. Und das taten die Räte auch nicht. In der Frage der Reform von Verwaltung und Militär war vieles möglich, ohne daß gleich Chaos, der Einmarsch der Entente-Mächte und der Zerfall des Reiches folgen mußten. Bernsteins Grundthese ist die, daß Deutschland wirtschaftlich und politisch 1918 bereits zu weit differenziert war, als daß man eine sozialistische Politik hätte dekretieren können. Die Frage ist aber, ob dies wirklich die revolutionäre Bewegung von 1918/19 kennzeichnete. Die Einführung des Sozialismus stand ja nicht einmal für die Kommunisten im Mittelpunkt ihrer in den Augen Bernsteins so verhängnisvollen Agitation. Daß die auch eine Reaktion auf die selbst von vielen der MSPD angehörenden Arbeitern als zu moderat gegenüber den alten Mächten gewertete Politik von Ebert darstellte, will der Autor nicht erkennen. Die berühmte Frage nach den Handlungsspielräumen stellt sich für Bernstein gleichermaßen nicht. Auch mit den Möglichkeiten, eine auf dem Boden der Republik stehende und die Soldatenräte integrierende Volkswehr aufzubauen, setzt er sich nicht systematisch auseinander. Gerade eine solche hätte es der sozialdemokratischen Regierung ja erlaubt, sich zur Niederschlagung bewaffneter Aufstände nicht der militärischen Hilfe von Freikorps samt ihrer reaktionären Offiziere bedienen zu müssen. Denn in der schrittweisen Restauration des Einflusses der Militärs sieht auch Bernstein den entscheidenden Strukturfehler der jungen Republik. Indes mit der Verantwortung der Politik der MSPD hierfür hält er sich nicht auf.

Eduard Bernstein hatte schon in seinen Schriften gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts, die ihn als Begründer des Revisionismus bekannt machten, vehement dafür plädiert, daß die Sozialdemokratie sich als demokratisch-sozialistische Reformpartei bekennen müsse. Dem blieb er auch in der Revolution von 1918/19 und der Weimarer Republik treu. Daß sie zu handeln und gestalten habe, stand für ihn nie in Frage. Weit mehr als das Gros der Partei war er davon beseelt, die SPD als die Regierungspartei zu profilieren. Daß sie es dauerhaft nicht wurde, lag jedoch auch an ihren eigenen politischen Versäumnissen zwischen 1918 und 1919. Darüber reflektiert Bernstein in seiner Schrift kaum. Sein Buch ist zu sehr vom unmittelbaren Erleben geprägt, die Distanz historischer Quellen fehlt ihm.

Hans Christof Wagner_


Gruß!
Chris *derhofftgeholfenzuhaben*

Wunderlich-Verlag?
Moin Matthias,

Wir behandeln grad in Deutsch Edward (?) Bernstein. Mein
Deutschlehrer meinte, ich könne doch mal ein Referat zu etwas
machen, was mit Bernstein zusammenhängt … und dann hat er
(meine ich zumindest, denn er redet so ermüdend) gesagt,
„Wunderlich“ wäre gut.

es gibt einen Verlag, der heißt Wunderlich und hat Bernstein verlegt. Der Wunderlich-Verlag gehört jetzt zu Rowohlt. Vielleicht meinte Dein Lehrer also ein Buch, was dort erschienen ist oder etwas, was mit dem Verlag zusammenhängt.

http://www.rowohlt.de/rowohlt50/index.htm

Gruß
Oskar van de Kaalstraat

ja.
hallo core,

vielleicht meinst du diesen: Wunderlich, Dieter.
Er hat 1974 veoeffentlicht: Grundlagen der Linguistik.

ein paar links:

http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/sfb282/publ-9…

http://www.uni-leipzig.de/~jungslav/rmag/wunderlich.pdf

http://www.modern.tsukuba.ac.jp/~lace/downloads/Wund…

mehr habe ich auf die schnelle nicht gefunden, aber vielleicht ist es ja ein Anfang fuer dich. die uni duesseldorf (linguistik) sollte mehr wissen.

salut

gernot

nachtrag
hab vergessen:

achtung - es gibt auch einen dieter wunderlich, der als autor und unternehmensberater taetig ist. er schreibt biografien. und ist wohl nicht der von dir gesucht.

salut

gernot