Und ewig grüßt das Rauchverbot, HEIL!

Hallo zusammen,

die Aufmachung meines Postings ist sicher provokativ, interessant finde ich den Zusammenhang allemal:

_"Ich möchte die Geschichte der NS-Krebsbekämpfung erzählen. Dabei werde ich mich auf die Antitabak-Bewegung konzentrieren mit der Hauptthese, daß die NS-motivierte Antitabak-Bewegung zu dieser Zeit die stärkste der Welt war - zumindest auf den Ebenen der Propaganda und der Forschung…

Im nationalsozialistischen Weltbild galt Tabak nicht nur als Krebserreger und Ursache von Herzkrankheiten. Er galt auch als ein genetisches Gift, als Rassengift und wurde für die Unfruchtbarkeit der Frauen, das Nachlassen der Arbeitskraft sowie für die finanzielle Überlastung von Staat und Partei verantwortlich gemacht. Tabak ist als „Plage“ und als „trockene Trunkenheit“ verdammt worden, aber auch als „Lungenmasturbation“ und ein „Relikt der liberalen Lebensweise“ bezeichnet worden […] 1939 wurde der Begriff „passives Rauchen“ geprägt […] Gesetzliche Regelungen gibt es erst im Jahre 1938. Bei der Luftwaffe wurde das Rauchen in den Baracken verboten. Bei der Post galt Rauchverbot in allen Ämtern… Buchenwald-Kommandant Karl Koch untersagte in diesem Jahr das Rauchen unter seinen KZ-Wächtern zwischen sechs Uhr morgens und 16 Uhr abends mit dem Argument: „Wir sind nicht Sklaven des Nikotins.“ […] Es gibt sogar Historiker, die behaupten, Rauchen sei [in der Zeit des Faschismus, F.B.H] eine Form des passiven Widerstands gewesen. Die Menschen demonstrierten eine Art der kulturellen Opposition zum Macho-Asketismus der Nazis, indem sie rauchten, Jazzmusik hörten oder zu Swing-Partys gingen_

… sagte der Wissenschaftshistoriker Robert N. Proctor auf einem Mediziner-Symposium.
http://www.aerztezeitung.de/docs/2000/02/21/031a2301…

„Erste umfassende Rauchverbote und eine landesweite Kampagne gegen das Rauchen gab es in Deutschland dann unter dem Nationalsozialismus. Nach Ansicht Hitlers war der Tabak die „Rache des roten Mannes (Indianer)“ an der „weißen Rasse“ für den Alkohol. Im Mittelpunkt der Propaganda standen die Minderung der Arbeitskraft durch Rauchen sowie die gesundheitlichen Folgen“

… schreibt Frank Ilse
http://www.abendblatt.de/daten/2006/06/19/575518.htm…

die aktuelle Situation:
http://de.search.yahoo.com/search/news?p=rauchverbot…

… wobei die Argumente im wesentlichen noch immer die gleichen sind:

  • Gesundheit
  • Unfruchtbarkeit
  • Arbeitskraft/-zeitvernichtung
  • finanzielle Belastung der staatlichen Systeme
  • verdammenswerte Hedonie
  • infantiles Verhalten
  • Zeichen einer „liberalen Lebensweise“
  • Willensschwäche

Jenseits der tatsächlich bestehenden gesundheitlichen Aspekte, zeigen sich die ideologischen Implikationen der Anti-Raucher-Kampagnen wohl überdeutlich, wenn man sich die Geschichte der Tabakverbote anschaut (wozu ich im Netz leider nicht sonderlich viel finden konnte); etwa hier:

http://www.tabakanbau.de/de/poolinfo.php?id=8307
http://www.geschichte-des-rauchens.de/Frame-Set07.htm

Als Bonmot noch ein fast schon (aber leider nicht!) satirischer Text der nationalistischen Gruppierung „Holsteiner Widerstand“, der auszugsweise so lautet:

„Der rauchende Kamerad schädigt somit die Bewegung gleich mehrfach: Er gibt freiwillig Geld an den Staat, er unterstützt das Großkapital, und nicht zuletzt schwächt er sich selbst physisch und geistig, vom eigenen Geldbeutel ganz zu schweigen […] Gerade für den nationalistisch eingestellten Menschen gibt es also noch ein paar Gründe mehr, die Finger vom Glimmstengel zu lassen, als für den Bundesnormalbürger“

http://www.widerstandnord.com/howi/texte/index50.htm

:wink:)

Eine absch(l)ießende These sei mir noch gegönnt: Ich würde die Härte der Tabakverbote durchaus gern als Indikator für den faschistischen Charakter einer Gesellschaft nehmen, als Item einer F-Skala sozusagen (und diese These lässt sich ja auch nur sehr bedingt abschwächen mit dem „Argument“, Rauchen sei halt nun mal ungesund).

Viele Grüße
Franz
Selten-Raucher, und daher hier auch nicht auf dem Kreuzzug

@Mod: Ein passenderes Brett habe ich nicht gefunden, wenn man aber davon ausgeht, dass aktuelle Meldungen historisch verstanden werden müssen, dann finde ich dieses Brett recht passend; ansonsten einfach schieben oder löschen

Das ist lustig, was Du da sagst.
Mach doch nen Politslogan draus, sowas wie:

Weg mit der Tabaksteuer! Rauchen gegen Rechts!
_I__________I____________I____________I

lG

w

Hallo Franz,

seltsam, dass Du hier bei einem solch lächerlichen Thema die Totschlagskeule NS rausholst. Was soll das? Langeweile im Sommerloch?

Grüße
Jürgen

Hiho,

Das ist lustig, was Du da sagst.

ja, das sollte auch lustig sein, aber keineswegs nur dies.

Mach doch nen Politslogan draus, sowas wie:

Weg mit der Tabaksteuer! Rauchen gegen Rechts!
_I__________I____________I____________I

:wink:)
Ach, in gerader Umkehrung der zitierten Haltung ‚Rechts gegen Rauchen!‘?

Nein, mal im Ernst gesprochen: Selbstverständlich ist das Rauchen weder links noch rechts, genauso wie C.L. Menottis 70er-Jahre-Taum vom ‚linken Fußball‘ sich absonderlich liest, aber es hat sich in der Geschichte immer mal wieder der linke, antifaschistische, Widerstand an den Rauchverboten kristallisiert:

  • der schon verlinkte „Negermusik“-Widerstand der Deutschen im Dritten Reich
  • die französische Resistance-Bewegung
  • die radikalen Vormärz-Zirkel
  • die weiblichen Raucherinnen des beginnenden 20. Jhdts., die Rauch- und Wahlrecht verknüpften
  • die James-Dean-Rebellion der 50er
  • von 68 ganz zu schweigen

Das alles geht über die Frage von Marlboro-Werbeagentur-Freiheits-Romantik und medizinisch begründetem Rauchverbot weit hinaus, sehr weit.

Ja, ich finde, diese frenetische Zurückdrängung des Rauchens, die in Südostasien und den USA schon vollzogene, und in Europa sich gerade vollziehende Dämonisierung des Rauchens als gälte es den Teufel selbst an den Hörnern zu packen, ja, dies hat eine eminente politische Dimension, und damit meine ich nicht eine gesundheitspolitische, eher eine der Disziplinisierung der Körper :wink:

Viele Grüße
Franz

Hi Jürgen,

seltsam, dass Du hier bei einem solch lächerlichen Thema die
Totschlagskeule NS rausholst. Was soll das? Langeweile im
Sommerloch?

klar, stimmt schon, da war viel Lust am Löcherfüllen dabei,
der Wolperschlingel hat den Humor ja auch gleich entdeckt …

Aber mal sachlich:

  1. Die Rauchverbot-Kampagne ist sicher kein lächerliches Thema; sie betrifft sehr viele Menschen, sie hinterlässt eine Menge an Gesetzestext, und sie ist ständig in den Medien präsent.

Als „lächerlich“ erscheint sie nur in einem Kontext der Politisierung, aber ob diese zaghafte politische Wahrnehmung der Rauch-Frei-Kampagnen tatsächlich lächerlich ist, oder nicht doch erhellende Perspektiven zeigt, vermag ich nicht bestimmt zu sagen.

  1. Im Gegenteil halte ich Deinen „NS-Keule“-Vorwurf viel
    eher für ein Totschlagargument, denn der Zusammenhang ist ja
    nicht an der Haaren herbeigezogen, dient nicht der bloßen Skandalisierung, sondern ist evident sichtbar und belegt,
    und -nun ja- in den beiden Links zur Historie des
    Tabakverbots zeigt sich ja auch ganz schön, wes Geistes Kind
    solche Verbote sind.

Ich bleibe dabei: an der Drogenpolitik lässt sich Faschismus
wunderbar erkennen :wink:

Viele Grüße
Franz

Hi Franz,

ich bin ja von Rauchern und ihren Sympathisanten viel gewohnt, aber Du stellst in der Tat heute den Rekord an Polemisierung ein. Dazu gibt es von meiner Seite nichts zu sagen, Du siehst mich sprachlos.

Kopfschüttelnd
Jürgen

Hallo Franz,

Eine absch(l)ießende These sei mir noch gegönnt: Ich würde die
Härte der Tabakverbote durchaus gern als Indikator für den
faschistischen Charakter einer Gesellschaft nehmen, als Item
einer F-Skala sozusagen (und diese These lässt sich ja auch
nur sehr bedingt abschwächen mit dem „Argument“, Rauchen sei
halt nun mal ungesund).

Dieser These liegen m. E. stillschweigend zwei Voraussetzungen zugrunde, nämlich:

  1. Faschismus ist so gefährlich, daß es not tut, ihn zu erkennen.

  2. Faschismus ist aber so schwer zu erkennen, daß erst in mühevoller Arbeit Indikatoren gefunden werden müssen, die dieses Erkennen (mittels einer „F-Skala“) ermöglichen.

Dem Ersten stimme ich zu, ich bestreite Punkt 2.

Da mir im ersten Moment nicht klar war, was mit „Faschismus“ überhaupt gemeint ist, schaute ich nach. Im Wikipedia-Artikel sind diverse Kriterien angeführt, wie:

  • Bezogenheit auf einen Führer
  • Ästhetisierung politischer Inszenierungen
  • Demokratiefeindlichkeit
  • Autoritäre Strukturen
  • Militarismus
  • Rassistische Tendenzen im allgemeinen und antisemitische im besonderen
  • Sozialdarwinismus, Glaube an den Erfolg und die Herrschaft des Tüchtigen

Die ersten fünf Punkte sind nicht spezifisch für Faschismus, sie trafen ebensosehr für die früheren kommunistischen Länder zu, und sie sind auch keine obligaten Merkmale.

Der letzte Punkt scheint mir das Hauptkriterium zu sein:

Tendenz zu sozialdarwinistischer Haltung, Glaube an die „Tüchtigkeit“, Verachtung für die weniger Tüchtigen. Glaube an die „Machbarkeit“. Geringschätzung individueller Bedürfnisse.

Natürlich funktioniert das Leben nicht so, es ist komplizierter und die „Tüchtigen“ werden nicht immer belohnt, die übrigen nicht immer bestraft (es besteht da überhaupt wenig Zusammenhang).

Deshalb ist der vorletzte Punkt eine Folge des Letzten: Rassismus, weil es Feindbilder geben muß, „Schuldige“ für die notwendig eintretenden Mißerfolge und dafür, daß das Leben eben nicht so einfach funktioniert.

Faschismus ist leicht zu erkennen, auch ohne F-Skala. Und man wird ihn nicht dadurch los, indem man die Anti-Rassismus- oder sonst eine Moralkeule schwingt. Er ist primär eine Haltung der „Vielen“, die eine entsprechende Politik erst möglich macht.

Noch kurz zum Rauchen und den Verboten:

Man hat damals und vielleicht in Nazi-Deutschland zum ersten Mal Zusammenhänge zwischen dem Rauchen und Gesundheitsschäden nachgewiesen. Mag sein, daß die Motive der damaligen Anti-Raucher-Kampagnien nicht nur menschenfreundlicher Natur waren.

Dennoch möchte ich die heutigen Anti-Rauch-Bestrebungen lieber nicht in einem solchen Kontext sehen: es ist einfach nicht wünschenswert, daß immer von Neuem etwa 30-40 Prozent der Jugendlichen sich das angewöhnen und sich dadurch eine eigentlich vermeidbare und vollkommen unnötige Sucht_krankheit_ einhandeln. Dagegen zu sein, und Maßnahmen gegen das Rauchen zu setzen, hat noch nichts mit Lustfeindlichkeit und „Disziplinierung der Körper“ zu tun. Rauchen einfach nur als „halt ungesund“ zu bezeichnen, finde ich, angesichts heutiger Erkenntnisse, eigentlich ausgesprochen verharmlosend.

Grüße,

I.

Hallo,

Tabakverbots zeigt sich ja auch ganz schön, wes Geistes Kind
solche Verbote sind.

Ich bleibe dabei: an der Drogenpolitik lässt sich Faschismus
wunderbar erkennen :wink:

Selten so einen Quark gelesen. Rauchen ist Geruchsbelästigung, Körperverletzung und Belastung der Krankenkassen in einem Abwasch. ehe man sich über Rauchverbote aufregt, sollte man sich über Verbote von wesentlich ungefährlicheren Drogen (für die Allgemeinheit ungefährlicher, nicht für die Person), wie Crack, Heroin und LSD aufregen.

Grüße,

Anwar

Hallo Idomeneo,

schön, dass Du als einziger sachbezogen antwortest.

Da mir im ersten Moment nicht klar war, was mit „Faschismus“
überhaupt gemeint ist, schaute ich nach. Im Wikipedia-Artikel
sind diverse Kriterien angeführt

Natürlich ist der Begriff „Faschismus“ alles andere als klar und eindeutig, was ja der Wikipedia-Artikel auch selbst unterstreicht;

im Kontext der Mainstream-Geschichtsschreibung meint er in etwa das, was bei Wikipedia aufgelistet ist; bei Dir wird er ja in erster Linine als „Sozial-Darwinismus“ verstanden, in manch anderen Kontexten wird er dagegen in viel weiterem Sinne verstanden, etwa als Anti-Liberalismus, kleinbügerliches Denken, Machismus, Orthomanie, law&order, Anti-Demokratie, Anti-Toleranz, Konventionalismus, Autoritarismus, Anti-Individualismus, restlose Unterordnung unter quantitative Effizienkriterien, Radfahrer-Mentalität, etc.

Klarerweise habe ich den Begriff in diesem weiteren Sinne verstanden, und klarerweise habe ich ihn auch in polemischer Absicht verwendet; und klarerweise braucht es so verstanden zur Erfassung Indikatoren; es gibt übrigens eine recht berühmte F-Skala, auf die ich mich auch in diesem Kontext gern berufe:
http://www.tu-chemnitz.de/phil/soziologie/nauck/p/Le…

Aber es ging in meiner Polemik ja auch gar nicht um den Faschismus-Begriff, sondern um das Denken, das hinter dem Rauchverbot steht; ob man das nun wie ich „faschistisch“, oder „x“ nennt, ist jenseits des Polemisierens ziemlich egal …

Man hat damals und vielleicht in Nazi-Deutschland zum ersten
Mal Zusammenhänge zwischen dem Rauchen und Gesundheitsschäden
nachgewiesen. Mag sein, daß die Motive der damaligen
Anti-Raucher-Kampagnien nicht nur menschenfreundlicher Natur
waren.
Dennoch möchte ich die heutigen Anti-Rauch-Bestrebungen lieber
nicht in einem solchen Kontext sehen:

warum denn nicht?
ich habe an keiner Stelle behauptet, Anti-Rauch-Kampagnen wären „nationalsozialistisch“ oder sozialdarwinistisch, oder dergleichen;

dass diese aber in der NS-Zeit einen Höhepunkt erreicht hatten, ist ein schlichtes Faktum;
mit meinen beiden Links zur „Historie des Rauchverbots“, das ja einige Jahrhundert zurückreicht, ist doch verdeutlicht, dass diese Verbote die Produkte einer Reihe repressiver Regime sind, und keineswegs spezifisch nationalsozialistisch.

eine Literaturangabe dazu übrigens:
http://www.dumontliteratur.de/index.php?page=getprod…

es ist einfach nicht
wünschenswert, daß immer von Neuem etwa 30-40 Prozent der
Jugendlichen sich das angewöhnen und sich dadurch eine
eigentlich vermeidbare und vollkommen unnötige
Sucht_krankheit_ einhandeln.

Dem stimme ich zu!

Dagegen zu sein, und
Maßnahmen gegen das Rauchen zu setzen, hat noch nichts mit
Lustfeindlichkeit und „Disziplinierung der Körper“ zu tun.

Doch, warum denn nicht?

Genau gegen diese Selbstverständlichkeit, dass das Rauchen ganz selbstverständlich etwas gefährliches wäre, und dass ganz selbstverständlich jedes Verbot im reinen Dienste der Sucht- und Krankheitsvorbeugung stünde, versuche ich zu argumentieren, auch wenn solche flussaufwärts-Argumentationen auf knappem Raum ziemlich schwer fallen.

Rauchen einfach nur als „halt ungesund“ zu bezeichnen, finde
ich, angesichts heutiger Erkenntnisse, eigentlich
ausgesprochen verharmlosend.

Oh, es gibt soviele Dinge, die „einfach ungesund“ sind: der Schweinsbraten, der Alkohol, der ungeschützte Sex, der Spitzensport, die krummbucklige Schreibtischarbeit, der Leistungsdruck, der Autoverkehr, die Treibhausgase, die Lärmbelästigung, die soziale Vereinsamung, die Fehlernährung, die Mangelernährung, die Überernährunge, Noxen über Noxen, von denen die eine mehr, die andere weniger Schaden anrichtet.

Der Punkt ist der, dass mit dem Rauchen halt eine Noxe bekämpft wird, deren Bekämpfung aus Gründen des Zeitgeistes als „selbstverständlich“ angesehen wird, und zwar nicht einzig determiniert durch „Gesundheitserwägungen“ (sonst müssten einige der eben genannten Noxen schon lange auf der Agenda stehen), sondern überdeterminiert, mit-determiniert durch Ideologeme.

Darauf sollten ja die Links hinweisen, die zeigen, dass das Rauchen schon zu einer Zeit bekämpfte wurde, zu der der Tabak noch als Heilmittel galt.

Nochmal: es geht nicht um pro oder kontra Rauchen (bzw. eigentlich ja nicht einmal ums Rauchen selbst, sondern um die Sucht);
es geht um die Art und Weise der Bekämpfung, und um deren Nebeneffekte, die die Bekämfung gleich mitnimmt, und dazu gehört m.E. sicherlich auch die Einimpfung eines sehr selektiven Gesundheitswahns, dazu gehört auch die allgemeine Drogenpolitik, die lautlos damit mitbetrieben wird, und dazu gehört eine gewisse Asketisierung im Namen der Entlastung der Sozialkassen und der Reibungslosigkeit des Miteinanders.

Das alles kann man fraglos gut finden, aber weshalb sollte man Ambivalenzen denn nicht ertragen können? Leichter gehts freilich mit: Ach Quark, so ein Unfug :wink:

Viele Grüße
Franz

Hallo Franz,

Der Punkt ist der, dass mit dem Rauchen halt eine Noxe
bekämpft wird, deren Bekämpfung aus Gründen des Zeitgeistes
als „selbstverständlich“ angesehen wird, und zwar nicht einzig
determiniert durch „Gesundheitserwägungen“ (sonst müssten
einige der eben genannten Noxen schon lange auf der Agenda
stehen), sondern überdeterminiert, mit-determiniert durch
Ideologeme.

Das kann ich durchaus nachvollziehen.

Mir ist auch klar, daß es eine Menge anderer ungesunde Verhaltensweisen und Zustände gibt, die keineswegs in dieser Weise bekämpft werden (Z. T. noch nicht).

Trotzdem denke ich, daß dem Rauchen hier noch ein Sonderstatus zukommt, zumindest ist es nicht mehr Privatsache der Raucher, wenn andere Menschen in der Umgebung durch den Rauch beeinträchtigt werden (auch nicht gesund und für Nichtraucher eher ekelhaft). Ferner denke ich, daß man die gesundheitsschädlichen Effekte bisher eher noch unterschätzt hat (z. B. hohes Suchtpotential - es bleiben so viele, die das Rauchen probieren, daran hängen und sind dann süchtig). Da die Kosten des Gesundheitssystems eh schon so hoch sind und wohl noch zunehmen, finde ich es auch in Ordnung, wenn versucht wird, dies von der Seite vermeidbarer Krankheiten einzudämmen.

Mir ist die Überdeterminiertheit des Kampfes gegen das Rauchen schon klar, aus pragmatischen Gründen habe ich aber nichts gegen die Maßnahmen.

es geht um die Art und Weise der Bekämpfung, und um deren
Nebeneffekte, die die Bekämfung gleich mitnimmt, und dazu
gehört m.E. sicherlich auch die Einimpfung eines sehr
selektiven Gesundheitswahns,

Bezüglich des Gesundheits_wahns_ bin ich nicht so sicher. Es war wohl früher leichter zu sagen, „ich werde eh nicht alt, deswegen ist mir das alles wurscht“. Wer nicht in jungen Jahren einen Unfall erleidet, oder an irgendetwas anderem jung stirbt, wird - gerade heute - sehr alt. Wiederum aus pragmatischen Gründen finde ich unter diesem Aspekt ein gestiegenes Gesundheitsbewußtsein sehr sinnvoll.

Das alles kann man fraglos gut finden, aber weshalb
sollte man Ambivalenzen denn nicht ertragen können?

Da stimme ich Dir zu.

Grüße,

I.

Hallo Idomeneo,

Trotzdem denke ich, daß dem Rauchen hier noch ein Sonderstatus
zukommt, zumindest ist es nicht mehr Privatsache der Raucher,
wenn andere Menschen in der Umgebung durch den Rauch
beeinträchtigt werden (auch nicht gesund und für Nichtraucher
eher ekelhaft).

  1. Viele der genannten Noxen sind ebenfalls alles andere als Privatsache.

  2. der „Ekel“, den Nichtraucher empfinden, ist nicht einfach naturgegeben, sondern in hohem Maße mitbestimmt durch deren grundsätzliche Einschätzung des Rauchens (z.B. wäre eine historische Analyse des Ekels des Nichtrauchers vermutlich recht erhellend).

  3. es gibt eine ganze Reihe der zwischenmenschlichen Belästigungen; den Schritt, das Aushandeln aus der jeweiligen zwischenmenschlichen Situation herauszulösen, und von der Ebene der beteiligten Individuen auf die Ebene staatlicher Regulierung zu verlegen, halte ich für eine bedeutsame.

Ferner denke ich, daß man die
gesundheitsschädlichen Effekte bisher eher noch unterschätzt
hat

Ich persönlich bin der Meinung, dass man sie weit überschätzt, z.B. indem man in vielen Statistiken nicht sauber arbeitet, etwa ganz plump gesagt, den Faktor Rauchen nicht sauber isoliert, z.B. bei „Rauchen verkürzt-die Lebenserwartung“-Aussagen nicht berücksichtigt, dass Rauchen nicht gleichmäßig auf die sozialen Schichten verteilt ist (http://www.thieme.de/fz/gesu/pdf/347.pdf), dass die Lebenserwartung ebenfalls (unabhängig vom Rauchen) in einem nicht unbeträchtlichen Maße schichtspezifisch ist (wie es in Bezug auf die Rentenversicherung ja erst vor kurzem zwischen Lauterbach und Rürup wieder diskutiert wurde), dass Persönlichkeitsmerkmale bestehen, die zugleich das Rauchen wie die allgemeine ungesunde Lebensweise bedingen, etc.

Dann gibt es wieder ganz andere Untersuchungen, die die Tabakindustrie in Auftrag gibt, und die durchaus oberflächlich gesehen methodisch korrekt (halt eben mit anderen „Nicht-Isolierungen“) herausfinden, dass keine sonderlich große Gefahr vom Tabakkonsum ausgeht; diesen wird dann sofort reflexartig mit dem Vorwurf begegnet, man könne von Studien, deren Auftraggeber die Tabakindustrie ist, nichts anderes erwarten, als könnte den anderen Studien kein erkenntnisleitendes Interesse unterstellt werden, bzw. zumindest kein Einfluß vortheoretischer Überzeugungen, die wohl aus theoretischen Konstrukten schwerlich ganz rauszuhalten sind …

(z. B. hohes Suchtpotential - es bleiben so viele, die das
Rauchen probieren, daran hängen und sind dann süchtig).

auch darüber gäbe es viel zu sagen; man kann jedenfalls nicht einfach davon ausgehen, dass das ganze Suchtpotential am Nikotin liegt; man weiß heute allgemein über Sucht, dass es neben der Substanz selbst noch andere, teilweise sogar bedeutsamere Faktoren gibt, zum Beispiel die Art des Konums, die subjektive Wirkungserwartung, etc.

Kurzum: das Rauchverbot ist nur eine der Möglichkeiten, suchtpräventiv zu agieren, eine andere wäre z.B. die Tabakindustrie dahingehend in die Pflicht zu nehmen, auf die Zuatzstoffe (u.a. Menthol, das auch bei Nicht-Menthol-Zigaretten zugesetzt wird), die ganz bewusst zur Abhängigkeitserzeugung verwendet werden, zu verzichten; man könnte die Nikotinsucht nach dem Vorbild der Spielsucht mit staatlicher Monopolisierung der Produktion und Distribution bekämpfen, etcpp.

Der Punkt dabei ist: Es geht schon über reine Gesundheitsaspekte hinaus, gerade die Nikotinsucht unter all den existierenden subtantiellen und nicht-substantiellen Süchten bekämpfen zu müssen meinen, und gerade die Art der Bekämpfung ist abermals deutlich überdeterminiert, weltanschaulich-ideologisch „begleitet“.

Da die
Kosten des Gesundheitssystems eh schon so hoch sind und wohl
noch zunehmen, finde ich es auch in Ordnung, wenn versucht
wird, dies von der Seite vermeidbarer Krankheiten einzudämmen.

:wink:
gerade dieser Aspekt ist strittig, weil die Raucher-Lobby dem Argument „Kostenverursachung“ ihr Argument „sozialverträgliches Frühableben“ entgegensetzt …

Mir ist die Überdeterminiertheit des Kampfes gegen das Rauchen
schon klar, aus pragmatischen Gründen habe ich aber nichts
gegen die Maßnahmen.

Ok, in erster Linie um das Aufzeigen dieser unleugbaren Überdeterminiertheit ging es mir (die Anwar ja vollommen lächerlich findet, und dabei glaubt, es bedürfe dafür nicht einmal einer Begründung);
ich persönlich habe aus politischen Gründen sehr viel gegen diese -aus meiner Sicht- weit überzogenen und ideologie-triefenden Anti-Raucher-Kampagnen und -gesetze (dazu gehört aus meiner Sicht auch das eben von Dir genannte rigide Kosten-Effizienz-Kriterium).

Bezüglich des Gesundheits_wahns_ bin ich nicht so sicher.
Es war wohl früher leichter zu sagen, „ich werde eh nicht alt,
deswegen ist mir das alles wurscht“. Wer nicht in jungen
Jahren einen Unfall erleidet, oder an irgendetwas anderem jung
stirbt, wird - gerade heute - sehr alt. Wiederum aus
pragmatischen Gründen finde ich unter diesem Aspekt ein
gestiegenes Gesundheitsbewußtsein sehr sinnvoll.

Ich betrachte es nicht nur als „Wahn“, keine Frage.

Aber da als Wahn, wo die rein quantitativen Aspekte des Lebens (das Alter) so sehr in den Vordergrund gerückt werden, weil man die qulitativen Aspekte, die Lebensqualität, einfach nicht so simpel messen kann; das „möglichst lange Leben“, dem „möglichst guten Leben“ vorzuziehen, nur weil es eine eindeutig messbare Größe ist, halte ich dezidiert für einen Wahn, aber das jetzt nur en passant gesagt.

Mit „Gesundheitswahn“ meinte ich aber vor allem, dass der Gesundheitsbezug ja ein extrem selektiver ist;
die psychische Gesundheit z.B. wird dabei extrem vernachlässigt, auch die allgemeinen Stressfaktoren des Schul-und Arbeitslebens, genauso die Frage, wie gesund denn eigentlich sportive Aktivitäten wie das Joggen sind, etc.

Man könnte vielleicht sagen, die Engführung des Gesundheitsbewusstseins auf „Fitness“, „body“, „Leistungsfähigkeit“ ist diese ideologische Komponente, die die Gesundheits-Ratio an Weltanschauung und Funktionslogik koppelt.

Z.B., und warum sollte man denn nicht die NS-Argumente gegen das Rauchen zur Veranschaulichung heranziehen, galt damals das Rauchen auch deshalb als bekämpfenswert, weil es wegen seiner gefäßverengenden Wirkung die Leistungsfähigkeit der Soldaten gerade in der Kälte der Ostfront herabsetzte; hier geht es also fraglos um Gesundheit, aber diese ist wiederum die Funktion zu etwas anderem …

Warum sollten wir heutigen „Gesundheit“ denn als unhinterfragbar funktionslos annehmen?

Viele Grüße
Franz

N’Abend,

Rauchen ist Geruchsbelästigung,
Körperverletzung und Belastung der Krankenkassen in einem
Abwasch.

genau!

Und was ich besonders interessant finde, ist, dass Raucher auf einmal so tun, als ob „rauchen dürfen“ (und andere mit allen möglichen Unannehmlichkeiten belästigen) ein Menschenrecht ist. Die Aneinanderreihung der Worte „Diskriminierung von Rauchern“ finde ich ziemlich paradox!

Sämtliche Raucherregelungen (wie auf dem Gang vor den Büros rauchen) sind echt der größte Schmarrn, wenn ich als (wenn auch Neu-)Nichtraucher mich durch die Schwaden zur Küche oder Toilette kämpfen muss… (und da stehen teilweise 3 - 5 Raucher, die nicht nur eine pro 1/4 Stunde rauchen). Find ich nicht besonders witzig.

Warum die Menschheit keine Lösungen ohne Gesetzestexte findet, die vielleicht weniger politisierend (aber was heißt denn das schon…???) wären, frag ich mich schon seit Jahrzehnten zu vielen Themen. Geht aber offenbar nicht.

Ich war im Alter von 17 Jahren der Meinung, dass die Leut für ne Anarchie nicht taugen, weil sie einfach zu unselbständig denken (bzw. damals hab ich gesagt „dafür zu blöd sind“) - aber das ist ein anderes Thema…

Gruß
Demenzia