Wasser erhitzen

Hallo!

Ich dachte bisher, dass ich in der Schule einiges gelernt habe. Durch ein Praktikum in einer Großküche wurde ich aber etwas verunsichert.

Dort wird kaltes Wasser in riesige Kochtöpfe gegeben mit der Begründung, dass kaltes Wasser sich schneller erwärmen ließe als warmes.

Einerseits kann das ja nicht stimmen, weil warmes Wasser ja schon ein gewisses Maß an thermischer Energie hat und somit (sagen wir mal bis zum Erreichen des Siedepunktes) weniger Energie benötigt wird bis zu einer bestimmten Temperatur als wenn die Ausgangstemperatur bedeutend niediger wäre.
Andererseits enthält kaltes Wasser ja mehr Luft und erwärmt sich daher vllt. schneller. Also sauerstoffreiches Wasser erwärmt sich schneller (Stimmt das?)

wie kann man da einen Zusammenhang herstellen?
a) Wenn man 50 Liter Wasser der Temperatur 5°C auf 70°C erhitzt
b) Wenn man 50 Liter Wasser der Temperatur 30°C auf 70°C erhitzt

Für a) braucht man mehr Energie als für b)
Wieso benötigt a) dann weniger Zeit als b) ?
(Wenn invstierte Energie in beiden Fällen gleich wäre?)

Oder haben die Köchinnen in der Großküche einfach keine Ahnung und ihr 30°C warmes Wasser würde sich schneller auf 70°C erhitzen?

Kann das dann vllt. damit zusammenhängen, dass Energie gespart wird, wenn man kaltes Wasser nimmt? (Von der Zentralheizung erwärmtes Wasser wird meiner Meinung nach aber effizienter erhitzt als Wasser, das durch einen strom- oder gasbetriebenen Herd erhitt wird; Energiesparen als letzte Möglichkeit schliesse ich damit auch aus.)

Am Schluss bleibt eigentlich nur diese Frage:
Warum geben die Köchinnen kaltes Wasser anstatt warmes Wasser in den Kochtopf (wenn mit dem Kochen erst begonnen wird, wenn das Wasser eine hohe Temperatur erreicht hat?)?

Gruss

Hallo Peter,

Dort wird kaltes Wasser in riesige Kochtöpfe gegeben mit der
Begründung, dass kaltes Wasser sich schneller erwärmen ließe
als warmes.

dann habe ich in meinem Studium in den Vorlesungen für Physik, Physikalischer Chemie und Verfahrenstechnik etwas falsches beigebracht gekriegt.
Vorausgesetzt, in beiden Fällen würde mit der gleichen Heizleistung gearbeitet, wird das warme Wasser schneller sieden.

Du kannst Dir das vorstellen, wie zwei Läufer, die gleich schnell laufen können und bis zu einem bestimmten Punkt laufen wollen.
Der eine steht 70 m davon entfernt, der andere 80 m.
Wer kommt als erster ins Ziel?

Gandalf

Dort wird kaltes Wasser in riesige Kochtöpfe gegeben mit der
Begründung, dass kaltes Wasser sich schneller erwärmen ließe
als warmes.

Ich kenne nur den umgekehrten Effekt, warmes Wasser kühlt schneller ab als kaltes.
Dabei ist die Ursache wohl nicht vollständig geklärt, scheinbar liegt es aber daran, dass beim warmen Wasser ja ständig auch Wasser verdampft (wodurch sich unter anderem auch das Volumen verringert).

Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es auch einen umgekehrten Effekt gibt.

Vielleicht kannst du deine Kollegen ja mal zu einem „wissenschaftlichem“ Experiment überreden. Dann erhitzt ihr jeweils die gleiche Menge Wasser, einmal vor gewärmt und einem nicht.

Gruß

Hallo!

Dort wird kaltes Wasser in riesige Kochtöpfe gegeben mit der
Begründung, dass kaltes Wasser sich schneller erwärmen ließe
als warmes.

Achtung, hier werden wohl zwei unterschiedliche Fragen verstanden!

Frage 1) Das Wasser in welchem Topf wird schneller erwärmt?
Frage 2) Das Wasser in welchem Topf siedet eher?

Natürlich wird - gleiche Heizleistung vorausgesetzt - das wärmere Wasser eher sieden als das kalte. Das ist die Antwort auf die Frage 2.

Logisch ist das fast zu einfach, um es noch großartig erklären zu können. Sagen wir Du hast zwei Töpfe (A und B) mit Wasser, einen mit 30°C (A), den anderen mit 70°C (B) und willst beide zum Kochen bringen (100°C).

Topf B mit dem 70°C warmen Wasser braucht dazu eine bestimmte Zeit.

Wenn der andere Topf (A) erstmal die 70°C erreicht hat, dann unterscheidet ihn physikalisch nichts vom Topf B zu beginn des Versuchs. Ab dann braucht Topf A noch genausolange wie Topf B, nur dass Topf A vorher schon Zeit gebraucht hat, um von 30°C auf 70°C erwärmt zu werden.

Doch nun zu Frage 1:

Wasser hat, wie alle anderen Stoffe auch, eine Reihe physikalischer Eigenschaften, dazu gehört auch die sog. Wärmekapazität. Die sagt aus, wie viel Energie man benötigt, um eine bestimmte Menge des Stoffes um eine bestimmte Temperaturdifferenz zu erwärmen. Diese Eigenschaft ist nicht abhängig von der Temperatur. So braucht es zB. 4.18 Joule, um 1g Wasser von 30°C auf 31°C zu erwärmen und die gleiche Menge Energie braucht man auch, um 1g 90°C warmes Wasser auf 91°C zu erwärmen.

Nun kann man die nötige Energie nicht spontan und plötzlich zuführen. Der Vorgang braucht Zeit. Hier kommt die Heiz-Leistung ins Spiel: Je mehr Leistung, desto schneller wird der Energiebetrag ins Wasser „gepumpt“. Doch egal wie hoch die Leistung ist, es braucht immer eine endliche Zeit, das Wasser zu erwärmen. Und in dieser Zeit kann das Wasser einen Teil seiner Wärmeenergie an die Umgebung abgeben.

Diese Wärmeverluste sind jedoch abhängig von der Temperatur (bzw. der Temp.-Differenz von Wasser und Umgebung, außerdem von der phys. Eigenschaft der Wärmeleitfähigkeit der Töpfe und der Oberfläche - all das setzten wir aber für die gleichen Töpfe als gleich an, so dass Unterschiede zwischen den Töpfen nur durch die untersch. Temperaturen bedingt sind).

Berücksichtigt man nun die Wärmeverluste, so müssen diese durch die Energiezufuhr (Heizplatte) auch ausgeglichen werden. Ein Teil der Heizleistung versickert also alleine in der Erhaltung der Temperatur, und nur der Rest der Heizleistung bleibt übrig, um das Wasser weiter zu erwärmen.

Wie schon gesagt, ist der Wärmeverlust abh. von der Temp., d.h., das 91°C warme Wasser wird schneller auf 90°C abkühlen als das 31°C warme Wasser auf 30°C abkühlen wird. Andersherum geht beim Heizen des 30°C warmen Wassers weniger Heizleistung für die Temp.-Erhaltung drauf als beim 90°C warmen Wasser. Damit steht beim 30°C-Wasser mehr Heizleistung für die weitere Erwärmung zur Verfügung als beim 90°C-Wasser.

Wenn Wärmeverluste mit einbezogen werden, braucht es also weniger Zeit, um 30°C warmes Wasser auf 31°C zu erwärmen, als 90°C warmes Wasser auf 91°C zu erwärmen.

Um das klarzumachen, noch mal eine Grenzfall-Betrachtung: 1 Liter Wasser braucht 4.18 kJ für die Erwärmung um 1°C (richtiger: um 1 Kelvin). Mit einer Heizleistung von 500 Watt = 500 J/s braucht das 8.36s (Rechnung: 4180J / 500J/s = 8.36s). Wenn das Wasser nun schon so heiß ist, dass es - wenn es nicht aktiv warmgehalten wird - schon in 8.36s um ein Kelvin kälter würde, dann würde es unsere 500 Watt Heizplatte überhaupt nicht schaffen, das Wasser noch weiter zu erwärmen. Mit anderen Worten: es würde unendlich lange dauern, das Wasser weiter zu erwärmen.

Oder auch andersherum: Nehmen wir sehr kaltes Wasser, 1°C, in einer warmen Küche (30°C Raumtemperatur). Das kalte Wasser würde von der Umgebung schon gewärmt (d.h., es erwährt keinen Wärmeverlust, sondern einen Wärmegewinn). Wird dieses Wasser zusätzlich noch geheizt, geht es noch schneller bergauf mit der Temperatur.

Die Antwort auf die Frage 1 ist also: Das kältere Wasser erwärmt sich schneller als das wärmere.

Trotzdem: Der Topf mit dem kalten Wasser wird den Topf mit dem warmen Wasser niemals überholen! Der Topf mit dem warmen Wasser behält seinen Vorsprung.

Gedanklich kannst Du dir das vielleicht auch mit zwei Zügen klarmachen, die von Frankfurt (30°C) über Hannover (70°C) nach Hamburg (100°C) fahren. Die Zugstrecke ist so ausgebaut, dass Züge umso langsamer fahren müssen, je näher sie Hamburg kommen. So fährt der Zug in Frankfurt am schnellsten los. Zur selben Zeit startet der Zug in Hannover, aber langsamer. Die Züge behalten auf ihrem Weg ihre Geschwindigkeit nicht bei, sie werden beide langsamer. Wenn der Frankfurter Zug Hannover erreicht, ist er dort GENAUSO schnell wie der Hannoveraner Zug war, als er dort gestartet war. Nun ist aber der Hannoveraner Zug schon weiter, aktuell wiederum langsamer als der Frankfurter Zug, was im Prinzip das selbe ist wie das Anfangs-Szenario, nur schon etwas näher an Hamburg. Die Zeit, die der Frankfurter Zug von Frankfurt nach Hannover brauchte, wird er brauchen, um dorthin zu kommen, wo der Hannoveraner Zug jetzt ist. Ganz am Ende wird er auch genau diese Zeit länger brauchen, um in Hamburg anzukommen.

Am Schluss bleibt eigentlich nur diese Frage:
Warum geben die Köchinnen kaltes Wasser anstatt warmes Wasser
in den Kochtopf (wenn mit dem Kochen erst begonnen wird, wenn
das Wasser eine hohe Temperatur erreicht hat?)?

Weil sie die Frage 1 und 2 nicht auseinanderhalten können.

Es ist in der Bilanz übrigens energiesparender, warmes Wasser zum Kochen zu nehmen (wegen der besseren Energienutzung [Öl -> Wärme] der Zentralheizung anstatt Kohle/Öl -> Kraftwerk -> Strom -> Herd -> Wärme).

LG
Jochen

PS: War hoffentlich nicht zu lang :smile:

Danke
Ich dachte mir das irgendwie schon. Nur schade, dass die Köchinnen, die schon seit 20-30 Jahren dort arbeiten, mir nicht glauben wollen.

Gruss

Ich kenne nur den umgekehrten Effekt, warmes Wasser kühlt
schneller ab als kaltes.
Dabei ist die Ursache wohl nicht vollständig geklärt,
scheinbar liegt es aber daran, dass beim warmen Wasser ja
ständig auch Wasser verdampft (wodurch sich unter anderem auch
das Volumen verringert).

Hi unbekannter

Mit der Formel Q=m*cp*dt (Q ist die Wärmemenge, m die Masse, cp die spez. Wärmekapazität und dt die Temperaturdifferenz die betrachtet wird) kann man das alles lösen. Die Masse der Flüssigkeit ändert sich hier sehr gering (vernachlässigbar), cp bleibt immer gleich - Je größer die Temperaturdifferenz zwischen dem heißen Tee im Glas und der Umgebung ist, desto größer ist die Wärmemenge die hier ausgetauscht wird. Wenn die Temperaturdifferenz nicht vorhanden ist (gleiche Temperatur in beiden Medien) dann findet kein Wärmeaustausch statt - wurde sicher schon x-mal in diversen pseudo-Wissenschaftssendungen präsentiert :smile:.

Genauso kann man aber die Energie berechnen die notwendig ist, x kg Wasser um x°C zu erwärmen. Je größer die Temperaturdifferenz sein soll, desto mehr Energie muss man aufwenden und desto länger dauert es auch.

lg
claus

Hallo Peter,

Tucholsky hat das sehr schön beschrieben:

„Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.“

Aber vielleicht schmeckt’s dafür gut :wink:
Ich bin übrigens auch dafür, dass so manche Rezepte hinsichtlich ihrer Energieeffizienz optimiert werden sollten.

Jörg