Ins Bockshorn jagen

Hallo Sprachexperten,
Woher kommt der Ausdruck ?
Wo kann man heute noch Bockshörner jagen (Sibirien?) und was bedeutet er eigentlich ?

Dank für die Antwort
eljot

Ein laaaanger Erklärungsversuch…

Hallo Sprachexperten,
Woher kommt der Ausdruck ?
Wo kann man heute noch Bockshörner jagen
(Sibirien?) und was bedeutet er
eigentlich ?

Ach Du liebe Zeit - da hast Du ein heisses Eisen angefasst, denn es gibt nicht viele Redensarten, deren Bedeutunsggeschichte so rätselhaft ist wie „jmd. ins Bockshorn jagen“. Nimm Dir also Zeit…

Zunächst zur Bedeutung: in die Enge treiben, einschüchtern.

Zu den Belegen:
Die frühesten literarischen Belege gehen ins 16.Jhdt. zurück und lassen bereits erkennen, dass die ursprüngliche Bedeutung wohl schon damals verlorengegangen ist, denn leider sind sie bedeutungsmässig nicht wirklich einheitlich und geben daher auch nur wenig Aufschluss über den Ursprung (z.B. steht in einer Festschrift der Sterzinger Fastnachtsspiele: „in ain Pochs horen treiben“; im „Narrenschiff“: „Teutschen seindt unverträglich narren/Thun ehe frydienst den ehrengenosz/Dann das man sie in bockshorn stosz“; in den „Sprichwörtern“ von Sebastian Franck: „drumb solt man nit alle köpf in ein bockshorn begern und zwingen“; bei Geiler von Kaysersberg: „ich red us keine Bockshorn“; bei Luther: „Alle Welt ist erschreckt und überpoltert, bis sie endlich in ein Bockshorn gejagt“ und noch in vielen anderen, allesamt obskuren und merkwürdigen Bedeutungszusammenhängen).
Zumindest kann man wohl Luther „verdanken“, dass sich das „ins Bockshorn JAGEN“ bis heute durchgesetzt hat, während „zwingen, treiben“ u.a. Verben in diesem Zusammenhang kaum bzw. gar nicht mehr auftauchen.

Zur Sprach-, Bedeutungs- und Brauchgeschichte:
Nahe liegt in der Tat das Horn des Bockes, das einem Angst einjagt; darüberhinaus wird natürlich der Teufel oft mit dem Bock in Verbindung gebracht, was diesen Ursprung noch näher legt.
Dann gibt es eine Erklärung, dass bei der der Wurstbereitungoder beim Backen das Fleisch/der Teig in ein Horn gestossen wird, wobei sich hier der Schritt zur heutigen Bedeutung nicht nachvollziehen lässt.
Dann hat man Bockshorn mit „Bocksstall“ übersetzt. Im schwäbischen Raum gab es wohl für unartige Schüler einen „Bocksstall“, also eine Art Karzer.
Es gab einmal einen Gelehrten namens Markus Zubrius Boxhorn, der wohl mit seinem unglaublichen Wissen viele Leute argumentatorisch in die Enge getrieben hat.
Natürlich gibt es auch die Pflanze, die im Italienischen „dare l’erba cassia“ und im Deutschen eben „Bockshorn“ heisst. Was für ein Zufall (gähn): „Caccia“ heisst „Jagd“!
Die Hülsenfrüchte des Bockshorns stinken übrigens ziemlich penetrant, und somit ist jemand, der ins Bockshorn gejagt wird, wohl in einer eher unangenehmen Lage.
Und weiter geht’s: Im Harz gibt es das „Bockshornbrennen“ als Bezeichnung für das Osterfeuer, und wer wird schon gern ins Oserfeuer gejagt?!?
Dummerweise gibt es eine alte Version, die sich „Ins Bockshorn kriechen“ nennt, und damit hat sich die Feuersache wohl erledigt…
Obwohl: Oster-/Paschafeuer = Paoskefüer (niederdeutsch). Thurn = Turm von abzubrennendem Abfallholz (in den Elbmarschen heisst das Osterfeuer „Osterturm“). Paosk-Thorn -> Paoksthorn -> Bockshorn? Warum nicht!?!
Dann haben wir natürlich noch die Justiz vergessen, die den Schuldigen seinerzeit gerne in ein Hemd aus Bocksfell gezwängt hat, wenn sie ihm sein Sündenregister vorlesen wollte, und -siehe da- es gibt tatsächlich „ins Bockshorn zwängen“ (wobei das „-horn“ hierbei einfach volksetymologisch umgedeutet ist). Dieser Ursprung ist gar nicht so unwahrscheinlich, denn auch im „Narrenschiff“ taucht das so auf.
Uff, Gott fehlt noch: man kennt ja Potz-Blitz, was ganz einfach wie z.B. „Jesses“ einfach nur eine Abwandlung darstellt, weil man ja nicht ohne Grund den Namen Gottes in den Mund nimmt. Gottes Zorn = Box/Botz Zorn -> Bockshorn?!? Hier eine meiner Lieblingsquellen für diesen Ursprung: „boxhorn soll dich schänden, du dicke quadratische, viereckete Wampe!“ („Katzipori“, 1588). Zur Popularisierung dieses Fluches trug sicherlich der Bezug Teufel/Bock bei.

Geschafft?!? Bist Du nun schlauer?!? :wink:
Tatsache ist, dass keine der genannten Deutungen/Ursprünge Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, denn diese Redensart muss in ihrer Urform schon steinalt sein; nur so konnten sich so viele Variationen entwickeln. einig sind sie sich auf jeden Fall fast alle, dass das Bockshorn nichts Angenehmes ist.
Wahrscheinlich ist (und das ist volksetymologisch oft der Fall), dass der blosse Klang des Wortes „Bockshorn“ unsere Vorfahren wie auch uns so verzückt hat, dass wir auch heute noch gerne auf diese Redensart zurückgreifen.

Danke für’s „Zuhören“ :wink:
HOFee

Danke für’s „Zuhören“ :wink:
HOFee

Danke für’s Schreiben. Es war mir ein Genuss, obwohl die Teilfrage unbeantwortet blieb, wo man die Dinger heute noch jagt.
Dank nochmals
eljot

Nun muß ich’s aber mal loswerden: Ich freu mich immer richtig, wenn jemad die passende Frage stellt und DU antwortest. Es ist (für mich jedenfalls) spannend, durchaus unterhaltsam und einfach schön, daß sich jemand sooo viel Mühe gibt. Ich erinnere mich nur an den Bartel, der den Most holte. Weiter so und alle Achtung!!

Liebe Grüße

Angelika