Hi,
wie Tormod schon anmerkte, muss man den Sprachzustand, den ich in meiner Hypothese, die ich so von einer Dozentin gehört hatte, einige Tausend Jahre vor Beginn schriftlicher Aufzeichnungen ansiedeln. Deshalb bleiben solche Theorien immer nur Spekulationen. Und wie man im Urindogermanischen sagte „Die Vase fällt um“, wenn die Vase sächlich war und keinen Nominativ hatte, gehört zu den Fragen, auf die ich keine Antwort habe. Eine Möglichkeit wäre zu sagen „Jemand stößt die Vase um“, also die Benutzung eines intransitiven Verbs mit unbestimmtem Subjekt anstelle eines intransitiven Verbs. Am plausibelsten erscheint mir, dass es in dem Stadium, in dem Dinge keinen Nominativ hatten, noch keine intransitiven Verben gab, sondern dass diese erst später aus den transitiven Verben entstanden. Du kannst ja noch heute beobachten, dass intransitive und zugehörige transitive Verben (die dann Kausativa) heißen, vom selben Stamm abgeleitet werden: fällen - fallen. Was exercitum betrifft, wurde ja schon ergänzt, dass das Wort Tausende Jahre nach dem von mir erwähnten Sprachzustand entstand, zu dem Zeitpunkt gab es längst grammatische Geschlechter, und Neutra hatten einen Nominativ.
Aber manche „Sachen“ können durchaus auch handeln, z.B. das
Heer (lat. exercitum, neutral).
Lässt das auf eine Ursprache schließen, in der es kein Passiv
und keine kollektiven/sonstwie neutralen Subjekte gab?
nein. erstens siehe oben und die Ergänzungen der anderen Antworter. zweitens schließt man die Nichtexistenz des Passivs im Indogerm. aus anderen Beobachtungen, z.B. der Existenz von Deponentien in manchen alten Sprachen oder der völlig unterschiedlichen Bildung des Passivs in den einzelnen Sprachen, was bis zum Fehlen eines „richtigen“ Passivs in den slawischen Sprachen reicht. Und dein Gedankengang, wieso man aus der Existenz des Wortes exercitum auf das Fehlen eines Neutrums oder Kollektivums im Indogerm. schließen soll, ist mir auch nicht ganz klar. Ein Kollektivum (also man sollte es wohl am besten als einen weiteren Numerus neben Singular, Dual und Plural begreifen) scheint es im Indogerm. übrigens tatsächlich gegeben zu haben. Man vermutet hinter dem sächlichen Plural auf -a (wie man es aus dem Latein, Altgriechischen oder Russischen kennt) einen Kollektiv. Wichtigstes Indiz dafür ist die Tatsache, dass der sächliche Plural als Subjekt im Altgriechischen mit einem Verb im Singular verbunden wird. Aber auch das ist natürlich nur Spekulation.
Viele Grüße
Marco