Meßgenauigkeit bei der Feststellung des Hirntodes

Hallo miteinander,

ich möchte hiermit 2 Zitate zur Diskussion stellen und hoffe, dass jemand eine Meinung dazu hat.

  1. Zitat:"Der Bischof führte weiter aus, dass die gegenwärtige Technologie es den Ärzten ermöglicht, nur in den äußeren 1-2 Zentimetern des Gehirns Aktivität messen zu können. Er stellte die Frage: „Haben wir unter diesen Umständen überhaupt die unwiderlegbare moralische Gewissheit, etwas über die Existenz der Hirnaktivität geschweige denn über das Ende der Hirnaktivität auszusagen?“ "Zitat Ende

  2. Zitat:"Der Apnoetest

Bei seiner Präsentation auf der Konferenz verurteilte Dr. Cicero Coimbra, ein klinischer Neurologe von der Bundesuniversität Sao Paolo, die Grausamkeit des Apnoetests. Dabei wird dem Patienten die künstliche Beatmung für bis zu 10 Minuten entzogen, um feststellen zu können, ob er selbstständig zu atmen beginnt. Dies ist ein Teil der (notwendigen) Untersuchungen, bevor ein hirnverletzter Patient für hirntot erklärt wird. Dr. Coimbra erklärte, dass diese Untersuchung eindeutig die mögliche Erholung eines hirnverletzten Patienten beeinträchtigt und sogar den Tod des Patienten hervorrufen kann."Zitat Ende

Quelle: http://www.initiative-kao.de/der_hirntod_ist_nicht_d…

Mit besten Grüßen
Jens

Hallo,

Gegenfrage:

Zitat aus http://www.initiative-kao.de/der_hirntod_ist_nicht_d…:

  1. Es ist jetzt offenkundig und offensichtlich, dass es kein einziges sogenanntes neurologisches Kriterium gibt - woran internationale Wissenschaftskreise öffentlich festhalten - welches den sicheren Tod feststellt. Vielmehr werden viele unterschiedliche neurologische Kriterien ohne weltweite Übereinstimmung angewendet.

Wie um alles in der Welt soll dann der „echte“ Tod festgestellt werden?

Christina

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Hallo Jens!

Laut Wikipedia gibt es mehr als zwei Kriterien für den medizinischen Hirntod. Die beide Hautpkriterien sind

  1. Eine Nulllinie im EEG
  2. Kreislaufstopp der das Gehirn versorgenden Aterien und Venen

Die Arguementation des Bischofs geht davon aus, dass ausschließlich das erste Kriterium angewendet würde. Ich kann sein Argument durchaus nachvollziehen, weil selbst die an gesunden Probanden per EEG messbaren Hirnströme sehr gering sind (Mikrovolt-Bereich). Allerdings ist es unabhängig von der Richtigkeit seines Arguments möglich den Hirntod eindeutig mit Hilfe des zweiten Kriteriums festzustellen. Mit Doppler-Sonographie kann die Durchblutung einzelner Organe von Feten zuverlässig überprüft werden. Somit kann man davon ausgehen, dass man mit diesem und anderen Verfahren sehr zuverlässig beurteilen kann, ob das Gehirn noch durchblutet wird. Wenn die Hirndurchblutung längere Zeit ausgesetzt hat, kann man davon ausgehen, dass irreversible Hirnschädigungen eingetreten sind. Dies garantiert natürlich nicht, dass das Gehirn nie wieder funktionsfähig sein kann, aber es garantiert, dass es dies nicht ist. Verbunden mit der EEG-Nulllinie ist, ist dies ein sehr sicheres Zeichen für den Hirntod. Das ein Gehirn nach wochenlangem Hirntod seine Funktion wieder aufnehmen könnte halte ich für äußerst unwahrscheinlich: medizinische Evidenz spricht dagegen.

Falk

Hi,

Vielmehr werden viele
unterschiedliche neurologische Kriterien ohne weltweite
Übereinstimmung angewendet.

Wie um alles in der Welt soll dann der „echte“ Tod
festgestellt werden?

eben durch das zusammnkommen von vielen kriterien kann man den hirntod sicher feststellen. Dass es hier vielleicht noch keine weltweite kommission gegeben hat, die internationale richtlinien erlassen hat, bedeutet nicht, dass der hirntod plötzlich etwas unendgültiges ist.

LG Alex:smile:

Hallo Falk,

ich gehe jetzt mal feierlich zum Sie über.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kann es sein - bzw. muß es so sein - dass wenn man an einer Herz-Lungenmaschine hängt, trotzdem aus irgendweinem Grund, das Gehirn nicht durchblutet wird? D.h. man ist dann hirntot.

Ihre Feststellung, Zitat:
„Dies garantiert natürlich nicht, dass das Gehirn nie wieder funktionsfähig sein kann, aber es garantiert, dass es dies nicht ist.“
Zitat Ende, finde ich in Deutschland geradezu revolutionär.
Somit wäre ja ein jegliches schnelles Bestatten (Zeit noch zu definieren) bzw. die Organentnahme von nur einmalig vorhandenen Organen - gegen den Willen des Menschens - eine Art „Mord“ und durch dritte ohne Zustimmung des Patienten: „Beihilfe zum Mord“. Oder?

Mit besten Grüssen Jens

P.S: Keine Angst ich übernehme dafür die Verantwortung, wenn jemand meint, ich bezeichne Organentnehmer und „schnelle Bestatter“ als eine Art Mörder :smile:

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Hallo Jens,

was hat der Apnoetest mit dem Bischof zu tun? Das zweite Zitat ist doch von einem Arzt, oder?

Und bei dem Bischof habe ich den starken Verdacht, dass er sein Argument hauptsächlich gegen eine Organentnahme gebraucht. Dazu kann ich nur sagen: Spätestens wenn das Herz entnommen ist, wird der Hirntod eintreten.

(Ich bin nicht sonderlich gut auf irgendwelche Theologen zu sprechen, die die moderne Medizin zwar da ablehnen, wo sie hilft - Transplantation, Stammzellenforschung - aber da gut heißen, wo sie meiner Meinung nach eher schade als nützt - das Beispiel Terry Schiavo.)

Schöne Grüße

Petra

Hallo Jens!

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kann es sein - bzw. muß
es so sein - dass wenn man an einer Herz-Lungenmaschine hängt,
trotzdem aus irgendweinem Grund, das Gehirn nicht durchblutet
wird? D.h. man ist dann hirntot.

Hirntod kann eintreten, obwohl der Kreislauf durch künstliche Beatmung noch intakt ist.

Es kann- muss aber nicht- sein, dass das Gehirn eines Menschen nicht durchgblutet wird, obwohl er an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen ist. Um dies Nachzuweisen reicht es jedoch nicht die das Gehirn versorgenden Aterien und Venen zu überprüfen, die sofern sie nicht verschlossen sind, durch die künstliche Aufrechterhaltung des Herzschlags fast zwangsläufig Blut führen, sondern durch die Verwendung von radioaktiven Markern (z.B. PET). Aufgrund der bei deren Zerfall freigesetzter Strahlung kann man genau nachvollziehen, welche Gerhirnregionen von diesen- und damit vom Blut-
erreicht werden und welche nicht.

Ihre Feststellung, Zitat:
„Dies garantiert natürlich nicht, dass das Gehirn nie wieder
funktionsfähig sein kann, aber es garantiert, dass es dies
nicht ist.“
Zitat Ende, finde ich in Deutschland geradezu revolutionär.
Somit wäre ja ein jegliches schnelles Bestatten (Zeit noch zu
definieren) bzw. die Organentnahme von nur einmalig
vorhandenen Organen - gegen den Willen des Menschens - eine
Art „Mord“ und durch dritte ohne Zustimmung des Patienten:
„Beihilfe zum Mord“. Oder?

Die Formulierung, die ich gewählt habe erscheint mir in der Retrospektive irreführend. Ich denke vielmehr, dass durch medizinische Tests zuverlässig prognostiziert werden kann, dass die Hirnschädigungen, die Aufgrund der nicht mehr erfolgenden Durchblutung eingetreten sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit so groß sind, dass Leben nicht mehr möglich ist. Man geht dabei auch sehr vorsichtig vor. Die Feststellung von Hirntod darf nur von besonders erfahrenen Ärzten in einer genau festgeschriebenen Folge von Untersuchungen, nach einer Vielzahl von Kriterien erfolgen. Außerdem müssen die Tests mehrfach wiederholt und von anderen Experten bestätigt werden. Was ich mit dem Zitat jedoch sagen wollte: Die Schädigung des Gehirns selbst und ihre Irreversibilität kann nicht direkt beobachtet werden, zumindest nicht ohne Obduktion. Es ist auch gut möglich dass einzelne Nervenzellen noch vital sind.

Falk

Hallo Christina!

Wie um alles in der Welt soll dann der „echte“ Tod
festgestellt werden?

Hirntod ist der Tod, weil das was einen Menschen ausmacht der von seinem Gehirn erzeugte Geist ist. Tot durch Herzstillstand festzustellen ist viel einfacher als Hirntod bei Patienten festzustellen, deren Kreislauf noch künstlich „am Leben“ erhalten wird.

Falk

Das Leib-Seele-Problem…
… ist hier noch gar nicht erwähnt worden. Dass Existenz mit dem Hirntod aufhört, ist letzendlich aber nichts anderes als eine Konvention, die mindestens zwei Axiome voraussetzt:

  1. Das Bewußstein ist in der materiellen Funktionsfähigkeit des Zentralnervensystems verankert.
  2. Bewußstein ist gleich Geist ist gleich menschliche Existenz

Die Richtigkeit dieser Behauptungen ist mit heutigen Methoden nicht zu belegen. Hier gelangt man also ins Reich der Philosophie, im Moment wäre es schick, die Thesen einfach anzunehmen und damit der Schule des Materialismus/ Physikalismus zu folgen.
Um zu verstehen, warum die genannten Annahmen aber eben nicht notwendigerweise richtig sind, empfiehlt sich auch noch ein Blick in die Erkenntnisphilosopie. Ist man jetzt ob der Beschränktheit der eigenen Erkenntnisfähigkeit etwas bescheidener, lauten die Fragen anders:

  1. Glaube ich persönlich dass der Hirntod das Ende der Existenz ist?
  2. Ist der abstrakte Begriff Existenz mir wichtiger als die Qualität dieser Existenz?

Das kann nur jeder für sich entscheiden.
Die Möglichkeit, hier falsch zu liegen, wiegt doch sicher mehr als das polemische Zweifeln an diagnostischen Kriterien (die m.E. tatsächlich sehr korrekt und eng gefasst sind, entgegen der kardinalen Kritik). Was bringt eine adäquate Hirntoddiagnostik, wenn der Hirntod nicht dem Tod gleichzusetzen ist?

Insofern ist schon zu bemängeln, dass diese Diskussion von den Anhängern des Hirntodkonzeptes nicht gerne geführt wird, denn zumindest eine ehrliche Entscheidungsgrundlage sollte doch jedem zugestanden werden. Und natürlich taucht hier auch immer schnell der böse Verdacht der Organmafia auf. Lustig finde ich es, das Hirntodgegner andererseits häufig Anhänger der Sterbehilfe sind. Dabei ist das Hirntodkonzept doch genau dasselbe, wenn man konsequent argumentiert: Töten eines als aussichtslos angesehenen Lebens.

Gruß, Dennis
(Der einen Organspendeausweis hat)

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Lustig finde ich
es, das Hirntodgegner andererseits häufig Anhänger der
Sterbehilfe sind. Dabei ist das Hirntodkonzept doch genau
dasselbe, wenn man konsequent argumentiert: Töten eines als
aussichtslos angesehenen Lebens.

Ein Mensch der Sterben will, sollte und will auch wirklich tot sein.
Dafür sorgen, wirklich tot zu sein, kann er nicht selber.
Denk mal drüber nach :smile: Also kein Widerspruch für mich, aber eine sehr gute Feststellung von Dir.

Gruß, Dennis
(Der einen Organspendeausweis hat)

Gute Nacht
Jens

Hallo Falk,

bei der potentiellen Organentnahme wird aber nicht mit Markern gearbeitet und Obduktion ist ja nun nicht möglich. Man tötet also zumindest einen geistig Behinderten, wenn man ihm ein Organ entnimmt, das nicht doppelt ist? Und durch den Apnoetest „erzeugt/foltert“ man eventuell erst einen geistig Behinderten?
Das sind für mich alles Strafbestände und es wird Zeit für Alternativen zu sorgen.

Gute Nacht
Jens

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