Gleiche Fallzeiten bei Brachistochrone

Hallo!!

Ich hab folgendes gehört:

„Hat man eine fest bestimmte Brachistochrone, so ist die Fallzeit einer Kugel, egal von welchem Punkt aus sie startet, bis zum fixen Endpunkt immer die gleiche.“

Ist das so korrekt? Wenn ja, wie kann man das beweisen?

Vielen Dank schon mal.

Gruß, Dominik

Hallo Dominik,
die Kurve, auf der eine Kugel am schnellsten von A nach B rollt ist eine (umgedrehte) Zykloide. Sie hat gleichzeitig die Eigenschaft, dass die Zeit zum Runterrollen unabhängig vom Startpunkt ist. Der Beweis ist wohl „nicht ganz einfach“. Es haben sich schon einige Berühmtheiten damit beschäftigt: Galilei (kam zum flaschen Ergebnis), Leibnitz, Newton …

Bei „Mathematik zum Anfassen“ gibt’s noch ein paar Infos: http://www.math.de/exponate/brachystochrone.html

Im gedruckten Katalog von „Mathe zum Anfassen“ finden sich dazu folgende Literaturhinweise:

  1. Heuser, H. Gewöhnl. DGL, Teubner Verlag 1991
  2. Wagon, S. Mathematica in Aktion, Spektrum Akad. Verl. 1993
  3. Greiner, W., Mechanik Teil 1, Verl. Harry Deutsch, 1989

Gruss kr

Vielen Dank erstmal…

Weiss aber viellcheit doch jemand einen (mehr oder weniger einfachen) Beweis für diese Eigenschaft der Brachistochrone??

Gruß, Dominik

Beweis-Skizze
Hallo Dominik,

mit Schulmathematik ist ein Beweis kaum zu erbringen, aber ich kann ja mal kurz skizzieren wie’s geht (Differential- und Integralrechnung sind doch bekannt, oder?).

Man will also eine Kurve K0: x->y(x) finden, für die eine Kugel minimale Zeit zum (reibungslosen) Runterrutschen braucht (x horizontal, y vertikal), wobei die Start- und Endpunkte (x0,y0)=(0,y0) bzw. (x1,y1)=(x1,0) fest vorgegeben sind. Zunächst betrachtet man eine beliebige Kurve K, die durch Start- und Endpunkt verläuft. Eine Kugel würde zum Runterrutschen die Zeit T[K] benötigen. K0 hat nun die geforderte Eigenschaft, dass T[K0]T[K] auch ein „Funktional“, denn hierbei werden Funktionen auf Skalare abgebildet (hier also Kurven auf Zeiten). Um nun K0 zu finden, bedient man sich der sogenannten Variationsrechnung.

Die Variationsrechnung ist analog zum Aufspüren von lokalen Minima von ganz „normalen“ Funktionen (d.h. Funktionen, die von einer Teilmenge der reellen Zahlen in eine andere Teilmenge der reelen Zahlen abbilden). Bei „normalen“ Funktionen bestimmt man ja die Nullstellen der 1. Ableitung, denn nur dort können (abgesehen von nicht differenzierbaren Stellen oder Rändern) Extrema liegen. Ganz ähnlich gilt bei der Variationsrechnung, dass K0 eine Nullstelle von dT[K] ist, also dT[K0]=0. (Am Ende werde ich kurz erläutern, was die Schreibweise dT[K0] genau bezeichnet.)

Es muss nun also T[K] bestimmt werden. Am einfachsten geht dies mit dem Energie-Erhaltungssatz. Die (ruhende) Kugel hat am Anfang die Energie E(y1)=m*g*y1. In der Höhe y hat sie die Energie E(y)=m*g*y+m*v(y)^2/2. (Würde die Kugel rollen anstatt zu rutschen, müsste man hierbei noch die Rotationsenergie der Kugel berücksichtigen.) Mittels EES E(y1)=E(y) erhält man also g*y1=g*y+v(y)^2/2. Für das Qadrat des Geschwindigkeitsbetrags gilt
v^2=(v_x)^2+(v_y)^2
=(dx/dt)^2+(dy/dt)^2
=[(dx)^2+(dy)^2]/t^2
=[1+(dy/dx)^2]/[(dx)^2*(dt)^2]
=[1+(y’)^2]/[(dx)^2*(dt)^2]
Einsetzen in g*y1=g*y+v(y)^2/2 und Auflösen nach dt ergibt
dt=sqrt([1+(y’)^2]/[2*g*(y1-y)])*dx
=F(x,y,y’)*dx, mit F(x,y,y’)=sqrt([1+(y’)^2]/[2*g*(y1-y)]).

Die Gesamtzeit ergibt sich als Integral über dt:
T[K]=Int(dt, t=0…T)
=Int(F*dx, x=0…x2).

Aus dT[K0]=0 folgt somit
d Int(F*dx, x=0…x2)=0.

Es kann bewiesen werden, dass diese Gleichung äquivalent ist zu der folgenden:

d(dF/dy’)/dx-dF/dy=0.

Hiermit hat man das Problem auf das Lösen einer Differentialgleichung zurückgeführt. Eine Differentialgleichung ist eine Gleichung, in der die n-te Ableitung einer (gesuchten) Funktion vorkommt. Solche Differentialgleichungen können bisweilen ziemlich schwer zu lösen sein. Die vorliegende DGL kann nur bedingt gelöst werden. Es ist zum Beispiel nicht möglich, eine exakte explizite Darstellung von K zu berechnen, d.h. man kann K nicht darstellen in der Form y=y(x). Man kann jedoch zeigen, dass die DGL gelöst wird, wenn man für K die Parameterdarstellung einer Zykloide einsetzt.

Natürlich muss auch noch gezeigt werden, dass die gefundene Lösung nicht nur einen Extremwert für T liefert, sondern die Zeit T auch minimiert (und nicht maximiert).

Und nun noch kurz zur Schreibweise dT[K]:
Sei K:x->y(x) eine Kurve durch die Punkte (x1,y1) und (x2,y2). Dann definiert man eine neue Funktion (x,e)->y(x)+e*r(x), wobei x->r(x) eine Funktion mit r(x1)=r(x2)=0 ist. Offenbar gilt dann y(x,0)=y(x). Wenn e gegen Null läuft, nähert sich die durch y(x,e) gegebene Funktion der Funktion y(x) immer mehr an. Nun wird definiert:
dT[K]=T[y(x,e)]/de.
Bei der Bedingung dT[K0]=0 ist dann entscheidend, dass sie für beliebige r(x) mit r(x1)=r(x2)=0 gilt. Dann erst gilt nämlich die Äquivalenz von
d Int(F*dx,x=0…x2)=0 und
d(dF/dy’)/dx-dF/dy=0.

Viele Grüße
Jens

Man kann jedoch zeigen,
dass die DGL gelöst wird, wenn man für K die
Parameterdarstellung einer Zykloide einsetzt.

Ich glaube, das war schon klar. Die Frage war, warum die Zeit zum entlang gleiten der Zykloide unabhängig vom Startpunkt ist.

Das zu zeigen, könnte so aussehen:

v=ds/dt dt=ds/v

Diese Gleichung muss man „nur noch“ vom Startpunkt bis zum Endpunktintegrieren und dann müsste eigentlich im Ergebnis der Startpunkt nicht mehr drinstehen.

Gruß
Oliver

Man kann jedoch zeigen,
dass die DGL gelöst wird, wenn man für K die
Parameterdarstellung einer Zykloide einsetzt.

Ich glaube, das war schon klar. Die Frage war, warum die Zeit
zum entlang gleiten der Zykloide unabhängig vom Startpunkt
ist.

Richtig, das war mir schon klar…

@jns4sen sorry wenn meine Fragestellung etwas unklar war, trotzdem danke für die Bemühungen

@Oliver danke, ich werds mal so versuchen

Trotzdem wär ich für jede weitere Lösung oder Idee dankbar…

Gruß, Dominik

Hallo Dominik (und Oliver),

Richtig, das war mir schon klar…

das ist ja wohl kaum zu glauben! Dir ist klar, wie man mit Hilfe der Variationsrechnung beweist, dass die Zykloide die Zeit minimiert. Andererseits weist du aber nicht einmal, wie man die Zeitdauer berechnet?

Ich behaupte ja nicht, dass das von Oliver angegebene Integral einfach zu lösen ist, aber wenn man die Variationsaufgabe lösen kann, sollte zumindest vom Ansatz her klar sein, wie man die Rutschzeit berechnet.

Herzliche Grüße
Jens

Hallo zusammen!!

@Jens Sorry nochmal, aber ich glaub wir reden ein bisschen aneinander vorbei…:wink:

Also es ist so: Folgendes ist mir als bekannt gegeben (wie man das beweist, bzw. herleitet ist für mich erstmal nicht wichtig…)

Parameterdarstellung der Zykloide:

x = a*[u-sin(u)]

y = -a*[1-cos(u)]

und für die Fallzeit entlang der Zykloide:

T = [1/wurzel(2*g)]*integral[wurzel(2*a) du] (1)

(mit den Integrationsgrenzen: Start- und Endpunkt)

Jetzt will ich allgemein beweisen, dass die Fallzeit entlang einer bestimmten Zykloide, unabhängig vom Startpunkt, bis zum fixen Endpunkt immer die gleiche ist.

Die Gleichung für die Fallzeit (1) ist doch die vereinfachte Form von dem Term, den ich bekomme, wenn ich dt=ds/v integriere (

Und noch 'ne Warnung!
Hallo Dominik,

Wie Oliver richtig schrieb, brauchen der Parameter in der Zykloidendarstellung und die physikalisch ablaufende Zeit nicht identisch zu sein, ja nicht einmal proportional. Wie man zwischen solchen Parametern konvertiert werde ich hier mal kurz erläutern:

Sei also x(u) und y(u) die Parameterdarstellung der Zykloide (oder irgendeiner anderen differenzierbaren Kurve). Dann suchen wir also die Transformation dt->du.

In meinem ersten Posting habe ich bereits gezeigt, wie mittels des Energie-Erhaltungssatzes ein Zusammenhang zwischen dt und dx hergestellt werden kann. Es kam heraus:

dt=sqrt([1+(y’)^2]/[2*g*(y1-y)])*dx

Man muss jetzt nur noch einen Zusammenhang zwischen y’ und u sowie zwischen dx und du herstellen. Dies kann so geschehen:

dx=(dx(u)/du)*du,
dy=(dy(u)/du)*du,

also

y’=dy/dx
=(dy/du)*(du/dx) ;Kettenregel
=[dy(u)/du]*[du(x)/dx]

Jetzt erhält man dt:

dt=sqrt([1+(y’)^2]/[2*g*(y1-y)])*dx
=sqrt([1+([dy(u)/du]*[du(x)/dx])^2]/[2*g*(y1-y(u))])*(dx(u)/du)*du.

Die Gesamtzeit ist dann durch das Integral

T=Int(dt, t=t1…t2)
=Int( sqrt([1+([dy(u)/du]*[du(x)/dx])^2]/[2*g*(y1-y(u))])*(dx(u)/du)*du, u=u(y1)…u(y2) )

gegeben. Im Falle der Zykloide ist es zwar nicht möglich, den Parameter u nach x aufzulösen, dies ist aber gar nicht nötig, um du(x)/dx zu berechnen. Man kann nämlich einfach die „Umkehrregel“ anwenden:

Man berechnet zunächst dx(u)/du und bildet anschließend den Kehrwert. Hier also:
dx/du=d(a*(u-sin(u))/du
=a*(1-cos(u)), also
du(x)/dx=1/[a*(1-cos(u))].

Bevor du jetzt aber mit dem Integrieren beginnst, noch folgende weitere Warnung :

Konstante Zeit kommt nur dann heraus, wenn der Zielpunkt (x2,y2) im tiefsten Punkt der Zykloide liegt, d.h. wenn dort die Tangente waagerecht verläuft. Dies ist aber nicht für beliebige Start- und Zielpunkte der Fall. Wählt man Startpunkt (x1,y1) und Zielpunkt (x2,y2) beliebig, so wird die Zykloide in den meisten Fällen entweder verkürzt sein (d.h. die Tangente im Zielpunkt weist abwärts) oder verlängert sein (Tangente weist aufwärts). Im zweiten Fall liegt der Zielpunkt höher als der tiefste Punkt, den die Kugel durchläuft. Aber nur bei waagerechter Tangente ist die Zeit konstant.

Viele Grüße
Jens

Wo sind Olivers Postings …
, … auf die ich mich in meinem Artikel beziehe?

fragt
Jens

hier sind sie wieder!
Hallo Jens und Dominik,

Ich hatte versucht, den Beweis selbst zu finden und hab noch mehreren Anläufen feststellen müssen, dass die Sache komplizierter ist als befürchtet.
Ich hab deshalb erstmal alle Postings rausgenommen und die Sache nochmal durchdacht.

Wie Oliver richtig schrieb, brauchen der Parameter in der
Zykloidendarstellung und die physikalisch ablaufende Zeit
nicht identisch zu sein, ja nicht einmal proportional.

Dazu kommt noch, dass die Geschwindigkeit v im Ausgangsintegral selbst wieder von der Startposition abhängt. Der Integrand hängt also auch von der unteren Integrationsgrenze ab!

…insgesamt zu viel Arbeit, dass sich das lohnen würde durchzurechnen.

Gruß
Oliver