?Org.Chemie:Milchsäuregärung?

Hallo Gemeinde!
Wer kennt sich detailliert aus bei der Milchsäuregärung und kann mir bei einem Problem Auskunft geben?
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Hallo Alexander,

was willst du wissen?

Vielleicht hilft das ja schon mal weiter:

http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/bic…

Gruß
Jochen

An Jo.Hier die Frage!
Hallo Jochen!
Nett daß Du Deine Hilfe anbietest. Der Link ließ sich nicht öffnen.
Das Problem ist kurz umrissen folgendes:
Ein Sauerteigansatz besteht bei mir aus reinem Roggenmehl mit Wasser mit einem Mehlanteil von 43.5 %. Die gängige Fachliteratur gibt 20g Roggen-Vollkornmehl als Äquivalent für die für den Blutzucker relevante BE-Einheit (neuer: Kohlehydrateinheit) an. Für meinen unvergorenen Sauerteig-Ansatz entspräche das 46 g/BE.
Ich möchte nun gerne wissen, ob sich nach einer völlig abgeschlossenen Milchsäuregärung bei der bei guter Gärungsführung im Normalfall 80% Milchsäure und 20% Essigsäure entstehen, die Blutzucker bildenden Kohlehydrate unverändert erhalten haben. Ich kann mir das nicht gut vorstellen obwohl ich nicht genau weiß wie die Gärung zum Abschluß kommt. Ob sie aussetzt, wenn das Ausgangsmaterial erschöpft ist, oder wenn die Säurekonzentration die Bakterien killt (analog zur alkoholischen Gärung mit Zucker/Alkohol).
Kurzum: Entsprechen 45 g Sauerteigansatz vor und nach der Gärung 1 BE?
Bei der alkoholischen Gärung habe ich das mal mit meiner Schul-Chemie stöchiometrisch durchgerechnet und das Ergebnis mit ziemlicher Genauigkeit nachgemessen. Aber bei der Milchsäuregärung, wo geheimnisvolle Enzyme und Abrakadabra im Spiel sind, frage ich doch lieber den Fachmann. (:wink:)))
Vorläufig schon mal vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
Alexander.

Hi Alexander,

ich geh mal davon aus, daß Du die Homofermentation meinst (allerdings ist die Heterofermentation prinzipiell nicht anders).

Die hat als Substrat Monosacharide, speziell Glucose. Wenn Du also komplexe KH hast, müssen diese erst mal aufgeschlossen werden. Ansonsten stoppt die Gärung, wenn die freien Monosacharide verbraucht sind.
Sind genügend Monosacharide vorhanden, stoppt die Gärung durch Produktinhibierung auch irgendwann.

Jetzt weiß ich allerdings nicht, in welchen Mengen Glucose verbraucht wird, bzw. ab welcher Konzentration an Milchsäure die Produktinhibierung einsetzt.
Über diese Betrachtungen (Konzentration an Milchsäure und ev. Abbau von komplexen KH) solltest Du einigermaßen genau errechnen können, wieviel der KH verbraucht werden, bzw. um wieviel sichdie insulinpflichtigen KH verringert haben.

Gandalf

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Hi Gandalf

ich geh mal davon aus, daß Du die Homofermentation meinst
(allerdings ist die Heterofermentation prinzipiell nicht
anders).

Ich kenne zwar diese Fachbegriffe nicht, aber von der Wortzusammensetzung tippe ich mal auf die erstere, da ich den Ansatz ohne Zusätze vollkommen sich selbst überlasse.

Die hat als Substrat Monosacharide, speziell Glucose. Wenn Du
also komplexe KH hast, müssen diese erst mal aufgeschlossen
werden. Ansonsten stoppt die Gärung, wenn die freien
Monosacharide verbraucht sind.
Sind genügend Monosacharide vorhanden, stoppt die Gärung durch
Produktinhibierung auch irgendwann.

Siehste! Genau das ist der Punkt bei dem für für die Esotherik anfängt! Enzyme schließen bei Vollmond irgend etwas auf und werkeln 'rum bis zum ‚geht nicht mehr‘!

Jetzt weiß ich allerdings nicht, in welchen Mengen Glucose
verbraucht wird, bzw. ab welcher Konzentration an Milchsäure
die Produktinhibierung einsetzt.

Das weiß ich eben auch nicht, daher meine Frage!

Über diese Betrachtungen (Konzentration an Milchsäure und ev.
Abbau von komplexen KH) solltest Du einigermaßen genau
errechnen können, wieviel der KH verbraucht werden, bzw. um
wieviel sichdie insulinpflichtigen KH verringert haben.

Da hast Du prinzipiell recht! NUUUUUR, ich habe über Stöchiometrie mal etwas in der Schule gehört und habe da heute keine Übung mehr drin. Und weil ich glaube ein hilfsbereiter Fachmann kann so was mit dem ersten Glied des kleinen Fingers an der linken Hand, dachte ich…
Trotzdem vielen Dank für Deine Antwort. Aber ich warte jetzt mal ab was Jochen meint.
Gruß Alexander.

Gandalf

Hallo Alexander,

ich geh mal davon aus, daß Du die Homofermentation meinst
(allerdings ist die Heterofermentation prinzipiell nicht
anders).

Ich kenne zwar diese Fachbegriffe nicht, aber von der
Wortzusammensetzung tippe ich mal auf die erstere, da ich den
Ansatz ohne Zusätze vollkommen sich selbst überlasse.

kurze Begrifferklärung
Homofermentation:
Es bildet sich nur ein Produkt (hier Milchsäure)
Heterofermentation:
Es bilden sich mehrere Produkte (ein Fall der Milchsäuregäärung: MS, Ethanol und CO2)

Siehste! Genau das ist der Punkt bei dem für für die Esotherik
anfängt! Enzyme schließen bei Vollmond irgend etwas auf und
werkeln 'rum bis zum ‚geht nicht mehr‘!

Nix Eso, harte Mathematik, nämlich das sogenannte Massenwirkungsgesetz kommt hier zum tragen.
In einigen Fällen werden die Enzyme oder Mikroorganismen durch die Produkte schlicht denaturiert/getötet.

Gandalf

Hallo Alexander,

Ich kenne zwar diese Fachbegriffe nicht, aber von der
Wortzusammensetzung tippe ich mal auf die erstere, da ich den
Ansatz ohne Zusätze vollkommen sich selbst überlasse.

Kurze Erklärung vorweg: Fermentation ist die Verstoffwechselung. Passiert das nach genau einem definierten Stoffwechelweg, bezeichnet man den Prozeß als homofermentativ (von homo gr. gleich). Im heterovermentativen Prozeß laufen zwei oder mehrere unterschiedliche Stoffwechselwege parallel (hetero gr. ungleich).

Typische homofermentative Vertreter im Sauerteig sind Lactobacillus plantarum, L. delbrückii, L. acidophilus und L. casei. Sie betreiben fast ausschließlich Milchsäuregärung (daher ja homofermentativ); ca. 90% der Gärungsprodukte ist Milchsäure. Dabei entsteht fast kein CO2.

Die heterofermentativen (haupts. L. sanfrancisco, L. brevis, L. pontis, L. buchneri und L. reuteri) bilden auch Essigsäure und/oder Ethanol sowie Gylcerin, manche auch in ganz geringen Mengen andere organische Säuren wie Propion- und Buttersäure (pfui-bäh!). Gerade bei der Alkoholischen Gärung wird dabei eine bedeutende Menge CO2 frei, was den Teig locker machen soll.

Für die Sauerteigbereitung sind die heterofermentativen Milchsäurebakterien von größerer Bedeutung als die homofermentativen, (hauptsächlich aber wegen der Geschmacksbildung; normalerweise sorgen Hefen mit ihrere Ethanol-Gärung für den Hauptteil an CO2). Man hat aber zwangsläufig immer ein Gemisch an homo- und heterofermentativen Arten im Teig.

Siehste! Genau das ist der Punkt bei dem für für die Esotherik
anfängt! Enzyme schließen bei Vollmond irgend etwas auf und
werkeln 'rum bis zum ‚geht nicht mehr‘!

Dein System „Sauerteig“ ist sehr komplex. Man kann es als ein sich zeitlich änderndes mikrobiologisches Ökosystem auffassen. Wechselseitige Ansprüche, Toleranzen und Vorlieben sowie Mengen und Arten der Mikroorganismen bedingen neben den Anfangsparametern wie pH, Zucker-, Wasser-, Sauerstoff-, Vitamin-, Mineralstoff- usw. -gehalt die Entwicklung des Systems „Sauerteig“.

Es gibt natürlich für jeden irgendwo beteiligten enzymatischen Schritt Angaben über Substratspezifität, spezifische Aktivität und Hemmwirkung, aber das sagt einem leider nichts (naja, kaum was) über das Zusammenspiel der Enzyme in komplexen Zellstoffwechsel.

Ich würde mich nicht wagen, deine Frage anhand von Stöchiometrien zu beurteilen. Die einzig letztlich verlässliche Methode ist das Nachmessen der nach der Gärung verbliebenen KH’s.

Als Schätzwert werden von Hefen und Milschsäurebakterien während der ersten Wachstumsphase etwa 1-3% der Stärke verzuckert und vergoren. Während des anschließenden Backprozesses wird ein großer Teil
der Stärke in Dextrine, Maltose und Glucose umgewandelt und zum Teil karamelisiert und über komplizierte Reaktionsmechanismen entstehen zahlreiche heterozyklische Verbindungen sowie Aldehyde, Ketone, Ester und höhere Alkohole.

Zur Stöchiometrie:

1 Glucose --> 2 Milchsäure

1 Glucose --> 2 Ethanol + 2 CO2

1 Glucose --> 1 Lactat + 1 Ethanol + 1 CO2

3 Fructose --> 1 Lactat + 1 Acetat + 2 Mannitol + 1 CO2

Das Problem bleibt abzuschätzen, welche Prozesse zu welchen Anteilen wie lange laufen. Das kann ich dir leider auch nicht beantworten.

Gruß,
Jochen

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Hallo Gandalf,

Nix Eso, harte Mathematik, nämlich das sogenannte
Massenwirkungsgesetz kommt hier zum tragen.

Mathematik ist ein philosophisches Fach… du meinst sicher Biochemie.

In einigen Fällen werden die Enzyme oder Mikroorganismen durch
die Produkte schlicht denaturiert/getötet.

Nein, das ist so nicht richtig. Denaturieren heißt, ein Protein aus seiner nativen Konformation bringen. Das ist meist der Fall, wenn die Temperatur zu hoch ist. Denaturierte Enzyme sind „tot“ - das ist korrekt.

Die Produkte denaturieren die Enzyme aber nicht. Grund für die Inhibition ist hier auch meist einfach nur das Massenwirkungsgesetz: Substrat und Produkt konkurrieren um die Bindungsstellen am Enzym (-> kompetitive Hemmung). Es gibt aber auch regelrecht regulierte Enzyme, bei welchen das Produkt an einer anderen Stelle am Enzym bindet und so einen „Schalter“ umlegt, der das Enzym „abschaltet“ (-> allosterische Hemmung). Oft ist es auch so, das ein ganz anderes Produkt, was erst später im Stoffwechselweg gebildet wird, Enzyme allosterisch hemmen.

Beim Sauerteig haben wir jedoch das Problem, dass toxische Endprodukte entstehen: Ethanol, der die Membranpermeabilitäten stört und Lactat, welches den pH senkt. Wenn die Membranen nicht mehr funktionieren, ist ein geordneter Stoffwechsel nicht mehr möglich, klar. Der niedrige pH führt zunächst dazu, dass Enzymatische Reaktionen, bei denen ja meist Protonen den Besitzer wechseln, nicht mehr richtig ablaufen (pH 3-4). Dabei sind die Enzyme aber idR noch nicht denaturiert. Erst eine weitere Absenkung des pH würde Proteine denaturieren (so wie die Magensäure bei pH 1).

Trotzdem, ich glaube, du hast schon das Richtige gemeint - nur halt kürzer… :wink:

Gruß
Jochen

An Jo und Gandalf!

Hallo Jochen, hallo Gandalf.

Zunächst einmal vielen Dank für die umfangreichen, fachlichen Ausführungen. Die biochemischen Details sind für mich Neuland, die Quintessenz der ganzen Aussage hatte ich jedoch instinktiv erwartet! Nämlich:

Ich würde mich nicht wagen, deine Frage anhand von
Stöchiometrien zu beurteilen. Die einzig letztlich
verlässliche Methode ist das Nachmessen der nach der Gärung
verbliebenen KH’s.

und:

Das Problem bleibt abzuschätzen, welche Prozesse zu welchen
Anteilen wie lange laufen. Das kann ich dir leider auch nicht
beantworten.

Besonders der erste Absatz hat mich elektrisiert. Mir ist klar geworden, daß man durch bloßes Aufsummieren der BE-(Kohlehydrat)-Werte der Grundstoffe keinen Bezug zum Endprodukt herstellen kann, besonders dann, wenn wie hier sowohl ein Gär-, als auch ein Backvorgang im Spiel sind. Es wäre nur sinnvoll das Endprodukt auf blutzuckerrelevante Stoffe zu untersuchen.
Und somit bin ich gleich bei der ‚Ergänzungsfrage‘: Gibt es (relativ) einfache Verfahren die ein aussagekräftes - nicht exaktes - quantitatives Ergebnis zu dieser Frage liefern? Wenn nicht, wer macht so etwas? Die Lebensmittelüberwachungs-Behörden, für privat Zwecke?
Zur qualitativen Untersuchung von Lebensmitteln hat Prof. DR.G.Schwedt vom Institut für Analytische Chemie der TU Clausthal-Zellerfeld in seinem neuen Buch einen umfangreichen Codex an einfachen Verfahren zusammengestellt, die vom interessierten Laien gut durchzuführen sind (mit entsprechender Minimalausrüstung). Vielleicht gibt es auch etwas Vergleichbares für quantitative Untersuchungen?
Es wäre nett, wenn ihr dazu noch einmal Stellung nehmen würdet.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander.

Hallo Alexander,

Es wäre nur sinnvoll das Endprodukt auf blutzuckerrelevante
Stoffe zu untersuchen.

Exakt!

Und somit bin ich gleich bei der ‚Ergänzungsfrage‘: Gibt es
(relativ) einfache Verfahren die ein aussagekräftes - nicht
exaktes - quantitatives Ergebnis zu dieser Frage liefern?

Es gibt recht einfache, enzymatische Nachweise von Glucose (Glucotest oder Hexokinase-Test oder so ähnlich). Vorher mußt du die noch vorhandene Stärke zu Glucose abbauen, das geht mit Amylase. Du bekommst die Sachen wahrscheinlich in einer Apotheke oder du kannst sie direkt bei den Herstellern wie zB Roche, Roth, Merck usw. bestellen. Wenn du einen Biochemie- Mikrobio- Molekularbio- oder Chemie-Studenten kennst, sollte der das recht schnell messen können. Ich glaube, für die Enzymatischen Tests brauchst du ein Photometer, das wird der Knackpunkt dabei sein, es selbst zu machen. Aber vielleicht kannst du ja irgendwo mal eins benutzen (bzw. benutzen lassen).

Wenn nicht, wer macht so etwas?

Lebensmittelchemische Labore. Kostet halt.

Noch ein ganz wichtiger Literaturtipp:

http://www.elhardt.de/matthias/chemie/facharbeit/fas…

Eine Facharbeit über Verfahren zur Quantitativen Bestimmung von Glucose!

Grüße,
Jochen

Danke an Jo und Gandalf!
Hallo Jochen und Gandalf.

Du bekommst die Sachen wahrscheinlich in einer
Apotheke oder du kannst sie direkt bei den Herstellern wie zB
Roche, Roth, Merck usw. bestellen. Wenn du einen Biochemie-
Mikrobio- Molekularbio- oder Chemie-Studenten kennst, sollte
der das recht schnell messen können. Ich glaube, für die
Enzymatischen Tests brauchst du ein Photometer, das wird der
Knackpunkt dabei sein, es selbst zu machen. Aber vielleicht
kannst du ja irgendwo mal eins benutzen (bzw. benutzen
lassen).

Kein Problem. Wenn ich mal Fein- und Analysenchemikalien benötige, beziehe ich die in kleinen Mengen bei Omikron, einem Fach-Versandhändler.
Den Rest kriege ich auch noch auf die Reihe!

Noch ein ganz wichtiger Literaturtipp:

http://www.elhardt.de/matthias/chemie/facharbeit/fas…

Eine Facharbeit über Verfahren zur Quantitativen Bestimmung
von Glucose!

Ein toller Tip. Ist schon heruntergeladen!!!

Nochmals vielen Dank!
Gruß, Alexander.