Pseudoquecksilber

Ich weiß nicht ob ich hier oder im Mathe/Physik-Brett richtig bin…

Hallo erst mal!

Da war ich goch gestern in der Apotheke meines Vertrauens und habe mich nach Fieberthermometern erkundigt. …und welch ein Entsetzen, es gibt nicht nur die modernen digitalen sondern auch noch das gute alte Quecksilberthermometer.
Auf Rückfrage erfuhr ich dann aber, dass das flüssige Metall darin KEIN Quecksilber mehr sondern irgendeine Legierung aus Zinn sei.

Weiß jemand, was da genau an Metallen drin ist und welchen Schmelzpunkt das Zeug hat?

Gruß
Manfred

Hi Manfred,

Weiß jemand, was da genau an Metallen drin ist und welchen
Schmelzpunkt das Zeug hat?

es gibt eine Reihe von sog. Schmelzlegierungen, die schon bei RT flüssig sind.
Die bekannteste ist da eine Legierung aus 76 % Gallium und 24 % Indium, die bei ca. 16 °C schmilzt.
Es gibt auch Legierungen mit Hg, aber das ist dann sicher nicht der Sinn der Sache.

Gandalf

…und welch ein
Entsetzen, es gibt nicht nur die modernen digitalen sondern
auch noch das gute alte Quecksilberthermometer.

Selbst wenn das echte Quecksilberthermometer wären, ist das kein Grund zur Panik. Ganz im Gegensatz zu löslichen Quecksilberverbindungen ist metallisches Quecksilber vergleichsweise harmlos. Das kann man sogar gefahrlos trinken. Die einzige Gefahr die davon ausgeht sind die Dämpfe, aber auch die muß man schon über einen langen Zeitraum in genügend hohen Konzentrationen einatmen um sich damit zu vergiften. Wenn so ein Quecksilberthermometer mal kaputt geht, dann braucht man die Quecksilberkugeln nur einzusammeln, in ein verschließbares Gefäß schütten (am besten noch etwas Wasser darüber gießen), das Ganze bei einer entsprechenden Entsorgungsstelle abzugeben und schon ist die Gefahr gebannt. Gestorben ist davon noch keiner.

Hi MrStupid,

Wenn so ein Quecksilberthermometer mal kaputt geht, dann
braucht man die Quecksilberkugeln nur einzusammeln, in ein
verschließbares Gefäß schütten (am besten noch etwas Wasser
darüber gießen), das Ganze bei einer entsprechenden
Entsorgungsstelle abzugeben und schon ist die Gefahr gebannt.
Gestorben ist davon noch keiner.

das ist mal ausnahmsweise etwas von Dir, das zu Deinem Namen paßt!!
Wenn ein Hg-Termometer zerdeppert, ist es mitnichten damit getan, nur die groben Kugeln einzusammeln, was schon schwierig genug ist. Wenn genug Hg übrigbleibt, kann es durchaus passieren, daß über die nächsten Jahre unerklärliche Erkrankungen auftreten. Und gestorben sind an Vergiftungen mit Hg-Dämpfen schon viele!
Wenn so was passiert ist, in eine Apotheke und einen Satz mit Adsorber und Werkzeug kaufen.

Gandalf

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Wenn genug Hg übrigbleibt, kann es durchaus
passieren, daß über die nächsten Jahre unerklärliche
Erkrankungen auftreten.

Ja wenn - aber in einem Quecksilberthermometer ist dafür nicht genug drin. Schätzen wir doch mal ab, wie lange diese Tropen überleben:

Bei Zimmertemperatur hat Hg einen Dampfdruck von rund 0,2 Pa und die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen beträgt im Dampf beträgt rund 157 m/s. Das entspricht einem Massestrom von 0,00127 kg/m²s. Die Oberfläche eines Quecksilbertropfens der Masse m beträgt

A = (4·π·m²/ρ²)(1/3) = 0,0085 m²/kg(2/3) · m(2/3)

Das führt zur Differentialgleichung

dm/dt = - 10-5 kg(1/3)/s · m(2/3)

Trennung der Variablen und Normierung mit m(0)=m0 führt zu

m(1/3) = m0(1/3) - 3·10-5 kg(1/3)/s · t

Die Zeit bis zur vollständigen Verdampfung beträgt also

t0 = m0(1/3) / 3·10-5 kg(1/3)/s

Wenn man also einen 1mm großen Quecksilbertropfen liegen läßt, dann kann das Ding unter idealen Bedingungen in einer guten halben Stunde verdunsten. Solche idealen Bedingungen wird man zwar nicht haben, weil die Tropfen sich in irgendwelchen Ritzen verstecken werden, in denen der Gasaustausch behindert wird, aber eine monatelange Exposition ist maßlos übertrieben. Mehr als eine Woche gebe ich einem solchen Tropfen nicht.

Nun wollen wir mal sehen, mit welchen Risiken dabei zu rechnen ist:

Mit akuten Vergiftungen ist ab einer Konzentration von 29 mg/m³ bei einer Expositionszeit von 30 Stunden zu rechnen. In einem 5x5 m² großen Zimmer müßte man da schon 1,8g Hg verdampfen - und zwar ohen zu lüften. Das wäre der komplette Inhalt des Thermometers.

Der MAK-Wert liegt natürlich deutlich niedriger, aber für die 0,08 mg/m³ bräuchte man auch noch 5 mg um den Grenzwert im obigen Zimmer zu überschreiten. Wenn das Quecksilber tatsächlich ein einem Zeitraum von einem Jahr verdampfen würde, dann bräuchte man bei täglichen Lüften ebenfalls 1,8g um den Grenzwert zu überschreiten. Eine solche Menge wäre aber kaum zu übersehen, es sei denn man kümmert sich nicht um das zerbrochene Thermometer.

Und gestorben sind an Vergiftungen mit
Hg-Dämpfen schon viele!

Dafür waren aber sicher keine Quecksilberthermometer verantwortlich. Oder kannst Du mir eine entsprechende Quelle nennen?

Wenn so was passiert ist, in eine Apotheke und einen Satz mit
Adsorber und Werkzeug kaufen.

Das ist natürlich der sicherste Weg, aber man sollte wirklich die Kirche im Dorf lassen. Quecksilber ist giftig, aber kein chemischer Kampfstoff.

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Hi,

Wenn man also einen 1mm großen Quecksilbertropfen liegen läßt,
dann kann das Ding unter idealen Bedingungen in einer guten
halben Stunde verdunsten.

ein Erlebniss aus meiner Ausbildungszeit:
Ein Abzug (besser gesagt der Unterschrank der aber auch an der Abluft hing (geprüft!)) wurde von alten Chemikalienschätzen befreit. Nach Aussage des Assistenen wurde dieser Schrank seit Jahren nicht mehr verwendet. Quecksilber wurde dort nicht gelagert, wir fanden aber im hintersten Eck ziemlich viel Hg-Tröpfchen, die wir mit einer Spezialzange aufnahmen (dürfte bekannt sein). Wir fanden sage und schreibe fast 150 g Hg.

Gandalf

Ein Abzug (besser gesagt der Unterschrank der aber auch an der
Abluft hing (geprüft!)) wurde von alten Chemikalienschätzen
befreit. Nach Aussage des Assistenen wurde dieser Schrank seit
Jahren nicht mehr verwendet. Quecksilber wurde dort nicht
gelagert, wir fanden aber im hintersten Eck ziemlich viel
Hg-Tröpfchen, die wir mit einer Spezialzange aufnahmen (dürfte
bekannt sein). Wir fanden sage und schreibe fast 150 g Hg.

Wenn das Qecksilber aber so langsam verdunstet, dann genügt das nicht um die Grenzwerte zu überschreiten - nicht bei den geringen Mengen, die in einem Thermometer sind. Bei 150g sieht das zwar anders aus, aber in unserem Institut wurden unter einem Labortisch-Einsatz mehrere Kilo von dem Zeug gefunden - und das nur wenige Wochen nachdem eine Schadstoffmessung im selben Labor keine Belastung erbracht hat. Also entweder das Qecksilber aus dem Thermometer verdunstet schnell, dann werden die Grenzwerte überschritten, aber nur für kurze Zeit oder es verdunstet langsam, dann liegen die Konzentrationen unterhalb der Grenzwerte. Ein Problem ist das nur für Allergiker (die beispielsweise auich Probleme mit Amalgam-Plomben haben), aber die sind äußerst selten.

Die Panik, die beim Freisetzen von Quecksilber verbreitet wird, geht darauf zurück, daß die Sicherheitsbestimmung unabhängig von der Menge gelten. Natürlich ist jeder gut beraten, frei gesetztes Quecksilber so zu entsorgen, wie es vorgeschrieben ist. Damit ist man auf der sicheren Seite. Aber es besteht kein Grund entsetzt vor einem Quecksilberthermometer zurückzuschrecken. Von dem Ding geht kein unmittelbares Risiko aus und daß man sie aus dem Verkehr zieht, liegt hauptsächlich daran, daß Herstellung und Entsorgung problematisch sind. Wenn in tausenden Haushalten Quecksilber aus kaputten Thermometern ins Klo gespült oder in den Müll geworfen wird (früher ging man damit ganz anders um als heute), dann handelt man sich damit langfristig echte Probleme ein und wer beruflich mit dem Zeug zu tun hat, setzt sich wirklich einem hohen Risiko aus und in diesen Bereich fällt die überwiegende Zahl von Fällen, in denen es durch Quecksilberdämpfe zu gesundheitlichen Schäden oder gar tödlichen Folgen kam. Um das zu verhindern wurden die strengen Sicherheitsvorschriften erlassen, die ihrerseits dazu geführt haben, daß man Quecksilber nur noch dort einsetzt wo es unbedingt notwendig ist und in einem Fieberthermometer ist es nicht notwendig.

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Danke
Hallo Gandalf / hallo Mr. Stupid

Vielen Dank für Eure Antwort(en)! Es ist für mich erstaunlich, dass es bei Zimmertemperatur flüssiges Metall außer Hg gibt. Ich wollte ansonsten eigentlich keine Diskussion vom Zaune brechen und nicht, dass Ihr Euch wegen meines Erstaunens über ein Hg-freies Hg-Thermometer in die Wolle kriegt [grins]…
Ich habe übrigens mal gelesen, dass bis ins 19. Jahrhundert Hg als Mittel gegen Verstopfungen verabreicht wurde. Wenn es den Leuten nicht wegen der Verstopfung die Därme zerrissen hat, sind sie anschließend vermutlich auch nicht an Hg-Vergiftung gestorben. Allerdings … da die Leute ja heute alle tot sind …

Gruß
Manfred

und nicht nur die Dämpfe…
Hejo!

Nicht nur die bereits erwähnten Dämpfe haben’s in sich.
Wenn man sich mit dem zerbrochenen Thermometer schneidet und dabei Hg ins Blut kommt, kanns auch bös enden…

Gruß
Igel