Hallo Michael,
Aber das bedeutet auf keinen Fall, dass der Fötus erst Fisch,
dann Hühnchen etc. ist, bevor er zum Menschen wird.
Der Fötus ist von Anfang an menschlich.
Ganz so unrecht hat Torsten ja nicht. Man denke an die
biogenetische Grundregel.
Das ist eine Regel, die mal aufgestellt wurde, die aber im Einzelfall geprüft werden muss. Jedenfalls wird dort nach modernen Ansätzen nicht mehr von einer Entwicklungsleiter während der Ontogenese gesprochen.
Unsere Vorfahren waren Fische, Amphibien und Reptilien.
Wir selbst sind natürlich immer noch Fische, deren Vorfahren an Land gegangen sind. Unsere Vorfahren waren aber sicher keine Amphibien, da diese eine abgeschlossene Abstammungsgemeinschaft bilden (monophyletische Gruppe). Reptilien waren sie auch nicht, da die Reptilien (inklusive Vögel = Sauropsida) als Abstammungsgemeinschaft die Schwestergruppe der Synapsiden (=Panmammalia) sind.
Es ist
daher nicht verwunderlich, dass unsere Entwicklung ähnlich
abläuft wie deren Entwicklung.
Ganz so ist es ja nicht. Die embryonalen Stadien sind zu einem gewissen Grad vergleichbar. Wir sind aber in der Ontogenese keine Amphibien, Sauropsiden etc.
Genausowenig verwundert es,
dass sich die Entwicklungswege von Fisch/Mensch früher trennen
als zwische Reptil/Mensch.
Das ist eben das Problem. Welchen Fisch meinst Du denn? Haifisch (Chondrichthyes)? Forelle (Actinopterygii)? Lungenfisch (Sarcopterygii, so wie wir auch)? Entweder betrachten wir die Fische als Paraphylum, dann können wir keine allgemeinen Aussagen hinsichtlich der Entwicklung von Menschenembryonen im Vergleich zu anderen Wirbeltieren tätigen, da das nur mit monophyletischen Gruppen geht, oder wir lassen das Konzept gleich in der Mottenkiste.
In der Regel „arbeitet“ die Evolution sehr ökonomisch.
Komplett neue Konzepte treten sehr selten auf.
Bleiben wir doch bei ultimativen Aussagen: Sie treten nie auf, seit das Leben entstanden ist.
Meistens wird
einfach ein bestimmtes Thema variiert.
Das „Meistens“ können wir getrost durch ein „Immer“ ersetzen.
Ein Beispiel: Fische brauchen wegen Kiemenatmung nur ein
einkammriges Herz. Amphibien haben zwar einen doppelten
Blutkreislauf, das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge
vermischt sich aber mit dem sauerstoffarmen Blut aus dem
Körper im Ventrikel. Wir Säuger haben ein zweikammriges Herz.
Sorry, aber das Säugerherz ist vierkammerig, wie auch das Archosaurierherz (konvergent!). Sie können aber vom Typ „Amphibienherz“ hergeleitet werden. Insofern wären die Amphibien Modellcharaktere für die Herzentwicklung.
Es ist kaum vorzustellen, dass die Evolution an irgendeiner
Stelle den Bauplan für Amphibienherzen verworfen hat und das
Säugerherz vollkommen neu erfunden hat. Viel plausibler ist,
dass in ein einkammriges Herz nachträglich eine Trennwand
eingezogen wird.
Zwei Vorhöfe und eine Hauptkammer macht eigentlich drei Kammern. Aber wahrscheinlich rechnest Du nur mit den Hauptkammern. Wenn dem so wäre, dann ist das also die Diskussionsgrundlage.
Wenn also beim Menschen auch zuerst ein
einkammriges Herz angelegt wird und sich dann zum
zweikammrigen Herzen entwickelt, dann deswegen, weil die
Ontogenes derselben Logik folgt wie die Phyllogenese.
Die Stammesgeschichte (Phylogenie) hat nichts mit Blättern (phyllon) zu tun.
Allerdings kann natürlich nicht davon die Rede sein, dass die
Kindesentwicklung die Evolution im Kleinen nachspielt. Manche
Entwicklungsschritte können sogar schon von Anfang an völlig
verschieden sein. (Man vergleiche z. B. die Gastrulation bei
Amphibien und Säugern).
Ja, das relativiert, Deine vorigen Aussagen etwas.
Beste Grüße,
Thomas