Gesetzgeber vs. Stammtisch
Das kann doch nicht wahr sein oder?
Doch…
In einer Diskussion (am Stammtisch) wurde folgendes behauptet:
Da gehört es auch hin…
Bei einer Auseinandersetzung zwischen einem Deutschen und
einem Türken beschimpft der Türke den Deutschen als
„Nazischwein“. Der Deutsche antwortet mit „Türkenschwein“.
Diese beiden Unanständigkeiten würden nach deutschem Recht
völlig unterschiedlich behandelt.
Sind ja auch unterschiedliche Aussagen:
Der Deutsche könnte sich einen Rechsanwalt nehmen und den
Türken zivilrechtlich wegen Beleidigung verklagen. Mit allen
finanziellen Unwägbarkeiten und Risiken für ihn.
Die ganz normale Beleidigung § 185 ff. StGB
Wohl in der Begehungsform der Äußerung eines beleidigenden Werturteils – persönliche Überzeugung, subjektive Bewertung – gegenüber dem Betroffenen durch ehrkränkende Worte („Sie sind ein Lump“), oder gegenüber einem Dritten („er ist ein Lump“),
Die Beleidigung ist ein absolutes Antragsdelikt, das wegen seiner geringen kriminellen Energie iSd Gesetzgebers, zwischen Privatpersonen, nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt wird.
Weiterhin stellt die Beleidigung ein Privatklagedelikt dar:
§ 374 (Zulässigkeit; Klageberechtigte)
(1) Im Wege der Privatklage können vom Verletzten verfolgt
werden, ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der
Staatsanwaltschaft bedarf,
- ein Hausfriedensbruch (§ 123 des Strafgesetzbuches),
- eine Beleidigung (§§ 185 bis 189 des Strafgesetzbuches), wenn sie
nicht gegen eine der in § 194 Abs. 4 des Strafgesetzbuches
genannten politischen Körperschaften gerichtet ist,
…
Im Privatklageverfahren wird der staatliche Strafanspruch
ausnahmsweise nicht durch die StA, sondern durch den Privatkläger
unter Durchbrechung des Legalitäts- wie des Offizialprinzips geltend gemacht.
Das Verfahren ist ausschließlich wegen der im Katalog des § 374
Abs. 1 aufgeführten Delikte statthaft. Bei diesen Delikten hat der Verletzte (nach § 374 Abs. 2 auch ein selbständig Antragsberechtigter) die Möglichkeit, selbst beim Amtsgericht (Strafrichter, vgl. § 25 Nr. 1 GVG) die Strafklage zu erheben. Die StA kann bei diesen Delikten den Verletzten auf den Weg der Privatklage verweisen, wenn sie ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint. Was sie bei Beleidigungen idR tun wird, da sie sich mit schwerwiegenderen Delitken beschäftigt.
Der Beleidigte muss sich also im Prinzip - wenn die Sta kein öffentl. interesse sieht - Anwaltlich vertreten lassen.
Wird der Beleidiger verurteilt, trägt er die Verfahrenskosten, also entstehen dem Beleidigten keine weiteren Kosten.
Der Türke könne zur Polizei gehen und den Deuschen anzeigen.
Danach bräuchte er nichts weiteres zu tun. Dann würde der
Staatsanwalt von sich aus aktiv und den Deutschen wegen
Volksverhetzung vor Gericht zerren.
§ 130 Volksverhetzung
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu
stören,
-
…
-
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der
Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder
verleumdet,
…
Der Unterschied zur Beleidigung liegt hier darin, das mit dem Begriff „Türkenschwein“ der ganze Türkische Teil der Bevölkerung auf den Stand von Tieren - namentlich Schweinen - herabgewürdigt wird, da der zur Rede stehende Begriff die Volksgruppe und das Tier so in Zusammenhang bringt, dass man jeden Türken automatisch als Schwein abklassifiziert.
Im gegensatz dazu, wurde der als „Nazischwein“ beschimpfte nur in Persona angesprochen. Hätte der ausländische Mitbürger geäussert „Alle Deutschen sind Nazischweine“ müsste er ebenfalls mit einer Anzeige/Verurteilung nach § 130 StGB rechnen.
Die Volksverhetzung ist nun weder ein Antragsdelikt, noch ein Privatklagedelikt, d.h. sie ist ein sog. Offizialdelikt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass IMMER ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, daher wird die STA immer ermitteln und ggf. Anklage erheben, bzw. einen Strafbefehl erwirken.
Ich kann das nicht glauben, daß diese beiden Unanständikkeiten
nach deutschem Recht soo unterschiedlich behandelt werden.
Nach gängigen Stammtischansichten mag das ja sehr unterschiedlich o sogar ungerecht sein, wenn man es sich recht überlegt wird man jedoch zu einer anderen Ansicht gelangen müssen.
M.