Artikel 17 der FIFA-Transferregelung

Moin!

Es geht um folgenden, aktuellen Fall:

Der Fußballprofi Webster will erstreiten, seinen bisherigen Verein, an den er vertraglich noch über das Ende der laufenden Saison hinaus gebunden ist, zur neuen Spielzeit verlassen zu können.

Er beruft sich dabei auf den Artikel 17 der FIFA-Transferregelung, den ich anschließend eingestellt habe.
Wie der Sportfachpresse zu entnehmen war, soll sich aus diesem Artikel ableiten lassen, daß ein Spieler vor Vollendigung seines 28. Lebensjahres dann einen Verein ungeachtet eines bestehenden Vertrages verlassen kann, wenn er

  1. ins Ausland wechselt und
  2. bereits drei Jahre bei dem „abgebenden“ Verein unter Vertrag stand.

Für Spieler, die 28 Jahre alt oder älter sind, soll desweiteren gelten, bereits nach einer zweijährigen Vertragsdauer den Verein wechseln zu können.
Als Entschädigung sollen dem abgebenden Verein Gelder in genau der Höhe zufließen, die bis zum ursprünglich vereinbarten Vertragsende noch an Gehältern an den wechselwilligen Fußballprofi zu zahlen gewesen wären. Diese Bemessung würde demnach die bisherige Praxis der Festlegung von Ablösesummen ersetzen.

Zur Zeit ist kein Fall bekannt, in dem ein Spieler von dieser Option für sich gebraucht gemacht hätte. Das heißt, bis dato konnten Spieler, abgebender und neuer Verein in der Regel über eine vereinbarte Ablösesumme die Sachlage klären. Nur in Ausnahmen wurde bei besonders wichtigen Spielern auf Einhaltung des Vertrages seitens des aktuellen Arbeitgebers gepocht und der Spieler nicht aus seinem Vertragsverhältnis entlassen.

Und um genau diese Fälle geht es nun, namentlich in der Bundesliga um den Spieler Frings.

Wer kann mir erklären, warum ausgerechnet der Artikel 17 diese strittige Frage behandeln soll, wenngleich ihm dazu explizit nichts zu entnehmen ist?
Während Vertreter deutscher Vereine der Auffassung sind, daß nationales Arbeitsrecht vorrangig zu gelten habe, ist die offizielle Haltung der FIFA die, einem Spieler unter Erfüllung der Voraussetzungen 1. + 2. (siehe oben), einen Vereinswechsel nicht verwehren zu können.
Einige Vereine der Deutschen Bundesliga haben im Zuge möglicher Konsequenzen aus diesem Artikel bereits Vertragsverlängerungen mit einzelnen Spielern vorgenommen, da man dort die Meinung vertritt, daß immer nur die Laufzeit des aktuell jeweils gültigen Vertrages maßgeblich sei und nicht die Gesamtlaufzeit aller Verträge, die der Spieler mit diesem Verein abgeschlossen habe.

Vielen Dank für eventuelle Erläuterungen!

Thorsten

Hier der besagte Artikel 17:

„REGLEMENT BEZÜGLICH STATUS UND TRANSFER VON SPIELERN“:

"Artikel 17 Folgen einer Vertragsaufl ösung ohne triftigen Grund
Löst eine Partei einen Vertrag ohne triftigen Grund auf, kommen folgende
Bestimmungen zur Anwendung:

  1. Die vertragsbrüchige Partei ist in jedem Fall zur Zahlung einer Entschädigung
    verpfl ichtet. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 20 und
    Anhang 4 zur Ausbildungsentschädigung und sofern vertraglich nichts
    anderes vereinbart wurde, werden bei der Festlegung der Entschädigung
    aufgrund eines Vertragsbruchs nationales Recht, die Besonderheit
    des Sports sowie alle anderen objektiven Kriterien berücksichtigt.
    Darunter fallen insbesondere die Entlöhnung und andere Leistungen,
    die dem Spieler gemäss gegenwärtigem und/oder neuem Vertrag
    zustehen, die verbleibende Vertragslaufzeit bis maximal fünf Jahre,
    die Höhe von Gebühren und Ausgaben, für die der ehemalige Verein
    aufgekommen ist (und die über die Dauer des Vertrags amortisiert
    wurden) sowie die Frage, ob sich der Vertragsbruch während der
    Schutzzeit ereignete.

  2. Das Recht auf Entschädigung kann nicht an Dritte abgetreten werden.
    Hat ein Berufsspieler eine Entschädigung zu bezahlen, gelten für ihn
    und den neuen Verein sowohl eine Kollektiv- als auch eine Einzelhaftung.
    Der Betrag kann vertraglich festgelegt oder zwischen den
    Vertragsparteien vereinbart werden.

  3. Im Falle eines Vertragsbruchs während der Schutzzeit kann einem Spieler
    zusätzlich zur Verpfl ichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch
    eine sportliche Sanktion auferlegt werden. Diese Sanktion besteht
    aus einer viermonatigen Spielsperre für offi zielle Spiele. In besonders
    schweren Fällen beträgt die Sperre sechs Monate. Diese Sanktionen
    treten mit Beginn der darauf folgenden Spielzeit für den neuen Verein
    in Kraft. Ein einseitiger Vertragsbruch ohne triftigen Grund oder
    sportlich triftigen Grund nach der Schutzzeit zieht keine sportlichen
    Sanktionen nach sich. Ausserhalb der Schutzzeit können Disziplinarmassnahmen
    ausgesprochen werden, wenn die Vertragsaufl ösung
    nicht fristgerecht mitgeteilt wird (innerhalb von fünfzehn Tagen nach
    dem letzten Spiel der Spielzeit). Die Schutzzeit setzt wieder ein, wenn
    die Laufzeit des alten Vertrags verlängert wird.

  4. Im Falle eines Vertragsbruchs oder bei Anstiftung zum Vertragsbruch
    in der Schutzzeit können einem Verein zusätzlich zur Verpfl ichtung,
    eine Entschädigung zu zahlen, auch sportliche Sanktionen auferlegt
    werden. Ein Verein, der einen Berufsspieler, der seinen Vertrag ohne
    triftigen Grund aufgelöst hat, unter Vertrag nimmt, macht sich der
    Anstiftung zum Vertragsbruch schuldig, es sei denn, er kann den
    Gegenbeweis antreten. Als Sanktion wird dem fehlbaren Verein für
    zwei Registrierungsperioden die Registrierung von Spielern auf nationaler
    und internationaler Ebene verweigert.

  5. Personen, die den FIFA-Statuten und -Reglementen unterstehen (Vereinsoffi
    zielle, Spielervermittler, Spieler usw.) und zur Erleichterung
    eines Spielertransfers zum Vertragsbruch zwischen dem Spieler und
    seinem Verein anstiftet, werden bestraft."

(http://www.fifa.com/documents/static/regulations/Sta…)

Unnötiger Wirbel - faktisch kein Problem

Hallo,

die Sache mit dem Artikel ist -soweit ich informiert bin- bei weitem nicht dermaßen bedeutend, wie es etwa das Bosman-Urteil war. Dies wurde in den Medien allerdings versucht so zu kommunizieren.

Bei Abschlüssen von Spielerverträgen werden diese FIFA-Transferbedingungen regelmäßig als Grundlage bestimmt. Man beruft sich also für alle nicht explizit geregelten Sachverhalte in einem Spielervertrag auf die Bestimmungen der FIFA.
Diese Vorgehensweise soll -wie sonst bei privatrechtlichen Verträgen über die AGB- erreichen, dass den Parteien „nichts durch die Hände gleitet“; also nichts übersehen wird.

Das Bosmanurteil hingegen war eine Entscheidung des EuGH zu einer vorliegenden Unvereinbarkeit nationalen Rechts (und zwar mehrer Länder) mit dem EG-Vertrag. Anders als die Regelung des Art. 17 in den FIFA Statuten, die rein „privatrechtlicher“ Natur beschlossen werden können, war im Falle Bosman ein Verstoß gegen die Freizügigkeit in Bezug auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes verletzt.

Warum spielt(e) Art. 17 bisher keine gravierende Rolle ?
Das kann damit erklärt werden, dass eben viele Vereine (die Mehrheit) die Regelungen der FIFA in ihren Spielerverträgen als Grundlage definiert haben und (!!!) diese Artikel bei Vertragsunterzeichnung (neben einigen anderen) ausgeschlossen bzw. individuell geregelt haben. Damit verliert die Regelung der FIFA ihre Gültigkeit.

In dem genannten Fall Frings verhält es sich ähnlich, da der Verein SV Werder Bremen laut eigenen Informationen diese Regelung individuell mit dem jeweiligen Spieler geschlossen hat.

Wer kann mir erklären, warum ausgerechnet der Artikel 17 diese
strittige Frage behandeln soll, wenngleich ihm dazu explizit
nichts zu entnehmen ist?

Der Artikel ist nicht nur einseitig zu verstehen (Gilt für Verein und Spieler gleichermaßen). Begeht der Spieler den Vertragsbruch, so hat ER die Entschädigung zu leisten. Diese wird dann natürlich in aller Regel von dem neuen Verein beglichen. Hier ist insb. Art. 17 Nr. 1 einschlägig.
Hier wird auch auf die explizite Möglichkeit einer individuellen Regelung Bezug genommen.

Fazit: Die Hauptnutznießer dieser Regelung waren in den vergangenen Tagen die MEDIEN. Spieler dürften davon kaum profitieren, zumindest nicht solche Spieler, die bei großen Vereinen angestellt sind und die vor allem einen „gewissen Wert“ repräsentieren.
Die Sache wird im Sande verlaufen.

VG
TraderS