Hallo Olaph,
es handelt sich um sogenannte „Ausfallleistungen“ wenn ein Unterhaltspflichtiger nach § 1603 BGB nicht zahlungsfähig ist. Allerdings stellen es Jugendämter, im Angesicht von leeren Kassen, oft anders dar. Gerichte lassen die Zahlungsunfähigkeit gelten, wenn nachgewiesen wird, dass der Unterhaltsschuldner alles unternimmt um zahlungsfähig zu werden bzw. bleiben.
Ich kopiere mal Informationen aus einem unsichtbaren Bereich eines anderen Forums hier ein. An die Mods: es ist keine Urheberrechtsverletzung, da ich der Autor des Beitrages bin.
Manche Väter (auch Mütter) können keinen vollen oder gar keinen Unterhalt an ihre minderjährigen, getrennt lebenden Kinder bezahlen. Wenn das Kind noch nicht 12 Jahre alt ist, kann die Mutter (wenn sie nicht mit dem Vater zusammenlebt, nicht – mit einem anderen Mann – verheiratet ist und mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt) beim Jugendamt den so genannten Unterhaltsvorschuss beantragen.
Welche Voraussetzungen genau nötig sind und wie der Ablauf ist, kann einer Online-Broschüre des Familienministeriums entnommen werden: http://www.behoerde.com/files/Kinder_Unterhaltsvorsc… .
Was unterhaltspflichtige Eltern beachten sollten, wenn sie vom Jugendamt zur Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses aufgefordert werden oder ihnen eine Stundung bzw. ein Zwangsvollstreckungsverzicht angeboten wird, steht nicht in der Broschüre. Soweit als möglich will ich dies hier zusammenstellen. Wer Ergänzungen und Erfahrungen hat, soll diese bitte (direkt – auf den Namen neben dem Beitrag klicken) bei mir melden:
Ich kann keinen Unterhalt bezahlen. Die Mutter des Kindes hat Unterhaltsvorschuss beantragt. Das Jugendamt hat mich angeschrieben. Muss ich jetzt meine Einkommensverhältnisse offen legen?
Ja! Sämtliches Einkommen der vergangenen zwölf Monate (bei Selbständigen/Freiberuflern 36 Monate) müssen gegenüber dem Jugendamt vorgelegt werden.
Gleichzeitig bereithalten:
Die Nachweise für die evtl. bestehenden Unterhaltsverpflichtungen gegenüber anderen leiblichen oder adoptierten Kindern.
Wenn Du zusammen mit einem leiblichen/adoptierten Kind wohnst, auch dies dem Jugendamt bekannt geben.
Falls ein Insolvenzverfahren läuft – auch das mitteilen.
Nachweise für die Bemühungen wieder „in Lohn und Brot zu kommen“ bereithalten.
Das Jugendamt hat sich meine Unterlagen angesehen und sagt, dass ich zur Zeit nicht zahlungsfähig bin. Sie bieten mir an, dass ich das Geld zurückbezahle, wenn ich wieder genügend Einkommen habe.
Dieses Angebot in dieser Form unbedingt ablehnen – nichts unterschreiben!
Das Angebot des Jugendamtes bedeutet, dass bei Dir Schulden auflaufen. Wenn Du z. B. jahrelang arbeitslos bist und dann Arbeit findest, hast Du zu den dann aktuellen Unterhaltsverpflichtungen einen großen Berg von aufgelaufenen Schulden abzutragen. Manche zahlen daran den Rest ihre Lebens und haben keine Chance mehr wieder eine Familie – ohne finanzielle Not – zu gründen.
Um diese Konsequenz zu vermeiden, hat der Gesetzgeber folgenden Paragraphen verabschiedet:
§ 1603 BGB: Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.
Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
Ein Urteil hierzu befindet sich im nächsten Beitrag hier im Thread.
Was bedeutet das Konkret?
Das bedeutet, ganz vereinfacht ausgedrückt: Wo nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren.
Wer unverschuldet nicht in der Lage ist den Unterhalt zu bezahlen ist zwar unterhaltspflichtig – aber nicht zahlungsfähig. Diese Zahlungsunfähigkeit muss auch vom Jugendamt beachtet werden.
Zahlt das Jugendamt trotzdem an mein Kind den Unterhaltsvorschuss?
Ja, wenn die sonstigen Voraussetzungen (siehe Merkblatt) erfüllt sind. Die Zahlungen werden dann beim Jugendamt als Ausfallleistungen verbucht.
Ich konnte bis letzten Monat keinen Unterhalt bezahlen. Jetzt habe ich Arbeit gefunden und dies dem Jugendamt gemeldet. Sie bieten mir an, dass ich den, in der Vergangenheit bezahlten, Unterhaltsvorschuss jetzt in Raten zurückbezahle.
Auf keinen Fall auf dieses Angebot eingehen, nichts unterschreiben und keine einzige Rate bezahlen. Wie oben geschrieben, warst Du in der Vergangenheit zwar unterhaltspflichtig aber nicht zahlungsfähig. Durch eine Ratenzahlung oder durch die Unterschrift erkennst Du freiwillig eine Zahlungspflicht an, die wegen der nach § 1603 BGB bestehenden Vorschrift nicht vorhanden war. Du wirst dann die gesamten aufgelaufenen Unterhaltsrückstände abtragen müssen.
Es gibt keinen Titel über den Kindesunterhalt, trotzdem erhielt ich heute die Aufforderung vom Jugendamt/Kindesmutter dass ich den rückständigen Unterhalt bezahlen muss, obwohl ich damals kein Einkommen hatte.
Die Rückzahlung von Schulden - egal, ob reale oder fiktive - bedarf keines schriftlichen „Anerkenntnisses“.
Grundsätzlich kennt man in Deutschland drei Formen der Vertragsgestaltung: mündlich, schriftlich und konkludent, also ein Vertrag durch Verhalten (z.B. das Bieten in einer Auktion).
Ein konkludentes Vertragsverhältnis liegt z.B. schon vor, wenn Du einer Zahlungsaufforderung vorbehaltlos folgst. Damit hast Du die Forderung anerkannt und stehst in einem Schuldverhältnis zur Behörde.
Gegen private ungerechtfertigte Forderungen gibt es noch die Möglichkeiten des Irrtums, aber gegenüber der öffentlichen Hand sind die Möglichkeiten des Bürgers stark eingeschränkt.
Du müßtest schon sehr gewichtige Gründe für Deinen Irrtum anbringen.
Mit anderen Worten: wenn Du eine Rate von nur einen Cent bezahlst oder über eine Ratenzahlung verhandelst. Dann hast Du bereits die unberechtigte Forderung als berechtigt anerkannt.
Wann bin ich unverschuldet Zahlungsunfähig?
Wenn Du Deinen Arbeitsplatz nicht mutwillig, freiwillig und absichtlich verloren hast.
Wenn Du mindestens 20 bis 30 (zwanzig bis dreißig) ernsthafte Bewerbungen pro Monat und deren Absagen gegenüber dem Jugendamt und/oder dem Gericht nachweisen kannst.
Wenn Du nichts dafür kannst, dass sich Dein Einkommen verringert hat – also wenn Du nicht absichtlich eine schlechter bezahlte Stellung angenommen oder z. B. die Arbeitszeit reduziert hast.
Bei Selbständigen/Freiberuflern: wenn sich nachweislich durch geeignete Maßnahmen bemüht wurde, den Umsatz zu steigern. Evtl. auch hier einen Berufswechsel mit den entsprechenden Bewerbungen in Erwägung ziehen.
Das Jugendamt pocht weiter auf die Zahlung nach dem früheren Titel und droht mit Pfändung, obwohl ich unverschuldet meinen Arbeitsplatz verloren habe.
Dann sofort mit den nötigen Unterlagen (telefonisch erfragen) zum Amtsgericht gehen und dort einen Beratungsschein für einen Anwalt beantragen. Damit zum Anwalt und dort beraten lassen, ob eine Abänderungsklage mit Pfändungsstopp beim Gericht Aussicht auf Erfolg hat. Für die Abänderungsklage wirst Du vermutlich Prozesskostenhilfe (PKH) bekommen.
Ich habe in der neuen Beziehung ein Kind bekommen. Mein Einkommen hat sich nicht erhöht, kann der bisherige Titel angepasst werden, da ich ja jetzt für mehr Kinder unterhaltspflichtig bin als früher.
Ja! Wenn Du (dadurch) ein so genannter „Mangelfall“ bist, müssen die Unterhaltszahlungen an die früheren Kinder reduziert werden. Vergleiche das mit einem Kuchen. Wenn ein Esser mehr am Tisch sitzt als ursprünglich geplant, müssen die Stücke vom Kuchen dann eben kleiner gemacht werden.
Aber nicht einfach nur die Unterhaltszahlungen reduzieren. Wenn das Jugendamt keine endgültige Abänderung des bisherigen Titels genehmigt, also auf den fehlenden Betrag verzichtet, auch hier eine Abänderungsklage mit Pfändungsstopp machen.
Das Jugendamt bietet mir einen Zwangsvollstreckungsverzicht an. Was ist damit?
Den Zwangsvollstreckungsverzicht nur unterschreiben, wenn Dir schriftlich zugesichert wird, dass damit keine Schulden auflaufen. Dass also das Jugendamt auf die Beitreibung des Betrages, den Du nicht zahlen kannst oder konntest, verzichtet.
Ich habe gekündigt um zu meiner neuen Freundin in eine andere Stadt zu ziehen. Gilt das Obige auch für mich?
Vermutlich nicht! Das fällt wohl eher in die Kategorie, dass Du, aus Sicht Deiner Unterhaltsverpflichtung, mutwillig Deinen Arbeitsplatz aufgegeben hast. Hier wirst Du mit einer Stundung, Ratenzahlung usw. zufrieden sein müssen.
Tipp: schnellstens und ausreichend bemühen (20 bis 30 ernsthafte Bewerbungen pro Monat) einen Arbeitsplatz zu finden. Nach einem ½ bis 1 Jahr (genaue Frist ist hier nicht auszumachen), dürften dann auch die Tipps für Dich gelten. Danach hast Du evtl. die Chance eine Abänderung des bisherigen Titels durch eine Abänderungsklage zu erreichen. Bis dahin laufen Schulden auf.
Ich musste wegen Krankheit meinen Arbeitsplatz aufgeben und verdiene jetzt weniger.
Hier wirst Du bei Gericht durch hieb- und stichfeste Atteste die Begründetheit des Einkommensverlustes nachweisen müssen. Gefälligkeitsatteste nutzen da gar nichts, da meist eine Untersuchung beim Amtsarzt gefordert wird.
Ich bin Student/Schüler/Azubi und vor kurzem Vater geworden und lebe nicht mit der Mutter des Kindes zusammen. Das Jugendamt verlangt, dass ich den Mindestsatz an Unterhaltszahlungen tituliere.
Auch hier gilt der oben zitierte § 1603 BGB. Den Titel nicht unterschreiben! Es ist schwierig bis völlig unmöglich diese „freiwillige“ Verpflichtung, die Du ja unterschrieben hast obwohl Du wusstest dass Du nicht zahlungsfähig bist“ nachträglich abändern zu lassen.
Was ist ein Selbstbehalt?
Der Selbstbehalt ist der Betrag der einem Unterhaltspflichtigen, nachdem das Einkommen um die abzugsfähigen Kosten bereinigt wurde, zum eigenen Leben verbleiben muss. Dieser Betrag ist in den neuen und alten Bundesländern unterschiedlich. Er ist zu finden in der Düsseldorfer Tabelle bzw. für die neuen Bundesländer in der Berliner Tabelle. Was vom Einkommen sonst noch vor der Berechnung des Unterhaltes abgezogen werden darf ist in den Unterhaltsleitlinien (manchmal auch Unterhaltsrichtlinien) des zuständigen Oberlandesgerichtes festgelegt. Die Home Page des zuständigen Oberlandesgericht aufsuchen und den „Wegweisern“ folgen.
Noch ein Tipp:
Die ARGE (früher Arbeitsamt) muss auf Antrag einen Zuschuss zu den Bewerbungen bezahlen. Wie das funktioniert kann im Anhang unten nachgelesen werden.
In der Düsseldorfer Tabelle findest Du auch, wieviel Kindesunterhalt Du bezahlen musst.
Wenn Du weitere Fragen hast, stelle sie bitte im Forum. Es wird Dir, soweit als möglich, gerne geholfen werden.
Als Beispiel ein Urteil hierzu:
Abschrift ohne 1. Teil TATBESTAND
Amtsgericht Wedding (Berlin)
Geschäftsnr.: 7 C 323/98
In dem Rechtsstreit Land Berlin, v. d. Bezirksamt Weißensee, Abt. Familie, Jugend und Sport, ges. vertr. d. Amtsleiter XXXX XXXXXX,
Berliner Allee 252, 13088 Berlin,
gegen
Herrn XXXX XXXX
13353 Berlin
hat das Amtsgericht Wedding, Abt. 7,
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 1999
durch den Richter am Amtsgericht Dr. XXX
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar (wurde rechtskräftig)…
TATBESTAND
…
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch in Höhe von 9.237,-DM aus dem §§ 7UVG, 1601ff.BGB. Der Beklagte ist im Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 30. April 1998 nicht leistungsfähig im Sinne §§1603 Abs.1 BGB gewesen.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagte in diesem Zeitraum seinem Studium nachgekommen ist und daher kein geregeltes Einkommen bezogen hat. Es kann vorliegend auch nicht auf die fiktiven Einkünfte des Beklagten abgestellt werden. Bei der Unterlassung zumutbarer Arbeitsleistung ist dem Unterhaltsschuldner die Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit nach Treu und Glauben versagt und auf die fiktiven Einkünfte abzustellen (Dietrichsen in Palandt, BGB. §1603 RdNr.9), es muß jedoch dem Unterhaltschuldner ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten zur Last zu legen sein (Palandt, aaO).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar gibt auch Art. 12 GG nicht das Recht, zum Zwecke nicht hinreichend konkretisierter Arbeitsplatzsicherung Aufwendungen für die weitere Ausbildung und so auch für ein Studium zu tätigen (Palandt, aaO, RdNr10). Vorliegend hat zwar der Beklagte eine Erstausbildung, er hat jedoch substantiiert, dass er mit dieser Ausbildung weder in der ehemaligen DDR noch nach seiner Flucht im Jahre 1984 in die Bundesrepublik .eine Berufschance hatte.
Er hat auch ein Schreiben des Arbeitsamtes Berlin Nord vom 21. September 1998 vorgelegt, nachdem für Fahrzeugpolsterer kaum bzw. keine Vermittlungschancen bestanden. Im gesamten Bundesgebiet seien nur zwei offene Stellen gemeldet.
Demnach hat der Beklagte auch unbestritten die ersten 4 ½ Jahren in der Bundesrepublik als Krankenpfleger gearbeitet. Es kann daher nicht als verantwortungslos angesehen werde, dass der beklagte das Abitur nachholte und sich für den hinsichtlich der Berufsausbildung chancenreichen Weg des Studiums im Fach Umweltmanagement entschied.
Die Kostenentscheidung folgt §§ 91 Abs.1. 269 Abs. 3 ZPO
(Dr.XXX)
Das Urteil wurde Rechtskräftig, weil dass Amt nicht in Berufung ging.
Ein realer Fall aus diesem Forum:
Jugendämter üben oft mit unfairen Mitteln Druck aus, um zahlungsunfähige Väter zu einer Unterschrift zu nötigen, mit der sie dann in eine Schuldenfalle stolpern.
Man muss es sich nicht gefallen lassen.
tfpmr hat hierzu folgendes geschrieben:
Hallo @ll
nachdem mein Sachbearbeiter bei der Unterhaltsvorschusskasse mich Jahre ignoriert hat, stellte ich im Dezember 2004 Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Sachbearbeiter der UVK mit Androhung einer gerichtlichen Regelung.
Nun das Ergebnis: Sie Stellen zurecht fest, dass Ihre Leistungsunfähigkeit im fraglichen Zeitraum von 01.10.2002 (Zahl falsch) bis zur Einstellung der Leistungen für MXXXX RXXXXX am 12.09.2004 …(Siehe Anhang)
BGB (Bürgerliches Gesetz Buch) § 1603
Der Unterschied zwischen Unterhaltsvorschussleistungen und Ausfallleistungen?
UVL ist quasi ein Kredit.
Ausfallleistungen trägt der Staat .
Das anonymisierte Schreiben dieses Jugendamtes kann ich hier leider nicht anhängen. Wenn Interesse besteht, bitte direkt bei mir melden.
Gruß
Ingrid