Kindesentzug - Rolle der Kita/Schule

Hallo,

ich habe mal folgende theoretische Überlegungen:

Es sei in einem städtischen Kindergarten ein Kind, deren Eltern sich plötzlich trennen.
Die Mutter des Kindes spricht die Erzieherin an, dass sie (die Mutter) es gerne hätte, dass der Vater das Kind künftig nicht mehr abholt.
Die Kita muss die Bitte abschlagen, weil beide Eltern sorgeberechtigt sind. Die Mutter wurde darauf hingewiesen, dass sie sich dringend beim JA beraten lassen soll - besonders, wenn sie befürchtet, dass der Kindsvater - mit sozialem Netz im Ausland - mit dem Kind verschwindet.
Die Kita wies darauf hin, dass sie die Herausgabe nur verweigern kann, wenn die Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht habe.
Ansonsten kann die Kita nur anbieten, die Mutter anzurufen, sollte der Vater das Kind abholen wollen.

Ist die Kita damit wirklich auf der rechtlich sicheren Seite?
rechtlich kann ich mir zwar auch nichts anderes vorstellen, aber ob das moralisch und nach gesundem Menschenverstand so okay ist, weiß ich halt nicht.

Danke

Nicolle

Hallo,

die Kita verhält sich mE in jeglicher Hinsicht vollkommen korrekt.
Es kommt nicht nur darauf an, was ein Elternteil „gerne möchte“.
Die Kita kann auch nicht überprüfen, ob die Sorgen bezüglich Kindesentzug nicht evtl. vollkommen aus der Luft gegriffen sind und die Mutter nicht einfach nur probiert im laufenden „Rosenkrieg“ Treffer zu landen.
Die Mutter hat von der Kita den einzig richtigen Rat bekommen: Klärung der Angelegenheit beim Jugendamt - alles andere wäre in diesem Fall eine Art von Selbstjustiz.

&Tschüß
Wolfgang

Hallo,

Ist die Kita damit wirklich auf der rechtlich sicheren Seite?

nur so ist sie auf der sicheren Seite. Würde sie dem Kindsvater das Kind verweigern, wäre genau das rechtswidrig.
Woher weiss denn die Kita, wer der „Gute“ und wer der „Böse“ ist? Sie kennt offenbar nur eine Seite.

…aber ob das moralisch und nach gesundem Menschenverstand so okay ist, weiß ich halt nicht.

solange man nur eine Seite kennt, wäre das sogar gegen den „gesunden Menschenverstand“.

Ich kann mir nur eine Möglichkeit vorstellen, dem Kindsvater das Kind vorzuenthalten: Wenn die Kita weiss oder klar erkennen kann, dass der Vater ganz klar und massiv gegen das Kindswohl verstößt (wenn er z.B. stockbesoffen das Kind mit dem Auto abholen will).

Gruss

Iru

Ist die Kita damit wirklich auf der rechtlich sicheren Seite?
rechtlich kann ich mir zwar auch nichts anderes, aber ob das
moralisch und nach gesundem Menschenverstand so okay ist, weiß ich
halt nicht.

Hi, was hat den Recht mit Moral und gesundem Menschenverstand zu tun?
Die Kita darf nur den rechtlichen Standpunkt vertreten und so, wie das geschildert wird, tut sie das auch.
MfG ramses90

Hallo,

es gibt gesetzliche Regelungen und auch schon entsprechende Rechtsprechung:

Grundlage hierfür ist
§ 1687 BGB Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben:
(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.

Die Organisation der Abholung des Kindes vom Kindergarten ist grundsätzlich eine Angelegenheit des täglichen Lebens.
Das sehen auch die Gerichte so. Hier wörtliche Zitate aus dem Beschluss des OLG Bremen (Az.: 4 UF 39/08 vom 01.07.2008) - : http://openjur.de/u/31927.html
„…Die Kindeseltern, die die elterliche Sorge für die im Haushalt der Mutter lebende Tochter N. gemeinsam ausüben, streiten darum, ob die Kindesmutter allein entscheiden kann, wer das Kind vom Kindergarten und demnächst von der Schule abholen darf oder ob darüber eine gemeinsame Elternentscheidung zustande kommen muss.…“
„… Die Beschwerde des Kindesvaters ist zulässig (§§ 621e, 612 Abs.1 Nr. 1, 517 ff. ZPO), sie hat aber keinen Erfolg. Die Entscheidung darüber, wer das Kind vom Kindergarten, Hort oder Schule abholen darf, ist eine Entscheidung des täglichen Lebens i.S.d. § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB. Sie ist Bestandteil der Alltagssorge, sie kann daher von der Mutter, bei der N. lebt, allein getroffen werden (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB).
Angelegenheiten des täglichen Lebens sind häufig vorkommende Situationen, die zwar eine sorgerechtliche Entscheidung der Eltern erfordern, deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes aber ohne Aufwand wieder abänderbar sind (vgl. § 1687 Abs.1 S. 3 BGB). Damit fallen beispielsweise die real im Vordergrund stehenden Fragen der Betreuung im Alltag einschließlich derjenigen, die das schulische Leben betreffen, in die Alleinentscheidungsbefugnis desjenigen Elternteiles, bei dem das Kind rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1687 Rn. 7). Wie die Teilnahme des Kindes an Tagesausflügen und Klassenreisen in Schule und Kindergarten, seine Freizeitgestaltung, die Bestimmung des Urlaubs und der Umgang mit Freunden Angelegenheiten des täglichen Lebens sind (vgl. die Nachweise bei Schilling, a.a.O., S. 3236), ist dies auch die Frage, wer das Kind von Kindergarten, Hort oder Schule in den Haushalt des rechtmäßig betreuenden Elternteiles begleitet. Die Notwendigkeit für eine solche Entscheidung kann sich immer wieder, vor allem oft relativ kurzfristig stellen, wenn die Mutter - aus welchen Gründen auch immer - das Kind nicht selbst abholen kann. Mit der Entscheidung über die Frage der Begleitung werden weder Weichen für die Zukunft des Kindes gestellt (wie etwa bei der Frage der Anmeldung zu einem bestimmten Schulzweig), noch hat sie in anderer Weise schwer abzuändernde Auswirkungen auf seine Entwicklung.
Soweit der Kindesvater darauf abstellen will, dass die Abholproblematik wegen der besonderen Situation zwischen den Eltern gerade kein alltägliches Problem sei, spricht er damit seine Sicht der Dinge an. Die Abgrenzung zwischen gemeinsamer und alleiniger Entscheidungsbefugnis muss aber, soll sie praktisch brauchbar bleiben, nach objektiven Gegebenheiten getroffen werden und sich an der sozialen Bedeutung der Angelegenheit messen lassen (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1687 Rn. 11). Danach ist die Bedeutung der hier angesprochenen Angelegenheit gering, zumal auch nicht zu erwarten ist, dass das vorliegende Problem, das als Alltagsproblem zu bezeichnen ist, unversehens ins Grundsätzliche umschlagen und damit dann auch erhebliche Bedeutung für das Kind gewinnen kann (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rn. 6).
Soweit der Vater eine gemeinsame Entscheidung mit Rücksicht darauf einfordert, dass er anderenfalls N. nicht von Schule und Kindergarten abholen dürfe und der Kontakt des Kindes zu ihm deshalb leide, ist dies in erster Linie ein Problem des Umgangs des Vaters mit seinem Kind (§ 1684 BGB), keine Frage der gemeinsamen Sorge……“

Der von dir geschilderte Fall ist doch ganz anders gelagert, als der Fall von mir.

In meinem Fall geht es darum, ob der Kiga die Herausgabe eines Kindes an ein sorgeberechtigtes Elternteil verweigern darf, und nicht darum, ob bei getrennt lebenden Eltern, Mutter allein bestimmen darf, ob Tante Trude den Paul am Montag abholt.

Nicolle

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Hallo,

das Ergebnis ist in beiden „Geschichten“ das Gleiche: Mutter bestimmt, wer das Kind abholen darf. Somit bestimmt sie auch, wer es nicht abholen darf.

Sie legt beispielsweise fest, dass Tante Frieda, Oma Walburga und Freundin Eva das Kind abholen darf. Dabei legt sie fest, dass nur diese Personen das Kind mitnehmen dürfen. Papa Egon ist nicht festgelegt und bekommt somit das Kind nicht.

Der Kindergarten muss sich an diese Vorgaben der Mutter halten. Einen ähnlichen Fall habe ich vor kurzer Zeit in meiner Nachbarschaft erlebt.

Der Kindergarten wollte sich nicht an die Weisung der Mutter halten, dass der mitsorgeberechtigte Vater das Kind nicht mitnehmen darf. Der eingeschaltete Anwalt der Mutter hat dann das Urteil des OLG Bremen und den von mir zitierten Paragrafen an den Träger des Kindergartens (eine Kirchengemeinde) geschickt.

Die Kirchengemeinde hat dann die Rechtsabteilung des Bischofs befragt und die haben es haargenau so gesehen, wie ich oben geschrieben haben.

Seither bekommt der Vater das Kind im Kindergarten nicht mehr ausgehändigt.

Ist ja auch logisch, anhand der Rechtsprechung und des Gesetzes. Das gesamte Urteil im Internet suchen und genau lesen. Wenn die Mutter bestimmt, wer abholt und der Vater nicht in der Liste mit drin ist, darf er nicht abholen. Der Kindergarten bestimmt hier nicht, sondern die Mutter und der Kindergarten hält sich an die Bestimmung.

Gruß
Ingrid

Hallo noch mal

" Papa Egon

ist nicht festgelegt und bekommt somit das Kind nicht.
"

In den Bestimmungen der städtischen Kitas in Berlin muss ein sorgeberechtigter Elternteil nicht als abholberechtigt bestimmt werden, sondern ist automatisch durch das Sorgerecht abholberechtigt.

Ich vermute, dass in „Deinem“ Fall die Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein hat.
In „meinem“ Fall sind die Eltern erst ein paar Tage getrennt und die Eltern haben noch nichts geklärt, was Sorgerecht, Umgang, Unterhalt usw. betrifft.

Nicolle

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Hallo,

" Papa Egon

ist nicht festgelegt und bekommt somit das Kind nicht.
"

In den Bestimmungen der städtischen Kitas in Berlin muss ein
sorgeberechtigter Elternteil nicht als abholberechtigt
bestimmt werden, sondern ist automatisch durch das Sorgerecht
abholberechtigt.

Gesetze und Urteile sind höherwertig als Bestimmungen eines städtischen Kindergartens! Auch die müssen sich an die Gesetze und Urteile halten.

Ich vermute, dass in „Deinem“ Fall die Mutter das
Aufenthaltsbestimmungsrecht allein hat.

Hat sie nicht! Das ABR (Aufenthaltsbestimmungsrecht) kann nur ein Gericht vergeben. Wenn gemeinsames Sorgerecht besteht, haben automatisch beide Eltern auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Die Abholberechtigung hat nichts mit dem ABR zu tun. Im Urteil steht ja, dass die Mutter die „alltägliche Sorge“ ausübt und somit bestimmt, wer abholt.

In „meinem“ Fall sind die Eltern erst ein paar Tage getrennt
und die Eltern haben noch nichts geklärt, was Sorgerecht,
Umgang, Unterhalt usw. betrifft.

Sorgerecht, ABR wird vom Richter nur in ganz wenigen Ausnahmefällen einem Elternteil alleine übertragen.

Umgangsrecht hat der Vater ganz automatisch. Es gibt nur ganz wenige Fälle, in denen das Umgangsrecht eingeschränkt ist.

Unterhalt muss er zahlen nach seiner Leistungsfähigkeit. Gibt es hierüber keine Einigung, entscheidet auch der Richter (und nicht die Jugendämter).

Es spielt für die Abholung vom Kindergarten keine Rolle, ob die Eltern schon ewig lange getrennt sind oder sich erst gestern getrennt haben. Kind lebt bei einem Elternteil und dieser entscheidet wer abholt. So einfach ist das und man muss es nicht mehr komplizieren als es eh schon ist.

Gruß
Ingrid