Getrennter Haushalt - gemeinsame Veranlagung

Guten Morgen liebe www-ler,
stellt Euch vor, ein Ehepaar hat erhebliche Differenzen, möchte nicht gleich das Handtuch werfen und sich endgültig trennen, sondern es durch zwei verschiedene Wohnungen und den entsprechenden Abstand noch einmal versuchen und die Ehe auf alle Fälle weiterführen. Wie geht man bei der Einkommensteuererklärung vor - kann man gemeinsam veranlagen? Wo sind genaue Richtlinien festgehalten?

Vielen Dank!
Alex

Hallo, Alex,

Ehegatten leben dauernd getrennt, wenn sowohl die eheliche Lebens- als auch die Wirtschaftsgemeinschaft aufgelöst ist. Der steuerliche Begriff des Getrenntlebens stimmt nicht vollständig mit dem eherechtlichen Begriff überein. Sog. Versöhnungsversuche (§ 1567 Abs. 2 BGB), bei denen die Ehegatten zeitweise wieder zusammenleben, unterbrechen steuerlich das Getrenntleben und eröffnen damit die Möglichkeit der Zusammenveranlagung. Zivilrechtlich unterbrechen sie dagegen nicht die Frist von einem Jahr, nach dessen Ablauf bei getrennt lebenden Ehegatten die Ehe als zerrüttet gilt (§ 1566 BGB).
Im Ehescheidungsverfahren werden die Erklärungen der Ehegatten über das Getrenntleben regelmäßig nicht überprüft. Haben die Ehegatten dort wahrheitswidrig vorgetragen, sie hätten in der gemeinsamen Wohnung getrennt gelebt, ist diese Erklärung für das Steuerrecht nicht bindend. Die geschiedenen Ehegatten können dann bis zum Jahr der Scheidung zusammenveranlagt werden.
Der wichtigste Anhaltspunkt für ein dauerndes Getrenntleben der Ehegatten liegt für die Praxis in der räumlichen Trennung. Erforderlich ist daneben jedoch, dass zumindest einer der Ehegatten diese Trennung auf Dauer aufrechterhalten will. Eine durch äußere Umstände erzwungene Trennung steht deshalb einer Zusammenveranlagung nicht entgegen, wenn die Ehegatten diese Trennung baldmöglich wieder beenden wollen. I. d. R. werden die Finanzämter insoweit den Angaben der Ehegatten folgen. Das gilt allerdings dann nicht mehr, wenn diese Angaben nach den äußeren Umständen fragwürdig erscheinen. Eine Zusammenveranlagung kommt dann regelmäßig nicht mehr in Betracht (und zwar ab dem nächsten Kalenderjahr), wenn einer der Ehegatten die Scheidung beantragt hat.

Hier noch einige BFH-Urteile:

"BFH, Urteil vom 05.10.1966 - VI 42/65
Eheleute leben im Sinne des § 26 EStG 1960 nicht dauernd getrennt, solange die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht.
Leben Ehegatten durch zwingende äußere Umstände für unabsehbare Zeit räumlich getrennt, so kann die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft doch noch bestehen, wenn die Ehegatten die Absicht haben, diese Gemeinschaft im Rahmen des Möglichen aufrechtzuerhalten und nach Wegfall der Hindernisse die volle eheliche Gemeinschaft wieder herzustellen.
Die Finanzbehörden haben die Angaben der Ehegatten, sie lebten nicht dauernd getrennt, in der Regel der Einkommensbesteuerung zugrunde zu legen, wenn der äußere Anschein dafür spricht, daß eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht, besonders wenn die Ehegatten räumlich zusammenleben.

BFH, Urteil vom 13.12.1985 - VI R 190/82
Ein dauerndes Getrenntleben i.S. des § 26 EStG ist gegeben, wenn die zum Wesen einer Ehe gehörende Lebensgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr besteht, wobei einer auf Dauer herbeigeführten Trennung bei Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernden Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 15.6.1973 VI R 150/69). Für ein Getrenntleben i.S. des § 1567 BGB ist nach der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung eine vollkommene Trennung der Ehegatten erforderlich. Erklären Eheleute, sie lebten getrennt i.S. des § 1567 BGB, so schließt dies ein dauerndes Getrenntleben i.S. des § 26 EStG in der Regel mit ein.

BFH, Urteil vom 15.06.1973 - VI R 150/69

  1. Ehegatten leben dauernd getrennt im Sinne des § 26 Abs. 1 EStG, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr besteht. Einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung wird bei Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernden Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommen. Der Fortbestand des Güterstandes der allgemeinen Gütergemeinschaft ist kein Indiz für das Weiterbestehen einer ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft, wenn der Güterstand auf die Verwendung des Einkommens für die Bedürfnisse der Familie ohne Einfluß ist.
  2. Der Senat hält an der im Urteil vom 17. Juli 1970 VI 337/64 (BFHE 99, 537, BStBl II 1970, 739) vertretenen Auffassung fest, daß die Einzelveranlagung dauernd getrennt lebender Eheleute mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

BFH, Urteil vom 27.08.1971 - VI R 206/68
Ehegatten leben im Sinne des § 26 EStG nicht dauernd getrennt, wenn sie zwar räumlich getrennt leben, aber den Willen haben, die Ehe aufrechtzuerhalten und die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Ob dies der Fall ist, ist nach dem Gesamtbild des Einzelfalls zu entscheiden, wobei dem Bestehen der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft besondere Bedeutung zukommt.

BFH, Urteil vom 05.10.1966 - VI R 184/66
Ein dauerndes Getrenntleben von Eheleuten ist anzunehmen, wenn das Gesamtbild ihrer gegenseitigen Beziehungen dafür spricht, daß die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben ist. Die Benutzung getrennter Wohnräume kann in Verbindung mit anderen Umständen ein Merkmal hierfür sein."

Hoffe, geholfen zu haben.

mfG
HGS