Brauchen Menschen Religion?

Hallo!
Der Gedanke kam mir grad im Zusammenhang mit dem aktuellen Threat „Wo waren die Götter“: Brauchen die Menschen Religion?

Meine These: Ja! Jeder, wirklich jeder, hat seine Religion, die ihm sagt, was der Sinn des Lebens und alles übrigen ist, sogar Atheisten: Bei denen spielt eben die Wissenschaft die Rolle, die für andere ihr Gott, Jahwe, Allah, Brahma oderwasweissichnochalles spielt.

Stimmt ihr zu, oder is das Quatsch?

VG
Christian

Hallo!

Nein!

Meine These: Ja! Jeder, wirklich jeder, hat seine Religion,
die ihm sagt, was der Sinn des Lebens und alles übrigen ist,
sogar Atheisten: Bei denen spielt eben die Wissenschaft die
Rolle, die für andere ihr Gott, Jahwe, Allah, Brahma
oderwasweissichnochalles spielt.

Wenn du natürlich so eine Wischiwaschi-Definition von Religion zu Grunde legst, bei der jede Weltanschauung, jede Überzeugung, ja jede Meinung zur Religion erklärt wird, dann sind natürlich alle Leute religiös.

Fritz

Servus Fritz!

Wenn du natürlich so eine Wischiwaschi-Definition von Religion
zu Grunde legst, bei der jede Weltanschauung, jede
Überzeugung, ja jede Meinung zur Religion erklärt wird, dann
sind natürlich alle Leute religiös.

Wie ist deine Definition von „Religion“ ?

Das tät mich wirklich sehr interessieren…

Einen lieben Gruß!
Helene

Servus, Helene!

Duuu kannst fragen! :wink:

Am liebsten verwiese ich dich etwa an Jacob Burckhardts einschlägige Kapitel in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ verweisen;
oder an den Artikel des Wörterbuchs des Christentums, oder an deinen Liebling Grimm. :wink:

Was ich aber für entscheidend an Religion halte ist das:

_ Religion
[lateinisch], in umfassender Bedeutung „eine Weise menschlichen Existierens aus der Relation zu einem letzten Sinn-Grund” (H. R. Schlette), wobei dieser Sinn gewährende Grund in den einzelnen Religionen entweder überweltlich oder innerweltlich verstanden und entsprechende praktische Konsequenzen in Ethik und/oder Kultur von der jeweiligen Religionsgemeinschaft gezogen werden._

Religion gibt also die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Menschen zu Gunsten eines dubiosen Wesens ab.

Und Religion ist das fieseste Machtmittel, das bisher noch nie irgendwo auf der Welt zum Nutzen der Menschen eingesetzt wurde. Vielleicht zum Nutzen einer Kaste, einer Organisation, einer Clique, aber nie für mehr!

So viel in aller Kürze!

Fritz

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„eine Weise
menschlichen Existierens aus der Relation zu einem letzten
Sinn-Grund” (H. R. Schlette)

eine gute definition! was ist die negation davon, also das unreligiöse? eine weise menschlichen existierens ohne den gedanken an einen letzten sinngrund, d.h. dem unreligiöse ist es also wurst, ob es so eine relation überhaupt gibt, sie hat keine bedeutung und keinen sinn für ihn.

es gibt aber noch eine andere negation: eine weise menschlichen existierens aus der nicht-relation zu einem letzten sinn-grund.

und das ist aber leider die mehrheit derer, die sich unreligiös nennen: sie wissen ganz genau was der sinngrund sein soll, weil sie das durch ihre sozialisation gelernt haben, und sie wettern ihr lebtag dagegen. alle religionen sind böse, machtmittel, kirchen sind böse, religiöse sind dumm und verblendet. es werden dinge „widerlegt“ und polemisch verhöhnt, zb. jungfrauengeburt, wunder, gottglauben und anderes.

das sind für mich ebenfalls „gläubige“ menschen, die sich die negation der religion und den kampf dagegen zur religion gemacht haben.

gruß
datafox

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das sind für mich ebenfalls „gläubige“ menschen, die sich die
negation der religion und den kampf dagegen zur religion
gemacht haben.

Wie sagt man zu so einer Argumentationsweise?
Sophistisch? Dem andern das Maul im Wort verdrehen?

Oh, schon gut, datafox,

hätte ich nicht einen Lachs-Gemüse-Eintopf auf dem Herd, so fiele meine Antwort umfänglicher aus.

Zuvor, mein Kompliment! Du verstehst es glänzend, auf der uralten Klaviatur der Apologeten seit Tertullian zu spielen. Es ist auch noch die gleiche Weise.

Zuerst werden die Gläubigen als glückliche, unschuldige Schafe dargestellt.

Dann die Kritiker zu Wölfen stilisiert, die selber gern Schafe wären, es aber wegen charakterlichen und geistigen Defekten oder wegen eines persönlichen negativen Erlebnisses nicht sein können.

Deshalb sind sie auch so neidisch auf die glücklichen Schafsköpfe und setzen alles daran, denen ihr wollig-wiesig-grasiges-wiederkäuendes Schafsleben zu vermiesen.

Dabei wollen die „Nichtschafe“ nur unbehelligt von den Schafsmassen leben und verteidigen sich gegen deren Anmaßungen.

Ich darf auch noch mal an Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums" erinnern.
Dort wird gezeigt, wie wölfisch die an die Macht gelangten Schafe und vor allem die Schäfer sein können.

Beste Grüße
Fritz

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Manche brauchen Religion
Hallo Christian

Lass es mich mal heute mit Goethes Faust beantworten:
„Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
der hat auch Religion.
Wer jene beiden nicht besitzt,
der habe Religion!“

Gruss, Branden

nunja, ich seh es anders.
wenn einem etwas nichts bedeutet, dann stört es einen auch nicht.

zur kriminalgeschichte: kenne das buch nicht, aber was drin steht weiß man doch. wenn politik und religion sich vermischen, dann kommt sowas raus. heute halte ich den islam für weit gefährlicher als christen. dennoch stört es mich nicht, wenn um 5 der muezzin schreit. komisch nicht wahr. vielleicht weil ich die echte gefahr von der religion trennen kann?

gruß
datafox

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Gott sei Dank

und das ist aber leider die mehrheit derer, die sich
unreligiös nennen: sie wissen ganz genau was der sinngrund
sein soll, weil sie das durch ihre sozialisation
gelernt haben, und sie wettern ihr lebtag dagegen. alle
religionen sind böse …

Man könnte sie auch zitieren frei nach Lukas 18.11:

„Ich danke dir, Gott, daß ich nicht so bescheuert bin, wie alle diese religiösen Menschen da hinten!“

Gruß

Metapher

Hallo, Branden,

nicht alle klugen Verslein Goethes stehen im Faust.

Das hier:

„Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
der habe Religion!“

findet sich in den Zahmen Xenien des Nachlasses.

Gruß
Fritz

Man könnte sie auch zitieren frei nach Lukas 18.11:

„Ich danke dir, Gott, daß ich nicht so bescheuert bin, wie
alle diese religiösen Menschen da hinten!“

… eine sehr eigemwillige Interpretation des alten Lukas, mein Lieber! Auch dieses sicher wieder „ein Kleinod an Rhetorik“. Nichts für ungut :wink:)

Gruß, Stucki

Super! Das ist hervorragend beschrieben, das hat mir Spaß gemacht, das zu lesen!

Ich bemerke bei all den Diskussionen hier und auch woanders immer wieder zwei Hauptargumente der Religiösen:

Dabei wollen die „Nichtschafe“ nur unbehelligt von den
Schafsmassen leben und verteidigen sich gegen deren
Anmaßungen.

  1. Agnostiker und Atheisten werden einfach als „auch religiös“ eingestuft, meist bezeichnenderweise als irgendwie schlimmere Menschen.

  2. (nicht Gegenstand dieses Threads, daher nur kurze Erwähnung) Der „freie Wille“ - eine der ironischsten Erfindungen angesichts der Opfer in Auschwitz, der Völkermorde durch die Europäer in Amerika, Australien, der Versklavung von zig Mill. Afrikanern.

Ich muss sagen, das ist witzig …

Gruß, Stucki

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Grüß dich, Fritz!

Duuu kannst fragen! :wink:

Wenigstens DAS kann ich!
(In der „Mittelschulzeit“ oft sehr zum Leidwesen meiner Professoren, grad auch zum Thema Religion, damals war’s noch mehr das Hinterfragen…))

Am liebsten verwiese ich dich …oder an
deinen Liebling Grimm. :wink:

Jaja, aber ich wollte ja gern DEINE haben, denn wenn ich deine Postings so verfolge - und wer tut das nicht? - Religion scheint für dich das rote Tuch schlechthin zu sein.

Und Religion ist das fieseste Machtmittel, das bisher noch nie
irgendwo auf der Welt zum Nutzen der Menschen eingesetzt
wurde. Vielleicht zum Nutzen einer Kaste, einer Organisation,
einer Clique, aber nie für mehr!

Da magst du ja bis zu einem gewissen Grad Recht haben, aber schlägt das Pendel nicht auch auf die andere Seite aus?
Stehen nicht hinter viel von dem Guten, was auf der Welt getan und geleistet wird, auch Religionen? Ich möchte sogar sagen, hauptsächlich Religionen; und nicht nur zum Nutzen einer Kaste, …s.o.

Und der wunderbare „Nebeneffekt“ der Religionen, die Musik - wie unendlich viel hat religiösen Bezug und Hintergrund!!

Sieh’s doch einmal von dieser Seite, alter Knurrhahn!

Liebe Grüße!
Helene

Brauchen Menschen Flüssigkeit?

Hallo Christian,

eine Religion ist oder beinhaltet ein Wertesystem. Da der Mensch nicht anders kann als Werte und Prinzipien zu haben, muss er auch ein Wertesystem haben. Stehen die Wesentlichen unter seinen Werten in spirituellem oder transzendentem Zusammenhang, nennt man das Religion, ansonsten nennt man es Ideologie.

Dass der Mensch Religion braucht, ist auch psychologisch, soziologisch, politisch und evolutionsbiologisch betrachtbar. Darum ist Deine Frage eigentlich zu präzisieren.

Gruß,

Mohamed.

Hallo Fritz,
meiner Erinnerung nach antwortet Faust aber auf Gretchens Gretchen-Frage „Wie hast Du’s mit der Religion?“ mit eben diesem Text, den ich da aus dem Gedächtnis reklamierte. Sollte ich mich so getäuscht haben???
fragt Branden nochmal skeptisch nach

Hallo Mohamed
Stehen die Wesentlichen

unter seinen Werten in spirituellem oder transzendentem
Zusammenhang, nennt man das Religion, ansonsten nennt man es
Ideologie.

Ich frag mich zuweilen, was schlimmer ist: Religion oder Ideologie.
Ein bißchen erinnert mich das an die alte Frage „Pest oer Cholera“.
:wink:
Gruß, Branden

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Hoi, Branden,

die Szene, an die du denkst, geht so:

_Marthens Garten

Margarete. Faust.

MARGARETE:
Versprich mir, Heinrich!

FAUST:
Was ich kann!

MARGARETE:
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?

Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

FAUST:
Laß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.

MARGARETE:
Das ist nicht recht, man muß dran glauben.

FAUST:
Muß man?

MARGARETE:
Ach! wenn ich etwas auf dich konnte! Du ehrst auch nicht die heil’gen Sakramente.

FAUST:
Ich ehre sie.

MARGARETE:
Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
**Glaubst du an Gott?

FAUST:
Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott?**

Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.

MARGARETE:
**So glaubst du nicht?

FAUST:
Mißhör mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
»Ich glaub ihn!«?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: »Ich glaub ihn nicht!«?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.**

MARGARETE:
Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bißchen andern Worten._

Gruß

Ehrlich, Metapher,

manchmal weiß ich nicht …

Man könnte sie auch zitieren frei nach Lukas 18.11:
„Ich danke dir, Gott, daß ich nicht so bescheuert bin, wie alle diese religiösen Menschen da hinten!“

Stucki hat schon Recht. Das sieht arg nach einem Eigentor aus!
Hast du schon nach deiner Nase gegriffen?

Fritz

Grüß dich, Helene!

Jaja, aber ich wollte ja gern DEINE haben, denn wenn ich deine
Postings so verfolge - und wer tut das nicht? - Religion
scheint für dich das rote Tuch schlechthin zu sein.

Wegen der paar boshaft-neckischen Ausfälle hier? :wink:

Religion allgemein und Religionen speziell sind grausliche Abfallprodukte des menschlichen Geistes, aber es gibt genug andere menschliche Errungenschaften, die mich viel öfter beschäftigen.

Die Musik und die Kunstwerke, die der und den Religionen verdankt werden, sind so eine Art Sumpfpflanzen, die auch wunderschön blühen können.
Zu etwas ist jeder Mist gut und sei es zum Düngen!

Ebenfalls beste Grüße
von Knurrhahn

  1. Agnostiker und Atheisten werden einfach als „auch religiös“
    eingestuft

agnostiker ist nicht dasselbe wie atheist, das nur nebenbei.

vielleicht ein vergleich: das rauchen. ich bin nichtraucher, habe nie geraucht und habe keinerlei bedürfnis danach. darüberhinaus will ich nicht mit rauch an orten belästigt werden, wo ich nicht davor fliehen kann. ganz analog dazu sollte auch religion dort nicht „installiert“ sein, wo man nicht fliehen kann.

aber es ist mir egal daß andere rauchen. sie sollen sich zu tode qualmen. sie sollen privat rauchen so viel sie wollen. sie dürfen sogar in meiner gegenwart rauchen, nur nicht ausatmen. mich störten auch keine rauchwerbungen im fernsehen. es wäre mir wurst, solange es kein spam ist (ob email-, telefon- oder türspam). ich verbreite keine flugblätter noch schreibe ich bücher über das böse rauchen.

das ist der unterschied zwischen nichtrauchern und nichtrauchermissionaren.

gruß
datafox

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