Hallo Harald!
[…]
hier wird auf eine Stelle Bezug genommen, in der Menoah einen
Engel gesehen hat. Da er im Umgang mit Engel keine Übung
gehabt hat (wer hat die schon?), setzte er die Herrlichkeit
des Engels mit der Herrlichkeit Gottes gleich und meinte,
sterben zu müssen.
Das hat sich aber als Irrtum herausgestellt, da er ja nicht
gestorben ist. Aber darauf, dass es sich hier um Jesus handeln
könnte, gibt es keinen Hinweis.
In den genannten Texten wird ja nicht nur die eine Stelle genannt. An mehreren Stellen sagen Menschen, die den Engel (besser wohl zu übersetzen mit Boten) des Herrn gesehen haben, daß sie Gott selbst gesehen haben. Der Bote des Herrn nimmt sogar Opfer an, spricht von sich selbst als ob Gott unmittelbar mit den Menschen reden würde, wo er Mose als Flamme erscheint, heißt es sogar, daß der Boden, den Mose betritt heilig ist (was bei der Erscheinung „gewöhnlicher“ Engel nicht der Fall ist) etc.
Die Frage, warum es sich hierbei um Jesus handeln sollte ist, wie ich finde, ganz gut in „100 Fragen zur Bibel - Band 2“ von Benedikt Peters (3. Aufl., CH-Berneck: Schwengeler-Verlag, 1995) beantwortet (S. 110-111):
"56. Hat Mose Gott gesehen oder nicht?
Wie lässt sich der scheinbare Widerspruch erklären, dass „Gott mit Mose von Angesicht zu Angesicht wie jemand mit seinem Freund
redet“ (2. Mose 33,11), aber Gott selbst etwas später sagt: „Aber
mein Angesicht darfst du nicht sehen, denn niemand der mich
sieht, bleibt am Leben“ (33,20)? Werden im Urtext verschiedene
Wörter verwendet?
Das Problem liegt nicht in der Bedeutung von sehen oder von An-
gesicht, sondern in der Bedeutung von „Gott“. Was meine ich da-
mit? Gehen wir vom ersten Kapitel des Johannesevangeliums aus.
Wir lesen dort:
„Kein Mensch hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn,
der in des Vaters Schoss ist, der hat ihn kundgemacht“ (1,18). Das ist ein Lehrsatz, der unser Problem direkt anspricht. Es fällt auf, wie Johannes dem Begriff „Gott“ den „Sohn“ gegenüberstellt. Er will sagen: Noch nie hat ein Mensch vermocht, Gott in seiner Absolutheit und Unumschränktheit zu sehen, auch Mose nicht. Das bestätigt die von Ihnen angeführte Stelle in 2. Mose 33,20. Wenn immer ein Mensch etwas von Gott geoffenbart bekam oder Gott sah, dann war er immer dem Sohn Gottes begegnet. Wenn wir also im Alten Testament verschiedentlich lesen, dass ausser Mose auch Abraham (Apostelgeschichte 7,2), Hagar (1. Mose 16,13), die Ältesten
Israels (2. Mose 24,10), Gideon (Richter 6,22—24), Simsons Eltern
(Richter 13,22) Gott sahen, dann müssen wir aufgrund der Erklärung, die uns Johannes gibt, schliessen: Sie sahen alle jeweils den Sohn; denn er ist es, der den für den Menschen sonst unerkennbaren Gott kundmacht. Und wer den Sohn sieht, sieht in ihm eben Gott. Das sagt Jesus selbst: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Johannes 14,9). Paulus sagt uns im Kolosserbrief, dass der Sohn „das Bild des unsichtbaren Gottes“ ist (Kolosser 1,15). Er, den kein Mensch sehen kann, ist im Sohn, ist im Bild Gottes, erkennbar. So viel sagt auch der Hebräerbrief: Der Sohn Gottes ist der „Abglanz“, das ist das Sichtbarwerden Gottes (Hebräer 1,2).
Kommen wir jetzt zu Mose zurück. Wenn in 2. Mose 33,11 steht,
dass Gott mit Mose „von Angesicht zu Angesicht wie ein Mann mit
seinem Freund redet“, dann war es eben der Sohn Gottes, der seinem Diener begegnete. Beachten wir, dass der Sohn Gottes die an ihn Glaubenden eben „Freunde“ nennt (Johannes 15,15). In 4.
Mose wird nun wörtlich bestätigt, dass Mose das „Bild“ Gottes,
eben Christus, sah: „Mein Knecht Mose, er ist treu in meinem gan-
zen Hause; mit ihm rede ich von Mund zu Mund, und deutlich und
nicht in Rätseln, und das Bild des HERRN schaut er“ (4. Mose
12,7 + 8). Auch von Abraham heisst es, dass er Christus sah (Johannes 8,56), obwohl die Apostelgeschichte sagt: „Der Gott der Herrlichkeit zeigte sich unserem Vater Abraham“ (7,2).
Halten wir also zusammenfassend fest: Niemand kann Gott an-
ders sehen als im Sohn; wer aber den Sohn gesehen hat, hat Gott
gesehen."
[…]
Ja, das stimmt schon. Die Frage ist halt, welchen Beweis gibt
es dafür, daß der Engel des Herrn im NT ein anderer ist, als
der Engel des Herrn im AT.
Immerhin gibt es eine Menge Engel. Es kann also durchaus sein,
dass jedesmal ein anderer erschienen ist. Beweise dafür gibt
es ebenso wenig, wie es Beweise für die Existenz von Engel
gibt.
Allerdings ist in der Regel, wenn in der Bibel Engel erscheinen, eben auch nur von Engeln die Rede oder von Männern in weißen Gewändern etc. Der Ausdruck „Engel des Herrn“ scheint schon recht spezifisch auf eine bestimmte Erscheinung hinzuweisen. Aber, wie Du selbst sagst, beweisen läßt es sich nicht, daß es sich nicht doch um verschiedene Engel bzw. Boten des Herrn handelt.
Gruß
Michael