Jesu letzte Worte am Kreuz

In seinem Buch „Die Evangelien in Aramäischer Sicht“ stellte George
M. Lamsa schon 1936 die folgende Textstelle richtig.

»Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut und sprach: Eli, Eli,lama
sabachthani? das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen? Etliche aber, die da standen, da sie das hörten, sprachen
sie: Der ruft den Elia.« Mt.27:46,47

Das aramäische Wort shbakthani ist abgeleitet von shbak, das
»behalten«, »übrigbleiben«, »aufsparen« und dergleichen heißt.
(…)
Der letzte Buchstabe des Wortes shbakthani weist auf die erste Person
Einzahl. Eli, Eli, lama sabachthani heißt: ”Mein Gott, mein Gott, für
dieses Los wurde ich aufgespart« oder auch »Für dieses Schicksal war
ich auserkoren«, »Für mich ward vorgesehen, auf diese Weise zu
sterben!«
Diese Stelle heißt aber auf keinen Fall: »Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?« Auch enthält der Ton dieses Aufschreis
nichts, was eine Bitte um Hilfe andeuten könnte. Während Seines
Gebets im Garten von Gethsemane hatte Jesus jegliche Beschränkung
Seines Körpers überwunden und sich für alles Kommende im vollsten
Vertrauen Seinem Vater übergeben.
(…)
Zitat aus „Die Evangelien in Aramäischer Sicht“ von George M. Lamsa.

War Lamsas Übersetzung nicht korrekt, sodass es auch in der heutigen
Bibel nach wie vor heißt „… warum hast du mich verlassen?“, oder
gibt es andere Gründe dafür?

Hallo Uwe,

War Lamsas Übersetzung nicht korrekt, sodass es auch in der
heutigen
Bibel nach wie vor heißt „… warum hast du mich verlassen?“,
oder
gibt es andere Gründe dafür?

Der Satz ist im Evangelium ja zweisprachig angegeben: zuerst aramäisch, dann in griechischer Übersetzung. Der Übersetzungsfehler (wenn Lamsa denn Recht hat, was ich nicht beurteilen kann) ist also schon Bestandteil des originalen, griechischen Evangeliumstextes - den Fehler hat schon der Evangelist Matthäus gemacht.
Das „… warum hast du mich verlassen“ ist die wörtliche Übersetzung der griechischen Fassung. Dies anhand des aramäischen Textes zu korrigieren hieße ja, den Evangeliumstext zu verfälschen. Allenfalls sollte eine gute Bibelausgabe in einer Anmerkung erwähnen, dass da eine Diskrepanz zwischen dem aramäischen und dem griechischen Satz besteht.

Grüße
Wolfgang

Hallo Uwe

Was sich vor rund 2000 Jahren abspielte und erst ein paar hundert Jahre später aufgeschrieben wurde, ist einen Legende. Der Wahrheitsgehalt ist zweifelhaft. Wie sowas funktioniert kannst du mit dem Kinderspiel „Stille Post“ innerhalb weniger Minuten testen und probieren.

der hinterwäldler

Servus,

zumindest dieses

»Für mich ward vorgesehen, auf diese Weise zu
sterben!«

ist sicherlich sinnlos. Jesus hat nämlich den 22. Psalm zitiert, und wenn man diesen liest, wird der Ausruf inhaltlich, unabhängig von sprachlichen Einzelheiten, etwas klarer: Es ist ein Gebet für Situationen von Not und Bedrängnis, und kann nicht gelesen werden ohne die Verse 20 - 32. Dass dieser Querverweis in der von Dir zitierten Quelle nicht enthalten ist, spricht nicht für ihre Seriosität.

Schöne Grüße

MM

Jesu letzte Worte am Kreuz
Hi Uwe,

es ist toll, was man alles spekulieren kann, wenn man einen eindeutig unverständlichen Text vor sich hat.

War Lamsas Übersetzung nicht korrekt … ?

Reine Phantasie. Und das Wort lama/lema, zu deutsch „warum“, übergeht er geflissentlich, weil es in seine Theorie nicht hineinpaßt.

Nein. Was auch immer ein George M. Lamsa 1936 geschrieben hat: Viel Ahnung hatte er nicht, denn auch damals hat schon niemand mehr daran gezweifelt, daß (nicht nur) diese Passage des Mathhäus-Evangeliums aus Markus 15.34 abgeschrieben ist. Wenn man die Stelle also diskutiert, dann aus Markus.

Und dort steht in den meisten Handschriften (interlinear übersetzt):
Und der neunten Stunde schrie Jesus großer Stimme: Eloi, Eloi, lema sabachthani? Das ist übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und einige der Umstehenden, das hörend, sagten: Seht er ruft Elias.

Das heißt: Es ist vielmehr der griechische Text-Autor selbst (oder einer der ersten Abschreiber), der dem aramäischen oder hebräischen Satz eine griechische Übersetzung hinzufügt. Und es war auch naheliegend, aus dem in beiden Sprachen unverständlichen Satz das herauszuhören, was man ganz sicher kannte, nämlich das Zitat aus dem Psalm 22.2:

auf hebräisch: eli, eli, lama asaftani
auf aramäisch: lama saftani
zu deutsch: „warum hast du mich verlassen“

Griechische Handschriftvarianten dieser Stelle haben:

  1. lama (oder lema oder lima) sabachthani
  2. lema sabakthani
  3. lama zaphthani
  4. lama saphthani

wobei das Letzte tatsächlich den aramäischen Wortlaut wiedergibt. Das besagt aber nicht viel, denn diese Handschriften sind ja Abschriften von Abschriften. So kann es durchaus sein, daß ein Schreiber nachträglich den unverständlichen Satz an das aramäisch gesprochene Original des Psalms angepaßt hat.

Zu den erwähnten Umstehenden, so sagen die Evangelien, zählten einige der Schüler_innen_ des Jesus und sonst die römischen Henker (die Schüler hatten sich verdrückt). Daß die Römer nichts verstanden, ist verständlich - sie hörten halt nur etwas, das sich nach „Elias“ - hebr. Eliah - anhörte. Aber wenn die Frauen den Satz verstanden hätten, hätten sie ihn richtig weitergegeben, denn die sprachen aramäisch.

Was wirklich gesagt wurde, weiß also kein Mensch. Und dafür sprcht auch, daß Lukas und Johannes an dieser Stelle ganz andere „letzte Worte“ zitieren.

Gruß

Metapher

zur mündlichen Überlieferung
Hallo Manfred,

Der Wahrheitsgehalt ist zweifelhaft. Wie sowas funktioniert
kannst du mit dem Kinderspiel „Stille Post“ innerhalb weniger
Minuten testen und probieren.

Das ist ein oft gehörtes Argument, das aber der historischen Situation nicht gerecht wird. Mündliche Überlieferung war in der vormodernen Zeit eine gut eingeübte Kulturtechnik. Beispiel: Ein Athener, der die großen Tragödien EINMAL gehört hatte, konnte sie komplett auswendig! Für das Auswendiglernen großer Texte gibt es Handwerkstechniken, die sich im Medienzeitalter verflüchtigen. Wir brauchen sie ja nicht mehr.

Man kann also umgekehrt davon ausgehen, dass auch mündliche Weitergabe durchaus historisch verwertbaren Quellenstatus genießt - nach quellenkritischer Beurteilung, versteht sich.

Im übrigen sind die Evangelien Jahrzehnte, nicht Jahrhunderte danach niedergeschrieben worden.

Beste Grüße,
Andreas

Hallo,

1.) Die vier Evangelien wurden innerhalb 30 bis 70 Jahre nach Jesu Hinrichtung geschrieben. Zwei Autoren waren AJünger, die mit Jesus unterwegs waren (wobei hier die Experten unterschiedlicher Meinung sind).
Das ist so, als ob du Geschichten aus deiner Jugend niederschreibst. Wie würde es da um den Wahrheitsgehalt stehen?

2.) Was das Stille Post-Spiel betrifft, variiere das Spiel mal.
Nimm anstelle eines geflüsterten Satzes, einen geschrieben Text. Nimm zwei dutzend des Schreibens mächtige Erwachsene und lass sie ungestört jeweils die Abschrift eines Vorgängers abschreiben. Was schätzt du, was dabei rauskommt?

Gruß
Carlos

Servus,

zumindest dieses

»Für mich ward vorgesehen, auf diese Weise zu
sterben!«

ist sicherlich sinnlos. Jesus hat nämlich den 22. Psalm
zitiert, und wenn man diesen liest, wird der Ausruf
inhaltlich, unabhängig von sprachlichen Einzelheiten, etwas
klarer: Es ist ein Gebet für Situationen von Not und
Bedrängnis, und kann nicht gelesen werden ohne die Verse 20 -
32. Dass dieser Querverweis in der von Dir zitierten Quelle
nicht enthalten ist, spricht nicht für ihre Seriosität.

Schöne Grüße

Hallo Hr May

So sehe ich das auch.
Diese Priester und Prediger zitieren diesen Satz so, wenn jemand fragt wo gott gebliebenj war, als das Unglück hereingebrochen ist, jesus habe am kreuz auch Gott angeklagt um die Soldarität anklingen zu lassen.
Den gläubigen Isreaaliten waren die Worte der psalmen ins Fleisch und Blut eingprägt. und ich denke eher, dass Jesus den Leuten den Inhalt dieses Psalmes ins Gedächtnis rufen wollte. Hier erfüllte sich die Vorhersehung Davids

Hallelulja

Peter S.

Danke für Eure Beiträge
Ich danke Euch für Eure fundierten Beiträge und Meinungen.

Zu den Zitaten aus Lamsas Buch muss ich noch erwähnen, dass ich nur
einen kurzen Abschnitt zitiert habe. Vier komplette Buchseiten hier ins
Forum zu stellen, hielt ich nicht für sinnvoll.

Vielleicht wäre es aber doch besser gewesen, denn Lamsa geht sehr genau
auf die aramäische Sprache, auf die Verweise zu Psalmen und auf den
griechischen Text ein.

Jetzt lass ich es aber dabei, und verzichte darauf, die vier Seiten
komplett hier ins Forum zu stellen :smile:

Nochmal vielen Dank an Alle!

Ich wünsche Euch allen ein frohes Osterfest!