Gerade bin ich nach der Tagesschau im Ersten bei Die Landärztin hängen geblieben http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/conten…
und ich wundere mich wieder einmal, warum wie bei so vielen solcher Fernsehschnulzen eine Ehe eigentlich platzen kann, nur weil man vor dem Traualtar versäumt, im entscheidenden Moment ja zu sagen(?)!
Muss man für eine kirchliche Trauung nicht vorher standesamtlich geheiratet haben und kommt man dann aus der Nummer nicht ohnehin nur noch unter extremen Mühen wieder raus?
Ich recherchiere also das Thema zuerst einmal auf Wikipedia und tatsächlich:
Seit dem 01.01. dieses Jahres ist eine standesamtliche Trauung keine Voraussetzung mehr für eine kirchliche:
Kann man jetzt also in Deutschland auch ganz offen Bigamist werden? Man heiratet den einen Partner standesamtlich und den anderen kirchlich?
Nun gut: Ich für meinen Teil würde die standesamtliche Ehe und vor allem die Kuppelprämien, die in Form von steuerlichen und abgabentechnischen Vergünstigungen daran geknüpft sind, sowieso ersatzlos streichen und die kirchliche Eheschließung ist in meinen atheistischen Augen sowieso ein irrelevantes Ritual.
Aber was halten andere, die nicht -so wie ich- Atheisten sind, von dieser Entwicklung?
Muss man für eine kirchliche Trauung nicht vorher
standesamtlich geheiratet haben und kommt man dann aus der
Nummer nicht ohnehin nur noch unter extremen Mühen wieder
raus?
Ich recherchiere also das Thema zuerst einmal auf Wikipedia
und tatsächlich:
Seit dem 01.01. dieses Jahres ist eine standesamtliche Trauung
keine Voraussetzung mehr für eine kirchliche:
Hallo, Gernot!
Dafür braucht man doch weder Wikip. noch irgendwelche Links. Schon oberflächliche, aber regelmäßige Lektüre einer Tageszeitung reicht aus, um auf dem Laufenden zu sein. Fernsehen auch, wenn man nicht nur Seifenopern schaut.
Kann man jetzt also in Deutschland auch ganz offen Bigamist
werden? Man heiratet den einen Partner standesamtlich und den
anderen kirchlich?
Ich glaube nicht, dass eine mit dieser Absicht geschlossene kirchliche Ehe gültig ist.
Außerdem konnte man schon im Januar lesen (wieder: in der Tageszeitung), dass sich die (kath.) Bischöfe auf ein gemeinsames strenges Procedere geeinigt haben, um irgendwelche Fälle solcher Bigamie zu verhindern.
Aber was halten andere, die nicht -so wie ich- Atheisten sind,
von dieser Entwicklung?
Es gibt soviele Formen des Zusammenlebens, warum nicht auch eine Ehe ohne Staat, aber es, um Heine mal anders zu zitieren: „fehlt auch des Pfaffen Segen dabei“ nicht.
Schönen Gruß!
Hannes
Dafür braucht man doch weder Wikip. noch irgendwelche Links.
Schon oberflächliche, aber regelmäßige Lektüre einer
Tageszeitung reicht aus, um auf dem Laufenden zu sein.
Fernsehen auch, wenn man nicht nur Seifenopern schaut.
Da brauchst du dir bei mir keine Sorgen zu machen; ich lese zwar keine Tageszeitung in Print-Form, dafür Beiträge aus solchen aber teilweise auch noch Monate später in der Online-Form. Ich schaue auch nur eher zufällig (beim Zappen) in Seifenopern vorbei, während ich kaum eine Magazin- oder Nachrichtensendung im Abendprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auslasse.
Außerdem konnte man schon im Januar lesen (wieder: in der
Tageszeitung), dass sich die (kath.) Bischöfe auf ein
gemeinsames strenges Procedere geeinigt haben, […]
Ich habe das im Internet(!) mal genauer recherchiert:
Bischof Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sagte bereits am 22. Dezember des letzten Jahres in der Rhein-Zeitung:
Wenn nun aber ein Brautpaar eine kirchliche Eheschließung ohne vorhergehende Ziviltrauung wünscht, dann steht diesem Anliegen staatlicherseits zukünftig kein Verbot mehr entgegen. Wir haben daher von uns aus festgelegt, dass es sich hier um eine Ausnahme handelt, die zuvor einer genauen Prüfung durch den jeweiligen Bischof bedarf. http://rhein-zeitung.de/on/08/12/22/news/t/rzo515140…
Obwohl eine kirchliche Trauung ohne standesamtlichen Trauschein in Deutschland bis zum 31.12.2008 gar nicht möglich war und obwohl es seit dem 01.01.2009 selbst in der katholischen Kirche die absolute Ausnahme bleiben soll, wird es in im unterhaltsamen Teil unserer Medien immer so dargestellt, als sei das kirchliche Ja-Wort das eigentlich entscheidende:
Da platzen die Hochzeiten immer in letzter Sekunde vor dem Traualtar.
Auch hierfür habe ich auf die Schnelle mal ein paar Beispiele recherchiert:
z.B.: Seifenoper: „In aller Freundschaft” (ARD, Folge 426 vom 03.03.2009) Sarah hat Panik bekommen und will die Kirche nicht betreten. Ihre Brautjungfern Pia Heilmann und Dr. Elena Eichhorn sind entsetzt. Aber ihr Brautvater, Professor Simoni, spricht ein Machtwort und stolz schreitet Sarah an seiner Seite zum Altar. Glücklich sagt sie endlich „Ja“. Da bricht Benjamin neben ihr zusammen. http://www.mdr.de/in-aller-freundschaft/alle-folgen/…
z.B.: Seifenoper: „Gute Zeiten - Schlechte Zeiten” (RTL, Folge 3906 vom 16.01.2008) Drama vor dem Traualtar
Sandra hallt die Stimme des Standesbeamten in den Ohren: “Sandra Ergün, wollen Sie Marc Hansen als Ihren Ehemann lieben und ehren, in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod Euch scheidet? So antworten Sie mit ’Ja’.“ http://gzsz.rtl.de/episode/index/index/episode/3906#… Sandra lässt Marc vor dem Altar stehen und ergreift panisch die Flucht. Marc begreift nur langsam, dass sie nicht mehr zurückkehren wird und die Hochzeit tatsächlich geplatzt ist. http://gzsz.rtl.de/episode/index/index/episode/3906
Ich habe ausgerechnet diese Folge von GZSZ leider verpasst, aber zwei Dinge reimen sich da offensichtlich nicht zusammen: Traualtar und Standesbeamter!
Ist hier etwa der Schreibtisch eines Standesbeamten zum Traualtar mutiert oder schickt sich hier ein christlicher Geistlicher an, die Trauung eines Multikulti-Paares mit teils nordischem und teils orientalischem Familiennamen in Personalunion als Standesbeamter vorzunehmen?
Was mich bei der Geschichte zusätzlich verwirrt, ist die Ausschmückung der Frage mit den Worten „in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod Euch scheidet” die bei Standesbeamten doch eher unüblich sein sollte:
§ 1310 (1) BGB:
Die Ehe wird nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Basta!http://bundesrecht.juris.de/bgb/__ 1310.html
Ausländische Vorbilder für das beliebte Sujet der in letzter Sekunde vor dem Traualtar platzenden Eheschließung gibt es auch zuhauf. Ich nenne nur:
z.B.: Hollywood-Film: „Die Braut, die sich nicht traut”
(1999)
Bei solchen, im Ausland spielenden Produktionen wie auch der im Eingangsposting bereits genannten Folge der Landärztin (Österreich) von vorgestern Abend könnte man noch unterstellen, dass dort eine kirchliche ohne vorherige standesamtliche Trauung gar keine Ausnahme, sondern vielleicht sogar die Regel ist.
Wenn das ganze aber in Deutschland spielt, so mutet das -zumindest mich- doch recht surreal an.
Möglicherweise bevorzugt man von Seiten der Film- und Serienproduzenten hierzulande das kirchliche Ambiente für die Inszenierung kurzfristig platzender Eheschließungen ja nur, weil es pittoresker ist und daher mehr Theatralik verspricht. (In ähnlicher Weise lässt man ja -wider besseres Wissen- auch Raumschiffe in Science-Fiction-Filmen grundsätzlich mit Geräuschen durch den luftleeren Raum flitzen.)
Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die ständige Vermischung des behördlichen Aktes und des religiösen Rituals in den Unterhaltungsmedien darauf zurückzuführen ist, dass die meisten Menschen in jedem Fall etwas Sakrales in einer Eheschließung sehen wollen.
Um meine Frage noch einmal zu erweitern, die ich bewusst an das Forum Religionswissenschaft gestellt habe:
Was denkt ihr, woher kommt die offenbar primär religiöse Bedeutung, die so viele Menschen einer Heterosexuellen-Ehe beimessen?
Warum mischt sich der Staat überhaupt ein und überlässt Eheschließungen ohne rechtliche Folgen nicht ganz den Religionsgemeinschaften?
Warum beschränkt sich der Staat zu rechtlicher Absicherung nicht auf eine nüchterne Beglaubigung von Beziehungen zweier oder mehrerer Individuen, die sich unabhängig von ihrem Geschlecht als Familie verstanden wissen wollen?
Warum beschwören insbesondere Vertreter der katholischen Kirche bei jedem Schritt hin auf eine rechtliche Gleichstellung aller Partnerschaften den nahenden Untergang des Abendlandes?
Um meine Frage noch einmal zu erweitern, die ich bewusst an
das Forum Religionswissenschaft gestellt habe:
Warum mischt sich der
Staat überhaupt ein und überlässt Eheschließungen ohne
rechtliche Folgen nicht ganz den
Religionsgemeinschaften?
Wieso soll diese Frage ausgerechnet im Religionsbrett beantwortet werden können? Es handelt sich doch um eine Frage hinsichtlich staatlichen Handelns.
Warum beschränkt sich der
Staat zu rechtlicher Absicherung nicht auf eine nüchterne
Beglaubigung von Beziehungen zweier oder mehrerer Individuen,
die sich unabhängig von ihrem Geschlecht als Familie
verstanden wissen wollen?
Wiederum: Sollte man das nicht besser den Staat fragen?
Gruß!
Hannes
ich bin nicht sonderlich hochzeits- oder soap opera-erfahren. Letztes Jahr war ich auf der standesamtlichen Trauungen des Vaters einer Freundin, die Standesbeamtin redete genau wie der Sprachcomputer der DB und sah aus wie die ungeliebte Stiefschwester von Angela Merkel, die Kulisse hatte den Charme einer typischen deutschen Amtsstube und es passten maximal 20 Personen hinein. Glaubst Du, dieser Hintergrund würde sich dramaturgisch in einer soap opera gut machen?
In Soap Operas haben Leute auch andauernd Gedächtnisverluste, sterben die jeweiligen Partner wie die Fliegen weg und keinen stört es länger, keiner geht einer erkennbaren Tätigkeit nach und trotzdem leben alle wie in Schöner Wohnen. Das ist, genauso wie die Hochzeitsgeschichte auch, einfach nur doof. Ohne tieferen Hintergrund.
Keine evang. Trauung ohne Standesamt
Die Evangelische Kirche wird (zumindest vorerst) auch weiterhin keine kirchlichen Trauungen ohne standesamtlichen Trauschein durchführen. Zum einen, weil die Ehe nach evangelischer Sicht zunächst eine weltliche Angelegenheit ist (Rechtsfolgen), für die danach Gottes Segen in einem Gottesdienst erbeten werden kann.
Und zum anderen wegen der genannten Probleme: Im Moment ist nicht sicherzustellen, daß es auf diesem Wege nicht zu Mehrfachehen kommt. Eine rein standesamtliche Ehe wird z.Zt. kirchlich nicht registriert. Somit ist für das Pfarramt nicht sicher nachprüfbar, ob ein Traubewerber nicht schon verheiratet ist. Und solange es keine Meldepflicht an eine zentrale Stelle für kirchliche Eheschließungen gibt, wird auch der Staat irgendwann ein Problem bekommen, sicherzustellen, daß eine standesamtliche Eheschließung nicht eine bereits bestehende kirchlich geschlossene, rechtskräftige Ehe bricht.
Einen Deiner Zweifel meine ich ausräumen zu können.
Seifenoper: „Gute Zeiten - Schlechte Zeiten” (RTL, Folge 3906 vom 16.01.2008) Drama vor dem Traualtar
Sandra hallt die Stimme des Standesbeamten in den Ohren:
“Sandra Ergün, wollen Sie Marc Hansen als Ihren Ehemann lieben
und ehren, in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod
Euch scheidet? So antworten Sie mit ’Ja’.“ http://gzsz.rtl.de/episode/index/index/episode/3906#… Sandra lässt Marc vor dem Altar stehen und ergreift panisch
die Flucht. Marc begreift nur langsam, dass sie nicht mehr
zurückkehren wird und die Hochzeit tatsächlich geplatzt
ist. http://gzsz.rtl.de/episode/index/index/episode/3906
Ich habe ausgerechnet diese Folge von GZSZ leider verpasst, aber zwei Dinge reimen sich da
offensichtlich nicht zusammen: Traualtar und Standesbeamter!
Die standesamtliche Trauung ist an nahezu beliebigen Orten möglich. In Berlin soll es schon Paare gegeben haben, die sich in Straßenbahnen oder S-Bahnen das Jawort gegeben haben. Ebensoleicht lässt sich eine Trauung in der Kirche organisieren. Das Kirchengebäude wird das zu einem gewissen Preis vermietet (das regeln die meisten Gemeinden ohnehin, weil mitunter musikalische Aufführungen in Kirchen stattfinden), und der Mieter kann dann dort (prinzipiell) machen, was er möchte, solange er Ordnung hält. Theoretisch wäre es sogar denkbar, sich von einem jüdischen Geistlichen in einer christlichen Kirche trauen zu lassen, obschon ich nicht weiß, ob der das machen würde. Interkonfessionell ist das jedenfalls kein großes Problem mehr, die Katholiken bei uns mieten gern einmal die evangelische Kirche, weil die schöner ist.
Wieso soll diese Frage ausgerechnet im Religionsbrett
beantwortet werden können? Es handelt sich doch um eine Frage
hinsichtlich staatlichen Handelns.
Nun ich denke, dass der Staat auch in diesem Falle unter Missachtung von Minderheitenrechten zu viel Rücksicht auf die vermuteten religiösen Einstellungen einer vermeintlichen Mehrheit nimmt.
Es handelt sich hier nach meinem Verständnis auch nicht -wie du es so salopp formulierst- um ein Religionsbrett, sondern um ein Wissens-Forum, in dem es darum geht, wie man dem Phänomen Religion mit wissen schaftlichen Mitteln begegnen kann.