Schulbildung vor 100 Jahren?

Hallo,
meine Frau hat heute morgen philosophiert, dass heutzutage die Kinder durch Buch vorlesen, Gesellschaftsspiele etc. ihre Intelligenz schulen, wohingegen vor hundert Jahren die Kinder genauso intelligent waren, allerdings durch aktives Spielen und damit wiederholtes üben. Soviel zur Vorgeschichte.
Daraus ergab sich die Frage: wie sah es eigentlich vor 100 Jahren mit der Schulbildung (in Deutschland / im Rest Europas) aus? Gab es Schulen für alle, auch auf dem Lande? Oder waren Schulen nur etwas für Oberschicht und Adel? Hat evt. die Industrialisierung etwas mit allgemeiner Schulbildung zu tun oder seit wann hat sich die entwickelt? Wer hat da am meisten mitgemischt?
Gruß
loderunner

Hallo,

also in Preußen (das war da Vorreiter) gibt es die Schulpflicht seit dem 18. Jahrhundert. Die hat dort der Soldatenkönig eiongeführt, weil ihn der Stumpfsinn seiner Soldaten geärgert hat. Und die Pastoren sollten fortan keinen mehr einsegnen, der das Glaubensbekenntnis nicht vorlesen kann.

Vor hundert Jahren gab es zumindest in Deutschland eine allgemeine Schulpflicht mit 8 Klassen. Daß dabei speziell auf dem Lande oft mehrere Klassen zusammen unterrichtet wurden, ist ne andere Sache. Im Übrigen werden solche Klippschulen ja auch wieder modern - unser Dorf zumindest hat das seid einigen Jahren wieder - heute nennt man das klassenübergreifenden Unterricht.
Zumindest diese 8 Klassenschule war auch kostenlos. Weitere Bilödung kostete Geld, wobei es damals für begabte aber arme Schüler auch Freistellen gab, oft durch Stiftungen finanziert. Das war damals durchaus üblich, ein großer Teil der Armenhilfe wurde durch Stiftungen und Vermächtnisse reicher Bürger getragen - das war weit mehr verbreitet als heute.

Sicher war Bildung auch eine Sache des Geldes - aber nicht nur. Wohl nicht mehr als heute, wo die Pisastudie zumindest für Deutschland ausdrücklich bemerkt, daß Bildung von der sozioalen herkunft abhängig ist.

Übrigens war die Qualität der Bildung nicht unbedingt schlecht. Vor über 80 Jahren hat ein Dorfschulleher bei uns begonnen, eine naturkundliche Sammlung anzulegen, um die unsere 10. klassige Schule noch vor 20 Jahren beneidet worden ist und auf die sgar das Museum für Ur-und Frühgeschichte Thüringens scharf war. Allerdings ist das alles im Zuge der letzten Schulreform im Müll gelandet - wir haben ja heute wieder nur ne Grundschule mit 4 Jahrgängen in 2 Klassen…

Gernot Geyer

Hi!

In Österreich wurde die Schulpflicht von Maria Theresia 1774 für alle sechs- bis zwölfjährigen Kinder eingeführt. Verbunden mit dem Bau schönbrunnergelber Schulen und vom Staat bezahlten Lehrern.

Das ist die Theorie.
In der Praxis gab es, wie jeder weiß, der Franz Innerhofer gelesen hat, noch nach dem zweiten Weltkrieg Kinder, die ohne Rücksicht auf die Schulpflicht am Hof mitarbeiten mußten (also sehr viel Unterricht versäumten), bzw. Ende des 19.Jahrhunderts noch Kinder, die als Zehnjährige legal zum Familieneinkommen beitrugen. Illegal sah es natürlich noch schlimmer aus.

Einen groben Überblick über die Entwicklung des Schulwesens in Österreich findet man hier: http://www.bmbwk.gv.at/schulen/bw/uebersicht/Zeittaf…

alien

Danke Euch beiden! (owt)
nix