Die Operation ‚Thunderclap‘
Ich habe vor längerer Zeit einen Artikel gelesen, in dem behauptet wurde, daß die erste Atombombe auf Mannheim abgworfen werden sollte. Jedoch wäre Deutschland dem Abwurf mit der Kapitulation zuvorgekommen. Kann mir jemand sagen, ob das wahr ist? Und wo sich Informationen dazu beschaffen lassen?
Um kurz auf eine Äußerung meines Vorredners einzugehen: Die Allierten sandten am 26. Juli 1945 von Potsdam aus (unterschrieben von: Präsident Truman für die USA; Churchill für Großbritannien; Tschian Kai-schek für China) eine Aufforderung an Japan, sich zu ergeben; im Text des Ultimatums wird die Tatsache, daß die USA eine neuartige schreckliche Waffe besitzen, NICHT erwähnt, obwohl zwei Tage vorher der erste Atombombentext erfolgreich gewesen war.
Bei den folgenden Ausführungen stütze ich mich auf Olaf Groehler, Bombenkrieg gegen Deutschland, 1990.
ZWEIMAL war im zweiten Weltkrieg die Idee aufgekommen, Deutschland besonders hart anzugreifen:
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Anfang Juli 1944, als wegen des Einsatzes des V1-Flügelbomben gegen London eine Massenpanik drohte, wurde der Gebrauch von Giftgas gegen 21 Städte Deutschlands, darunter Mannheim, sowie der Abwurf von bakteriellen Bomben (mit Milzbranderregern) erwogen. Diese Überlegungen schliefen wieder ein, als es gelang, ab Ende Juli 1944 über 85% der anfliegenden V1 abzuschießen. Allerdings folgte das „Herbstinferno“ in Gestalt von Bombardierungen mit traditionellen Spreng- und vor allem Brandbomben, die alles bisher Dagewesene übertrafen.
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In den ersten Januartagen 1945 befreite die Rote Armee die Vernichtungslager Auschwitz, Majdanek, Treblinka. Was dort zutage kam, war so entsetzlich und ungeheuerlich, daß spontan danach geschrien wurde, als Vergeltung dafür Deutschland einen Schlag apokalyptischen Ausmaßes zu versetzen. Die Planungen vom Juli 1944 wurden wieder hervorgeholt; das Ganze erhielt den Namen „Thunderclap“ (Donnerschlag). Von Massenvernichtungswaffen war diesmal nicht die Rede, wohl aber davon, alle Fliegerkräfte, also ungefähr 3.000 schwere Bomber, auf einmal gegen eine deutsche Stadt einzusetzen und diese im wörtlichen und wahrhaftigen Sinne restlos zu zerbomben. 3.000 Flugzeuge zu 5 Tonnen Bomben hätten der Hiroshima-Bombe (Äquivalent von 20.000 t herkömmlichem Sprengstoff) nicht viel nachgestanden.
Heraus kam der Doppelangriff auf Dresden am 13./14.2.1945 mit summa 1.400 t Sprengbomben und 1.200 t Brandbomben, also mit einem Sechstel der für „Thunderclap“ vorgesehenen Munitionsmenge. Für Dresden war zweierlei verheerend:
a) bereits eine halbe Stunde nach dem ersten Angriff brach ein Feuersturm aus (d.h. die einzelnen Feuer brannten zusammen und erzeugten ein Flächenfeuer, welches am Boden die Luft mit Orkanstärke in sich hineinzog, Bäume entwurzelte, Menschen einsaugte; Feuersturm in Hiroshima ausgebrochen, in Nagasaki ohne erkennbare Ursache ausgeblieben)
b) daß der Kommandeur der zweiten Staffel, Hauptmann de Wesselow, praktisch über dem brennenden Dresden entschied, die zweite Hälfte der Bomben nicht in die bereits vom Feuersturm erfaßte Innenstadt zu werfen, sondern die Gebiete um den Stadtkern herum zu bombardieren, wo die Geflüchteten waren.
Ich mag nicht ausmalen, wie Dresden ausgesehen hätte, wäre das Sechsfache an Bomben gefallen.
Summa: Von der Absicht, Atomboben gegen Deutschland einzusetzen, weiß ich nichts. Planungen über Angriffe, die in ihrer Wirkung einem Atombombenabwurf gleichgekommen wären, gab es; sie wurden einmal „in abgerüsteter Variante“ (an Dresden) getestet.