Lebenserwartung

kann es mal sein, das die leute genauso alt worden sind, wie die heutigen?
nur die kindersterblichkeit drückte den durchschnitt ungemein.

tip: wo sollen fragen zu anderen Zeiten als Mittelalter rein?
wie sieht es mit „Lebensformen“ aus?

Hallo Dirk,

Für das Mittelalter lässt sich folgendes feststellen: Die Lebenserwartung der 20jährigen betrug vor der ersten Pest (542-750) 25 Jahre für Männer und 23 Jahre für Frauen; nach dieser Pestperiode war sie etwas höher: 27 Jahre für Männer und 24 Jahre für Frauen. Im Alter von 40 Jahren hatten sowohl die Männer als auch die Frauen etwa die gleiche Lebenserwartung von 15-17 Jahren. Mit 60 betrug sie etwas weniger als 10 Jahre. Die Lebenserwartung insgesamt, die natürl. von Region zu Region schwankte, läßt sich schwer abschätzen: sie betrug etwa 30-33 Jahre.

Daran läßt sich erkenne, dass es nicht unbedingt die Kindersterblichkeit ist, die die Lebenserwartung im MIttelalter gedrückt hat. Für die anderen Zeiten würde ich im Brett Geschichte anfragen,

Grüße, Larissa

verständnisfrage
hallo larissa,

Die Lebenserwartung der 20jährigen betrug vor der ersten Pest
(542-750) 25 Jahre für Männer und 23 Jahre für Frauen; nach

heißt das, ein 20-jähriger mann hatte noch 25 jahre zu leben, eine frau 23? also insgesamt wurden sie 45/43 jahre alt? (im durchschnitt natürlich)

hast du da quellen drüber? das interessiert mich nämlich sehr.

herzliche grüße
ann

Hallo, Ann,

heißt das, ein 20-jähriger mann hatte noch 25 jahre zu leben,
eine frau 23? also insgesamt wurden sie 45/43 jahre alt? (im
durchschnitt natürlich)

So verstehe ich das auch; und so auch der folgende Artikel:

_ LEBENSERWARTUNG IM MITTELALTER

Ein elend kurzes Dasein?

Stellen wir uns ein thüringisches Dorf irgendwann im Mittelalter vor, unweit einer stattlichen Burg, auf der ein Lehnsherr seiner Herrschaft nachgeht. Während auf der Burg angenehme und gesunde Lebensverhältnisse bestehen - vergleichsweise komfortabel, bei guter Ernährung und Hygiene -, müssen armen Dorfbewohner im Dreck leben, hart arbeiten darben. Mit dem Ergebnis: Der Durchschnittsmensch des Mittelalters wurde vielleicht dreißig Jahre alt, wesentlich älter wurden nur Angehörige der privilegierten Schichten: Herrscher und Adelige, Geistliche, reiche Stadtbürger.

Richtig daran ist nur der statistische Wert. Und selbst der ist mit größter Vorsicht zu genießen. Das Mittelalter umspannt, je nachdem, wo man Anfang und Ende der Epoche ansetzt, ungefähr eintausend Jahre. Und die waren sehr unterschiedlich, was Ernährungslage, Seuchen, Klima und andere Einflüsse betrifft, die sich auf die Lebenserwartung auswirken. Für Neugeborene des frühen Mittelalters hat man eine wahrscheinliche Lebensdauer von 28 Jahren errechnet. Um 1250 konnte ein Neugeborenes weit über dreißig Jahre vor sich haben. Wer aber zur Zeit der großen Pestepidemien auf die Welt kam, beispielsweise Mitte des 14. Jahrhunderts, hatte statistisch gesehen deutlich weniger als zwanzig Jahre zu leben. Diese Zahlen gelten für Männer, den Frauen ging es im Mittelaltel noch schlechter. Weil Schwangerschaften zum einen häufiger, zum anderen gefährlicher waren als heute, lag die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen erheblich unter der der Männer.

Aber ein eingehender Blick auf diese Statistiken, die anhand von modernen Skelettanalysen erstellt werden können, ergibt ein anderes Bild: Die durchschnittliche Lebenserwartung war vor allem deshalb so gering, weil die Kindersterblichkeit sehr hoch war. Die vielen Babys, die schon im ersten Lebensjahr starben, drücken das durchschnittliche Lebensalter kräftig nach unten. Daher ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass ein Mensch von zwanzig Jahren – auch wiederum statistisch gesehen – durchaus noch 25 Jahre vor sich hatte.

Als der schwarze Tod, die gefürchtete Beulenpest, seit 1348 seinen Schrecken über Europa verbreitete, fiel ihm ein erheblicher Teil der Bevölkerung zum Opfer. Während sich zuvor die Bevölkerungszahl in ganz Europa zwischen den Jahren 600 und 1000, und dann noch einmal bis zur großen Pestwelle Mitte des 14. Jahrhunderts jeweils ungefähr verdoppelt hatte, nahm sie in den folgenden einhundert Jahren um ein Drittel ab. In Deutschland lebten um 1300 etwa 15 Millionen Menschen, seit der Jahrtausendwende hatte sich die Bevölkerungszahl verdreifacht. Nun raffte der schwarze Tod einen erheblichen Teil der Menschen hin.

Die Pest ist aber nur ein, wenn auch sehr markanter Faktor in der Bevölkerungsentwicklung. Den vorherigen starken Bevölkerungszuwachs erklären Wissenschaftler unter anderem mit den Klimaveränderungen, die um die erste Jahrtausendwende die Landwirtschaft außerordentlich begünstigten und damit die Ernährungslage entscheidend verbesserten. Andererseits war um 1300 in Deutschland wie offenbar insgesamt in Europa ein gewisser Sättigungsgrad erreicht, was die Bevölkerungszahl betrifft. Eine Landflucht setzte ein, und es wurde zunehmend schwieriger, die Menschen zu ernähren. Hinzu kam, dass eine klimatische Abkühlung zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu Produktionseinbrüchen der Landwirtschaft führte.

In unserem thüringischen Dorf hat es also durchaus einfache Menschen gegeben, die erheblich älter als dreißig Jahre waren. Zwar gibt es wegen der besseren Quellenlage sehr viel mehr Hinweise auf alte Menschen höher gestellter Schichten. Aber das gilt für diese Schichten insgesamt. Auch wenn die Überlieferung ein anderes Bild vermittelt – ebenso wie ergraute Päpste und Könige hat es betagte Bauern und Handwerker gegeben. Menschen von achtzig oder mehr Lebensjahre es auch beim einfachen Volk, sogar von Greisen über hundert wird vereinzelt glaubhaft berichtet.

Die Lebensbedingungen der höheren Stände waren in Mittelalter übrigens nicht viel besser als die der einfachen Stände. Auch auf den Burgen herrschte wenig bis gar keine Hygiene, außerdem war das Essen reich an Fett und Fleisch, was zusammen mit viel schwerem Wein nicht gerade für ein langes Leben präparierte. Die vergleichsweise frugale Kost der Bauern, also viel Getreide und Gemüse, war erheblich gesünder.

Insgesamt attestieren die Forscher, abgesehen von den Zeiten der Pest, den Menschen des Mittelalters eine gute gesundheitliche Verfassung. Die Bewohner unseres thüringischen Dorfes lebten vermutlich sogar länger als die meisten Menschen des Römischen Reiches und sogar die der Frühen Neuzeit in Deutschland.

Carlo M. Cipolla (Hg.): Europäische Wirtschaftsgeschichte. The Fontana Economic History of Europe, Bd. 1, Stuttgart, New York 1978
Ohler, Norbert: Sterben und Tod im Mittelalter, München/Zürich 1990

Aus: Bernd Ingmar Gutberlet: Irrtümer und Legenden der deutschen Geschichte, Europa Verlag; ISBN 3-203-77600-6 Buch anschauen_

Gruß Fritz

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danke fritz!
wenn ich dich nicht hätte :wink: