Unterkünfte der Adligen im Spätmittelalter

Hallo miteinander!
Ich suche nun schon seit Monaten, aber kein Mittelalterbuch führt auf den richtigen Pfad, da die meisten auf das Hochmittelalter spezialisiert sind.
Meine Frage: Wo wohnten und nächtigten all die Adligen, deren Diener etc. im Spätmittelalter (genauer: Um 1430), wenn sie in der Nähe des Königshofes blieben, also tagsüber sehr wohl ihre Zeit auf der Burg verbrachten, aber dort unmöglich ihren eigenen Wohntrakt haben konnten?

Auf vielen Burgen gab es nur wenige Räume und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Adel wie im Hochmittelalter noch in einem Raum auf dem Boden zu schlafen hatte.
Kamen sie bei hochgestellten Bürgern unter?

Im Voraus schon mal vielen vielen Dank!

Hallo !

Man schlief dort, wo Platz war. In den Fluren, in den Hallen, in den Scheunen.

mfgConrad

Guten Abend Jessabelle,

so furchtbar viele Adlige werden das gar nicht gewesen sein: Die Könige mindestens des deutschen Reichs zogen umher; deshalb die vielen Pfalzen im Lande. Mit ihnen zogen natürlich die Schreiber, Kanzlisten, Notare samt dem ganzen Tross, der die Verwaltungsunterlagen transportierte, bewachte, aus- und wieder einpackte. In den Pfalzen gab es für diese Bediensteten Räume, wenigstens für ihre Arbeit. Ich vermute, daß sie nächtens bei Bürgern unterkamen, und es mußten nicht mal hochgestellte Bürger sein.

Dieses Reisekönigtum fand erst sein Ende, als die deutsche Kaiserwürde fast erblich wurde und sich jahrhundertelang in den Händen der Habsburger befand. Die hatten natürlich ihren Hof in Wien und dachten gar nicht mehr darn umherzuziehen - außer natürlich zu den Reichstagen.

Daß Adlige an den Hof gezogen wurden und von selbst an der Hof drängten, ist eine Erscheinung erst des Absolutismus; Vorbild dafür war Ludwig XIV.

Gruß - Rolf

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Hey :smile:
Vielen Dank erstmal für die Antworten, des ging ja rasch.

Also, mein Fall bzw. meine Fälle betreffen Frankreich und aus einem Bericht geht hervor, dass im Palas an diesem Abend um die 300 Personen anwesend gewesen sein sollen…das hat mich gerade so stutzig gemacht. Es sind mindestens 2 Dutzend Adlige und 1 Dutzend Prälaten darunter gewesen…da ich die Burg selber ausgiebig besichtigt habe,kam eben diese Frage auf, wo die alle Platz gefunden haben…hinzu kommt, dass um 1430 ja sehr zivilisierte Verhältnisse herrschten durch den Einfluss der aufkommenden Renaissance. Auf dem Boden oder viele gemeinsam in einem Raum oder in den Gängen…des kann ich mir wirklich nicht vorstellen.

hallo jessica,

ich bin jetzt alles andere als die große expertin :smile:

das einzige was ich weiß: zur landshuter hochzeit (okay, etwas später, nämlich 1475) wurden die vielen adligen gäste in der stadt einquartiert. es muß eine logistische meisterleistung gewesen sein, da es nicht nur um eine unzahl von gästen ging, sondern auch um deren gefolge und pferde.
freundlicherweise haben die „kaufleute“ alles genauestens aufgeschrieben, und vieles ist uns erhalten geblieben.

daß „deine“ gäste sich in gängen zur ruhe gelegt haben, kann ich mir kaum vorstellen…

gute nacht,
agnes

Liebe Jessabelle,

sag doch einfach mal, um welches Ereignis es sich handelte. Dann können wir nämlich weiterdenken, ob die Gäste alle in der Burg/dem Schloß geblieben sind oder - aus welchen gründen auch immer - wieder ab- oder weitergereist sind.
Und um welche Burg hat es sich gehandelt?
Lag eine Stadt, lagen mehrere Dörfer in der Umgebung?
Das alles sind keine unwichtigen Fragen.

Gruß - Rolf

Es gab einige Ereignisse, aber ich greif jetzt einfach mal was aus dem Alltag heraus.

Burg Chinon in Frankreich, im Jahr 1429. Der Hof war damals alles andere als prunkvoll, und die Burg ist recht klein gehalten worden. Es gibt das Untergeschoss mit Weinkeller, Dienerstube, Küche, Waffendepot.
Oberhalb davon der Palas, sowie die Königlichen Gemächer, zu denen gehörten:

  1. Raum voll von Teppichen
  2. zwei kleinere Räume, eines davon sicherlich die Schlafstätte des Thronfolgers
  3. Zimmer des Gouverneurs
    Es gab mehrere Türmchen, aber einer davon diente bereits als Aufenthaltsort für die Hunde, ein anderer diente als reiner Wachturm und wieder ein anderer beherbergte die Kapelle.
    Dann gab es nur noch einen Turm im äußersten Eck. Der Donjon der alten Anlage war bereits belegt durch drei Damen und den stellvertretenden Gouverneur.

Die Burg Chinon liegt natürlich inmitten der kleinen Stadt Chinon, die eine Herberge besaß, die aber auch schon belegt gewesen sein musste. In der Umgebung von Chinon gibt es mehrere Schlösser, liegt schließlich alles im Herzen Frankreichs. Dörfer gab es sicherlich auch reichlich damals, zudem sind einige größere davon auch seigneuries gewesen. Könnte man den Adel Frankreichs so stark verteilt haben? Die Burgen sind mehrere Kilometer voneinander entfernt, 10km sind dabei absolutes Minimum.

Vielen Dank für eure Hilfe, ihr helft mir mehr weiter als es Professoren konnten, die des Spätmittelalter jahrelang studiert haben :smile:

Servus!

Burg Chinon in Frankreich, im Jahr 1429. Der Hof war damals
alles andere als prunkvoll, und die Burg ist recht klein
(…)
Die Burg Chinon liegt natürlich inmitten der kleinen Stadt
Chinon, die eine Herberge besaß, die aber auch schon belegt
gewesen sein musste. In der Umgebung von Chinon gibt es
mehrere Schlösser, liegt schließlich alles im Herzen
Frankreichs. Dörfer gab es sicherlich auch reichlich damals,
zudem sind einige größere davon auch seigneuries gewesen.
Könnte man den Adel Frankreichs so stark verteilt haben? Die
Burgen sind mehrere Kilometer voneinander entfernt, 10km sind
dabei absolutes Minimum.

Also, die Stadt wird natürlich frequentiert worden sein. Nun gab es aber nicht bei jeder Burg eine Stadt, schon gar nicht bei den Pfalzen, die als Königsunterkunft ja schon angesprochen wurden.
Die Bauern der Umgebung mußten für die Versorgung von Adel und Troß herhalten, deshalb zog der König ja so viel rum: Das Riesengefolge (die Tiere nicht zu vergessen…) hatte die Umgebung sehr schnell leer gefressen, also mußte die ganze Bagage weiter ziehen. („Heuschrecken“ hatte damals vermutlich noch eine weitere Bedeutung als heute…)
Erst nach durchschnittlich drei Jahren war so eine Pfalz wieder „fit“ genug, um den König wieder aushalten zu können.
Zurück zum Thema: Bei den Bauern konnte der Adel natürlich nicht einquartiert werden - völlig unzumutbar. Also hatte der Adel seine Unterkunft selbst dabei: In Form von Zelten!
Lies dir mal eine Beschreibung des Mainzer Hoffestes durch: Barbarossa hielt auf den Mainzer Wiesen einen der prächtigsten Reichstage des Mittelalters ab (anläßlich der Schwertleite seiner Söhne wollte er allen im Reich klar machen, wer hier das Sagen hatte). Mehrere zehntausend Ritter kampierten damals vor Mainz und versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen - unter anderem mit ihren Zelten.

Im Armeemuseum in Ingolstadt steht noch ein Zelt, das der türkische Feldherr bei der ersten Belagerung vor Wien zurücklassen musste. So läßt sich´s leben. Als mittelalterlicher Adliger hatte man vermutlich ein ähnliches Zelt. Besser als ein stinkiges Bauernhaus oder ein muffiges Burgzimmer war´s allemal.

Vg
Christian

1 Like

Anders als im Hochmittelalter…
Also, die haben da jahrelang Hof gehalten…Chinon war damals Stammsitz und die sind da recht lang geblieben.
Das mit den Zelten ist aber eine gute Idee, auch wenn es im Winter recht kalt gewesen sein muss.
Wie gesagt, es handelt sich um des auslaufende Spätmittelalter, da waren die Verhältnisse auch wenig mittelalterlich (was wir immer unter Mittelalter verstehen :smile: ).
Die Einwohner von Chinon waren ja auch Bürger, also mitunter viele Kaufleute, Bauern gab es dann eher außerhalb in den kleineren Dörfern.

Wenn es sich um das Hochmittelalter handeln würde, wäre eigentlich auch alles klar, aber die Verhältnisse waren 1429 eben wieder ganz anders. Macht die Recherche doch gleich mal schwieriger und zeitaufwändiger :smile:

Also, die haben da jahrelang Hof gehalten…Chinon war damals
Stammsitz und die sind da recht lang geblieben.

Moment, Moment. Du sprachst doch von einem einmaligen Ereignis mit 300 Gästen? Und wer hat da in Chinon Hof gehalten?
Die Adligen von Chinon hatten ihre Unterkünfte selbstverfreilich in der Burg und nirgendwo sonst.

Das mit den Zelten ist aber eine gute Idee, auch wenn es im
Winter recht kalt gewesen sein muss.

So furchtbar warm war´s auch in einer Burg nicht. Felle an Wänden und vor Fenstern hielten die Kälte notdrüftig draussen, es gab - außer der Kemenate - nur einen einzigen beheizbaren Raum und dicke kleidung war angesagt, neben unzähligen Lagen Dekcen und Fellen.
Ein Zelt aus dickem Material ließ sich eher besser beheizen als so eine Burg…

Wie gesagt, es handelt sich um des auslaufende
Spätmittelalter, da waren die Verhältnisse auch wenig
mittelalterlich (was wir immer unter Mittelalter verstehen :smile:
).

Solang wir von einer richtigen Burg sprechen und nicht etwa schon von einem Schloß, dürften sich die „mittelalterlichen“ VErhältnisse nicht so arg verbessert haben.

Die Einwohner von Chinon waren ja auch Bürger, also mitunter
viele Kaufleute, Bauern gab es dann eher außerhalb in den
kleineren Dörfern.

Wenn es sich um das Hochmittelalter handeln würde, wäre
eigentlich auch alles klar, aber die Verhältnisse waren 1429
eben wieder ganz anders. Macht die Recherche doch gleich mal
schwieriger und zeitaufwändiger :smile:

Oh ja!!

VG
Christian

Hey :smile:
Es war ein einmaliges Ereignis, denn es ist der einzige Abend, der wirklich geschildert wurde. Es war aber kein besonderer Festtag, also kann man annehmen, dass es tagtäglich so ausgesehen hat, dass der Palas gut gefüllt war.
Ich würde die Adligen liebend gern auf der Burg unterbringen, aber dafür fehlt leider der Platz.
Der Thronfolger hatte sich dorthin zurückgezogen, weil er dort noch in Sicherheit gewesen ist, und da er sehr träge war, war er nicht scharf, seine Unterkunft häufig zu wechseln.

Also, solche Sachen wie Kemenate liegen leider schon ne Weile zurück, zu der Zeit wurden alle königlichen Gemächer bereits beheizt.
Wieso können die Professoren net mal 1000-Seiten-Wälzer über des ausgehende Mittelalter schreiben?
Und da es bald schon Renaissance war, hatten sich die Verhältnisse deutlich verbessert, zwischen dem 14. Jahrhundert und gerade der Zeit um 1430 gibt es himmelschreiende Unterschiede.

Die Burg von Chinon (wird übrigens auch manchmal mit Schloss übersetzt) bestand aber auch aus drei Burgen, vielleicht waren die Adligen dann in den Ruinen der Plantagenet-Burg untergebracht?

Liebe Grüße,
Jessica