Hallo,
9 Monate ist das Alter der beginnenden Pubertät. Der Welpencharme ist verflogen, Rüden haben ihre ersten Raufereien, und Erziehungsfehler beginnen sich deutlicher zu zeigen. Das kann ein Grund für die Abgabe sein.
Dagegen spricht die Aussage, dass der Hund gut erzogen ist. Das wäre eine Sache, die ich überprüfen würde. Macht einen gemeinsamen Spaziergang und sieh dir an, was der Hund kann und was nicht. Praktischerweise kannst du dabei gleich hören, welche Kommandos verwendet werden. Die wirst du brauchen, wenn du dich für den Hund entscheidest - und das ist auch ein gutes Argument für den gemeinsamen Ausflug. Dabei kriegt ihr so ganz nebenbei auch mit, ob der Kot okay ist.
Entscheidende Kriterien für mich wären:
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Unbefangenheit des Hundes. Der Hund sollte freundlich und offen auf euch zugehen. Bellen, Knurren, aufgestellte Nackenhaare (sieht man bei den Sennenhunden oft) oder eingeklemmte Rute sind Zeichen von Unsicherheit. Solche Hunde können anstrengend werden.
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Sich anfassen lassen. Die erste Berührung eines fremden Hundes sollte immer von unten erfolgen. Man lässt den Hund an der Hand schnuppern und arbeitet sich dann kraulend von der Unterseite des Fanges an den Kopf- und Halsbereich vor. Das sollte er in jedem Fall problemlos akzeptieren. Ganz cool wäre er, wenn er sich auch von vorne/oben auf den Kopf tatschen lässt. Hier darf er zurück-/ausweichen, allerdings keinesfalls mit Aggression reagieren.
Bitte den Besitzer, den Hund mal hochzuheben und ein paar Meter auf dem Arm zu tragen. Das sollte der Hund ohne Gegenwehr akzeptieren. Ein bisschen zappeln ist okay, aggressives Verhalten keinesfalls. Das Gleiche gilt für das Berühren von Pfoten, der Rute, dem Bauch und den Hoden. Du kannst ebenfalls darum bitten, dass er den Hund hinlegen lässt und aus dieser Position zum Bauchkraulen sanft auf den Rücken dreht. Ideal ist es, wenn der Hund das total klasse findet. Dulden sollte er es auf jeden Fall.
- Bewegungsfreude. Ein Appenzeller in diesem Alter sollte sich freudig bewegen und gerne rennen. Alles andere wäre auffällig.
Das wäre die Pflicht. Alles andere, wie Leinenführigkeit, Freilauf, Gehorsam insgesamt wäre für mich die Kür. Klasse, wenn ein Hund in diesem Alter es beherrscht, kein Drama, wenn er es nicht tut. Das alles kann er lernen. Entscheidend ist, dass er freundlich, zutraulich und möglichst sicher im Verhalten ist. Lieber ein bisschen Rambo als ein Mimöschen. Letzteres solltet ihr euch auch nicht schönreden (lassen). Es ist NICHT rassetypisch, auch wenn das gerne behauptet wird.
Die Zurückhaltung, die man den Sennenhunden rassbedingt zuschreibt, hat NICHTS mit Anzeichen von Unsicherheit zu tun. Sie ist eher so zu verstehen, dass der Hund gelassen fremde Annäherung über sich ergehen lässt, aber dabei quasi sagt: „Netter Versuch, aber ich hab’ schon ein Herrchen“. Bei einem 9 Monate alten Hund ist das aber ohnehin noch nicht zu erwarten. Das prägt sich erst ab ca. 1,5-2 Jahren aus.
Krankheitsanzeichen sind in diesem Alter kaum zu erkennen. Es gibt schwere Fälle von Hüftgelenksdysplasie und anderen Skeletterkrankungen, die sich bereits beim jungen Hund durch Bewegungsunlust und dauerhafte Lahmheiten zeigen. Diese sind aber die Ausnahme. Im Normalfall kann man selbst eine schwere HD in diesem Alter nicht erkennen, und selbst Röntgenbilder sind noch nicht aussagefähig.
Was man häufig sehen kann, ist starker Parasitenbefall. Stumpfes Fell, ständiges Schütteln oder Kopfschütteln, ständiges Kratzen. Auch entzündete Augen und Triefnasen sind sofort sichtbar. In die Ohren kann mal riechen. Sie sollten geruchlos sein. Gleichzeitig merkt man dabei, ob der der Hund sich an den Ohren berühren lässt.
Wichtig ist ein vorhandener Heimtierausweis, in den die Grundimmunisierung gegen Staupe, Parvovirose und Tollwut eingetragen sein sollten. Weitere Impfungen sind nett, aber nicht zwingend nötig. Der Hund muss zudem gechipped sein. Es empfiehlt sich unter Umständen, die Identität des Hundes mit Hilfe eines Lesegeräts zu prüfen.
Es kann tatsächlich sein, dass die jetzigen Besitzer eine Veränderung der Lebensumstände erleben und den Hund aus diesen Gründen abgeben. Und auch wenn sie einfach festgestellt haben, dass sie dem Hund nicht dauerhaft gerecht werden können/ wollen, ist das ein legitimer Abgabegrund.
In jedem Fall solltet ihr einen ordentlichen Kaufvertrag machen.
Schöne Grüße,
Jule