DIHK-Forderung

"DIHK-FORDERUNG

Jeder Arbeitnehmer soll 500 Stunden umsonst arbeiten

DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun hat seine eigenen Vorstellungen, wie die Wirtschaft in Deutschland wieder in Schwung gebracht werden kann. Sein Vorschlag: Arbeitnehmer sollen in den kommenden fünf Jahren 500 Stunden lang umsonst arbeiten."
Quelle: SPIEGEL

Hallo ihr,

haben mich meine VWL-Grund-Kenntnisse aus dem Studium jetzt völlig verlassen, oder ist diese Forderung in dieser Phase wirklich so unsinnig?

Wenn in dieser Größenordnung (5-8Mio. Menschen * 500Std.) kostenlose Mehrarbeit gemacht wird, sinken die Stückkosten doch erheblich -> die Preise gehen runter -> da wir eh an der Schwelle zur Deflation stehen, macht die Volkswirtschaft jetzt den entscheidenen Schritt hinein…

just my 2ct.

Liege ich so falsch - ich kann mir nämlich nicht vorstellen dass eine DEUTSCHE INDUSTRIE UND HANDELSKAMMER soetwas nicht einkalkuliert… ?

Gruß
Don

Moin Don,

das ist natürlich mehr als unsinnig der Vorschlag. Und das weiss auch der DIHK-Präsident. So dumm ist er nicht. Wahrscheinlich will er nur den Boden für weniger schwachsinnige Vorschläge bereiten. Die klingen dann nicht mehr so absurd.

haben mich meine VWL-Grund-Kenntnisse aus dem Studium jetzt
völlig verlassen, oder ist diese Forderung in dieser Phase
wirklich so unsinnig?

Sie ist nicht nur in dieser Phase unsinnig. Natürlich gibt es Branchen und Firmen, in denen man hierfür Verständnis haben könnte. Aber es gibt auch heute noch gut funktionierende Branchen und Firmen. Aber es soll ja jeder 500 Std. unbezahlt arbeiten. Was macht das für einen Sinn, wenn es der Firma gut geht?

Oder was macht es für einen Sinn, wenn es der Volkswirtschaft gut geht? Denn das soll ja über 5 Jahre laufen. Und natürlich weiss auch der DIHK-Präsident nicht, wie die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland im Jahr 2005 oder 2006 ist.

Wenn in dieser Größenordnung (5-8Mio. Menschen * 500Std.)
kostenlose Mehrarbeit gemacht wird, sinken die Stückkosten
doch erheblich -> die Preise gehen runter -> da wir eh
an der Schwelle zur Deflation stehen, macht die
Volkswirtschaft jetzt den entscheidenen Schritt hinein…

Das sehe ich allerdings weniger als Problem an. Natürlich ist das möglich. Andererseits ist auch denkbar, dass - durch einen Irak-Krieg - der Ölpreis länger steigt und wir Inflation importieren. Das könnte das dann ausgleichen. Ausserdem könnte die EZB mit ihrer Inflationsphobie dann die Zinsen stärker senken. Was das Wachstum, aber auch die Inflation, erhöhen könnte. Dadurch könnte der Deflation (ungewollt bzw. gewollt) gegengearbeitet werden.

Liege ich so falsch - ich kann mir nämlich nicht vorstellen
dass eine DEUTSCHE INDUSTRIE UND HANDELSKAMMER soetwas nicht
einkalkuliert… ?

Natürlich haben sie es einkalkuliert. Aber darum geht es nicht. Es ist 100%ig sicher, dass dieser Vorschlag nicht umgesetzt wird. Das weiss auch die DIHK. Also geht es nicht um einen Vorschlag, der umgesetzt werden soll, sondern um einen mit dem Stimmung gemacht werden soll.

Ciao

Ralf

Hallo,

könnte. Aber es gibt auch heute noch gut funktionierende
Branchen und Firmen. Aber es soll ja jeder 500 Std.
unbezahlt arbeiten. Was macht das für einen Sinn, wenn es der
Firma gut geht?

vor allem sollte er sich mal mit den Gewerkschaften abstimmen. Die erzählen nämlich schon seit 15 Jahren, daß es tausende von Arbeitsplätzen bringt, wenn jeder von uns 1-5 Stunden pro Woche weniger arbeiten würde. Im gleichen Atemzug und aus dem gleichen Grund wird der Abbau von Überstunden verlangt.

Und das ist doch genau der Knackpunkt. Der DIHK fordert also, daß zukünftig für die Überstunden, die sowieso anfallen, nicht nur keine Überstundenzuschläge, sondern sogar überhaupt kein Entgeld bezahlt wird.

Gut, daß mir ein derartiger Blödsinn am Ar… vorbeigeht, weil ich a) mehr Überstunden leiste und die b) auch nicht bezahlt bekomme.

Gruß
Christian

P.S.

500 Stunden entsprechen über 5 Jahre 2,5 Wochen pro Jahr. Mit anderen Worten: 5-6 Wochen Urlaub stehen 2,5 Wochen Mehrarbeit gegenüber. Derzeit ist der durchschnittliche Arbeitnehmer rd. 13 Tage krank. Auch etwa 2,5 Wochen. Da der Krankenstand erwiesenermaßen mit der Zufriedenheit der Mitarbeiter zusammenhägt, ergeben sich zwei Konsequenzen:
Die Mitarbeiter werden sich ihre Zeit wiederholen.
Besserer Ansatz wäre, die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen.

Hallo ihr,

dass die Forderung höchst diskutabel und (bei der Gewerkschaftsmacht in D) nicht umsetzbar ist, steht für mich außer Frage.

Ich wollte eigentlich die Diskussion eher darauf lenken, ob der Vorschlag nicht einfach ein bischen kurzsichtig ist (a la: alle arbeiten kostenlos, die Produkte werden billiger, mehr Verkäufe, also gehts der Wirtschaft wieder gut). Für mich hört sich das ein wenig nach „Klein Fritzchen gesundet die Wirtschaft“ an. Ich denke, die Vorschläge haben volkswirtschaftlich nämlich noch die von mir im obigen Posting beschriebenen Folgen. Oder täuscht mich mein VWL-Halbwissen ?

Gruß
Don

Hallo,

alle arbeiten kostenlos, die Produkte werden billiger, mehr
Verkäufe, also gehts der Wirtschaft wieder gut). Für mich hört
sich das ein wenig nach „Klein Fritzchen gesundet die
Wirtschaft“ an. Ich denke, die Vorschläge haben
volkswirtschaftlich nämlich noch die von mir im obigen Posting
beschriebenen Folgen. Oder täuscht mich mein VWL-Halbwissen ?

grundsätzlich: Deflation entstehet u.a. dann, wenn die privaten Haushalte davon ausgehen, daß Gut A zum Zeitpunkt heute + X billiger ist als heute und den Konsum vertagen, die Hersteller und Händler sich genötigt fühlen, die Preise zu reduzieren, um zum Zeitpunkt heute überhaupt noch etwas abzusetzen und damit die Erwartungen der Konsumenten einerseits zu bestätigen und andererseits auf die Zukunft fortzuschreiben. Das passiert derzeit im Einzelhandel, der sich mit Rabatten und Schnäppchen usw. derzeit überschlägt. Der Effekt ist allerdings auf eine Branche und Produkte beschränkt und in sofern (noch) nicht dramatisch.

Ob der DIHK-Vorschlag in dieser Hinsicht nennenswerte Effekte hat, wage ich zu bezweifeln. Den meisten Konsumenten sind die möglichen Folgen (wie beschrieben) der Initiative unbekannt bzw. zumindest nicht präsent, wenn sie überlegen Gut A oder B zu erwerben.

Außerdem bedeutet die Initiative nicht einfach nur mehr Arbeit, sondern vor allem weniger Gehalt für die Angestellten, denn die Arbeit wurde ja vorher auch geleistet, nur eben als Überstunde bezahlt. Daher bedeutet dies eine effektive Lohnkürzung, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Nachfrage.

Das ganze funktioniert nur, wenn man das Ausland in Betracht zieht. Allerdings habe ich meine Zweifel, daß deutsche Produkte im Ausland gekauft werden, weil sie günstig sind. Eine weitere Preissenkung würde da wenig neue Nachfrage generieren.

Gruß
Christian