Kiefergelenkserkrankung mittlerer Art?

Hallo zusammen,

in Ergänzung zu meinem wenige Zeilen weiter unten angeführten Thread „Krone weg“ noch eine Frage.

Heute bekam ich die Rechnung über die Krone (bin privat versichert). Beiliegend auch ein Formular „klinischer Funktionsstatus“, bei dem die GOZ-Positionen 800, 801, 802, 803 und 805 angekreuzt sind sowie „es liegt eine Kiefergelenk-Erkrankung mittlerer Art vor“. Dann kommt so eine Tabelle, wohl das Zahnschema, bei dem am entsprechenden Zahn eben ein „K“ wie Krone eingetragen wurde.

Was ist nun die „mittlere Erkrankung“? Bezieht sich das jetzt auf die Krone, oder ist das ganz was anderes? Hat der Doc nämlich keinen Ton drüber gesagt und ich bin jetzt etwas verwirrt… Mein Mund geht doch ohne Probleme auf und zu, ich weiß nicht was da an meinem Kieferscharnier kaputt sein soll?!

Bussi!

Hi,

das ist die Abrechnungsposition von der Funktionsanalyse die macht man in der Regel bei Kronen im Backenzahnbereich oder bei größeren Zahnersatzarbeiten. Diese Funktionsanalyse dient dazu da, dass der Zahntechniker Dir eine Krone macht damit sie keine Störkontakte enthält beim Kauen… Der Zahntechniker kann mit Hilfe eines Artikulators Deine Reibe und Mahlbewegungen nachmachen und Deine Krone dann passender machen, damit der Zahnarzt nicht soviel einschleifen muss wenn die Krone dann eingesetzt ist.

gruß hanna

Hallo zusammen,

in Ergänzung zu meinem wenige Zeilen weiter unten angeführten
Thread „Krone weg“ noch eine Frage.

Heute bekam ich die Rechnung über die Krone (bin privat
versichert). Beiliegend auch ein Formular „klinischer
Funktionsstatus“, bei dem die GOZ-Positionen 800, 801, 802,
803 und 805 angekreuzt sind sowie „es liegt eine
Kiefergelenk-Erkrankung mittlerer Art vor“. Dann kommt so eine
Tabelle, wohl das Zahnschema, bei dem am entsprechenden Zahn
eben ein „K“ wie Krone eingetragen wurde.

Was ist nun die „mittlere Erkrankung“? Bezieht sich das jetzt
auf die Krone, oder ist das ganz was anderes?

Servus Maverick,

es gibt keine ‚Kiefergelenkerkrankung mittlerer Art‘. Das ist ein Phantasieprodukt Deines Docs, damit er den Leistungen 800 und folgende ein einleuchtendes Umfeld geben kann. Hier sind die Leistungen, wie sie in der GOZ stehen:

801 Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers, je Registrat

Die Leistung nach Nummer 801 ist höchstens zweimal
berechnungsfähig.

802 Modellmontage nach arbiträrer Scharnierachsenbestimmung
(eingeschlossen sind die arbiträre Scharnierachsenbestimmung, Anlegen eines Übertragungsbogens, Koordinieren eines Übertragungsbogens mit einem Artikulator und Modellmontage) einschließlich Material und Laborkosten

803 Modellmontage nach kinematischer Scharnierachsenbestimmung (eingeschlossen sind die kinematische Scharnierachsenbestimmung, definitives Markieren der Referenzpunkte, Anlegen eines Übertragungsbogens, Koordinieren eines Übertragungsbogens mit einem Artikulator und Modellmontage) einschließlich Material und Laborkosten

804 Montage des Gegenkiefermodells mit Hilfe von Registraten
oder ähnlichen Verfahren einschließlich Fixieren und Überprüfen der gefundenen Position einschließlich Material und Laborkosten.

805 Registrieren von Unterkieferbewegungen zur Einstellung halbindividueller Artikulatoren und Einstellung nach den
gemessenen Werten

Zumindest das gleichzeitige Erbringen der Leistungen 802 und 803 ist schwer vorstellbar. Ob der gesamte Zauber für eine Einzelkrone nötig ist, ist zumindest umstritten.
Wenn all diese sogenannten gnathologischen Leistungen nicht vom Zahnarzt PERSÖNLICH vorgenommen wurden, handelt es sich im Falle ihrer Berechnung schlicht und einfach um Abrechnungsbetrug.

Hat der Doc nämlich keinen Ton drüber gesagt und ich bin jetzt etwas
verwirrt… Mein Mund geht doch ohne Probleme auf und zu, ich
weiß nicht was da an meinem Kieferscharnier kaputt sein soll?!

Der ‚Gesichtsbogen‘ und die ‚Registrate‘ gelten bei den Anhängern einer bestimmten Schule (Stichwort: Gnathologie) als unabdingbar, um einen Zahnersatz in das funktionelle Geschehen einzugliedern, ohne daß er stört. Die Evidenz dafür ist mager. Die Maßnahmen auf die Rechnung zu schreiben, ohne die Einwilligung des Patienten (Stichwort: ‚informed consent‘) einzuholen, ist grenzwertig oder leichtfertig. Hat statt des Zahnarztes die Helferin dem Patienten den Metallbogen in die Ohren gestöpselt - s.o.

Mei Liaba - wo bist’n do hi kumma?

Kai

Der ‚Gesichtsbogen‘ und die ‚Registrate‘ gelten bei den
Anhängern einer bestimmten Schule (Stichwort: Gnathologie) als
unabdingbar, um einen Zahnersatz in das funktionelle Geschehen
einzugliedern, ohne daß er stört. Die Evidenz dafür ist mager.
Die Maßnahmen auf die Rechnung zu schreiben, ohne die
Einwilligung des Patienten (Stichwort: ‚informed consent‘)
einzuholen, ist grenzwertig oder leichtfertig. Hat statt des
Zahnarztes die Helferin dem Patienten den Metallbogen in die
Ohren gestöpselt - s.o.

Mei Liaba - wo bist’n do hi kumma?

Kai

Hallo Maverick,

grundsätzlich stimme ich fast allen Bemerkungen von Kai zu. Die Notwendigkeit von gnathologischen Leistungen im Zusammenhang mit der Versorgung durch eine Einzelkrone lässt sich kaum konstruieren, es sei denn Du hättest tatsächlich eine funktionelle Erkrankung des Kausystems, die es im Gegensatz zur einleitenden Behauptung von Kai sehr wohl gibt. Wenn eine solche vorliegen würde, müssten allerdings auch irgendwelche Maßnahmen zur Therapie dieser „Kiefergelenkserkrankung mittlerer Art“ eingeleitet worden sein.

Das gleichzeitige Erbringen der Positionen 802 und 803 ist nicht vorstellbar und damit auch die entsprechende Abrechnung nicht nachvollziehbar.

Der ‚Gesichtsbogen‘ und die ‚Registrate‘ gelten bei den
Anhängern einer bestimmten Schule (Stichwort: Gnathologie) als
unabdingbar, um einen Zahnersatz in das funktionelle Geschehen
einzugliedern, ohne daß er stört. Die Evidenz dafür ist mager.

Diese Aussage von Kai sollte man allerdings als subjektive Meinungsäusserung sehen und nicht als fachliche Information.

Die Maßnahmen auf die Rechnung zu schreiben, ohne die
Einwilligung des Patienten (Stichwort: ‚informed consent‘)
einzuholen, ist grenzwertig oder leichtfertig.

Die Einwilligung eines Patienten muss man als Arzt nur bei invasiven Maßnahmen einholen (d.h. bei den Patienten verletzenden Maßnahmen). In diesem Fall musste der Zahnarzt ganz sicher nicht Deine Einwilligung einholen. Es hätte ihm allerdings sehr gut zu Gesicht gestanden, wenn er mit Dir vorher über die geplante Behandlung ausführlich gesprochen hätte.

Gruß Gero

Der ‚Gesichtsbogen‘ und die ‚Registrate‘ gelten bei den
Anhängern einer bestimmten Schule (Stichwort: Gnathologie) als
unabdingbar, um einen Zahnersatz in das funktionelle Geschehen
einzugliedern, ohne daß er stört. Die Evidenz dafür ist mager.

Diese Aussage von Kai sollte man allerdings als subjektive
Meinungsäusserung sehen und nicht als fachliche Information.

Servus Gero,
zur Erkenntnisgewinnung auf diesem Feld geben zur Zeit immerhin 4 amerikanische Universitäten 17 Millionen $ aus. Dort scheint man also ebenfalls der Meinung zu sein, daß die ‚Evidenz mager‘ sei.

http://www.medicalnewstoday.com/articles/137225.php

Weil ich mitlesende und -schreibende Kollegen nicht vor den Kopf stoßen wollte, habe ich mich vorsichtig ausgedrückt. Die EMINENZ-basierte Gnathologie habe ich seit P.K. Thomas, Peter Dawson und Walter Schöttl im Programm. Klar, daß ich über Jahrzehnte hinweg ab drei Kaueinheiten alles in den SAM-Artikulator gesteckt habe - nur die harte und illusionslose Weise, wie heute an alte Glaubenssätze herangegangen wird, sollte jeden von uns nachdenklich machen. Ein Cochrane-Institut und seine Arbeitsweise hilft schon aufräumen mit den Gurus und Wanderpredigern des Fortbildungszirkus.

Gruß

Kai

Hallo Kai,

der von Dir eingestellte Link zur OPPERA-Studie von Greenspan et al. erwähnt mit keinem Wort die von Dir postulierte „magere Evidenz“. Greenspan forscht über die Ursachen einer MAP (Myoarthropathie) bzw. CMD (craniomandibuläre Dysfunktion) und hat sich zumindest in diesem Link nicht zu Sinn und Unsinn einer Gesichtsbogenübertragung geäussert.

Servus Gero,
zur Erkenntnisgewinnung auf diesem Feld geben zur Zeit
immerhin 4 amerikanische Universitäten 17 Millionen $ aus.
Dort scheint man also ebenfalls der Meinung zu sein, daß die
‚Evidenz mager‘ sei.

http://www.medicalnewstoday.com/articles/137225.php

Weil ich mitlesende und -schreibende Kollegen nicht vor den
Kopf stoßen wollte, habe ich mich vorsichtig ausgedrückt.

Das ist ja sehr rücksichtsvoll von Dir. Ich bin im Übrigen auch kein Anhänger der alles heilenden instrumentellen Funktionsanalyse.

Die
EMINENZ-basierte Gnathologie habe ich seit P.K. Thomas, Peter
Dawson und Walter Schöttl im Programm. Klar, daß ich über
Jahrzehnte hinweg ab drei Kaueinheiten alles in den
SAM-Artikulator gesteckt habe - nur die harte und
illusionslose Weise, wie heute an alte Glaubenssätze
herangegangen wird, sollte jeden von uns nachdenklich machen.

Was willst Du mir denn damit sagen? Hoch leben Bob Lee, Th. Lundeen, P.K.Thomas und andere?? Die alten Glaubenssätze hatten durchaus ihre Berechtigung, um ein Grundverständnis der Problematik zu erlangen. Zum Glück versuchen heute kaum noch seriöse Zahnärzte eine CMD mit einer 4-Quadranten-Sanierung zu therapieren.

Ein Cochrane-Institut und seine Arbeitsweise hilft schon
aufräumen mit den Gurus und Wanderpredigern des
Fortbildungszirkus.

Gruß

Kai

Wenn das ausschließlich evidenzbasierte Handeln der allein selig machende Weg zum Heil wäre, gäbe es keinen medizinischen Fortschritt. Ohne mutige Innovationen (die zwangsläufig nicht evidenzbasiert sein können) gibt es keine Weiterentwicklungen.

Gruß
Gero

Wenn das ausschließlich evidenzbasierte Handeln der allein
selig machende Weg zum Heil wäre, gäbe es keinen medizinischen
Fortschritt. Ohne mutige Innovationen (die zwangsläufig nicht
evidenzbasiert sein können) gibt es keine Weiterentwicklungen.

Servus Gero,

es erhebt sich hierorts kein Widerspruch. Die Frage ist nur, ob nicht öfters die Falschen den ‚Mut zur Innovation‘ haben. Wenn ich z.B. bedenke, wieviele Tonnen Compositematerial in den Mündern der Patienten auf ihre klinische Bewährung warten, während Tausende von Patienten kein Steak mehr essen mögen, weil die Zahnzwischenräume voller Fleischfasern hängen. Wenn es Bio-Rind war, liegt dann wenigstens darin die Innovation.
>Sarkasmusmode OFF

Gruß

Kai