Diagnoseschwierigkeiten
Hallo Crotalus,
Nur eine kleine Anmerkung
Es gibt Erkrankungen, die eine depressive Erkrankung
verursachen oder begünstigen können,
Ist völlig richtig.
die aber in der Regel bei
der Diagnostik nicht berücksichtigt werden.
Dies ist nicht korrekt, ich weiss nicht, wie Du zu so einer Behauptung gelangst, aber bereits die Diagnose einer Major Depression (beispielsweise) oder einer anderen affektiven Störung beinhaltet den Ausschluss der eines medizinischen Krankheitsfaktors oder der direkten Wirkung einer Substanz oder eines Toxins.
Die Hinweise auf eine medizinische Verursachung sind wertvoll - aber es ist nicht gut, hier eine Pauschalisierung im Hinblick auf mögliche Diagnosen zu betreiben. Ein Angriff auf die Diagnostiker ist hier implizit wohl zu erkennen, aber sei Dir gewiss, daß bei jeder psychiatrischen oder pathopsychologischen Vorstellung oobligate medizinische Untersuchungen von einem Facharzt durchgeführt werden.
Hier zur Erinnerung die vollständigen Kriterien der Major Depression, die beispielhaft verwendet werden für die Affektiven Störungen.
Die Major Depression besitzt folgende DSM-IV-Kriterien:
A.
Mindestens fünf der folgenden Symptome bestehen während derselben Zwei-Wochen-Periode und stellen eine Änderung gegenüber der vorher bestehenden Leistungsfähigkeit dar; mindestens eines der Symptome ist entweder (1) Depressive Verstimmung oder (2) Verlust an Interesse oder Freude.
Beachte: Auszuschließen sind Symptome, die eindeutig durch einen medizinischen Krankheitsfaktor, stimmungsinkongruenten Wahn oder Halluzinationen bedingt sind.
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Depressive Verstimmung an fast allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages, vom Betoffenen selbst berichtet (z. B. fühlt sich traurig oder leer) oder von anderen beobachtet (z. B. erscheint den Tränen nahe). (Beachte: kann bei Kindern und Jugendlichen auch reizbare Stimmung sein).
Anmerkungen:
Eine den ganzen Tag anhaltende depressive Verstimmung ist kaum zu beobachten, da oftmals der Alltag depressiver Patienten auch durch Phasen normaler Emotionalität durchzogen ist. Depressive Phasen treten im Allgemeinen eher innerhalb kritischer sozialer Situationen mit großer Individualität auf, so z. B. beim Betrachten von Familien-Alben möglicherweise ebenso wie bei Besuchen etc.
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Deutlich vermindertes Interesse oder Freude an allen oder fast allen Aktivitäten, an fast allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages (entweder nach subjektivem Ermessen oder von anderen beobachtet).
Anmerkungen:
Das sog. verminderte Interesse ist so zu interpretieren, daß der soziale Aufforderungscharakter für ein Ansprechen des Patienten zu schwach ist.
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Deutlicher Gewichtsverlust ohne Diät oder Gewichtszunahme (mehr als 5% der Körpergewichtes in einem Monat) oder verminderter oder gesteigerter Appetit an fast allen Tagen. Beachte: Bei Kindern ist das Ausbleiben der zu erwartenden Gewichtszunahme zu berücksichtigen.
Anmerkungen:
Die Literatur zu dieser Symptomatik berichtet von einer Gewichtszunahme durch einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus der Patienten. So bemerkt der Patient, daß sich eine Müdigkeit während der Verdauungsvorgänge einstellt und löst durch die nächtliche Einnahme hochkalorisierter Nahrung Schlaf aus. Dadurch löst der Patient zwar sein Schlafproblem, nimmt jedoch an Gewicht zu.
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Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf an fast allen Tagen.
Anmerkungen:
Als Schlafstörungen werden z. B. Einschlaf- oder Durchschlafstörungen bezeichnet. Oftmals bedeutet für die davon betroffenen Patienten ein frei wählbarer Tagesablauf eine große Erleichterung, denn häufig grübeln sie nächtens über ihre Probleme und gelangen erst in den frühen Morgenstunden in den Schlaf – aber zu dieser Zeit müssen sie dann schon bald wieder aufstehen. Es zeigte sich, daß Jet-Lag bei Depressionspatienten viele Tage ein Fehlen der Symptome bewirkt, diese Ergebnisse lassen vermuten, daß der Schlaf-Wach-Rythmus eine große Bedeutung für die Depression zu heben scheint.
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Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung an fast allen Tagen (durch andere beobachtbar, nicht nur das subjektive Gefühl von Rastlosigkeit oder Verlangsamung).
Anmerkung:
Die Verlangsamung bezieht sich auf viele verschiedene motorische Bereiche, von langsamen Bewegungen, leisem Sprechen über geringen Aufdruck beim Schreiben mit Stiften bis hin zu reduzierter Mimik und Gestik.
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Müdigkeit oder Energieverlust an fast allen Tagen.
Anmerkung:
Dies ist im Wesentlichen die Konsequenz aus den vorstehenden Symptomen.
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Gefühle von Wertlosigkeit oder übermäßige oder unangemessene Schuldgefühle (die auch wahnhaftes Ausmaß annehmen können) an fast allen Tagen (nicht nur Selbstvorwürfe oder Schuldgefühle wegen des Krankseins).
Anmerkungen:
Hier zeigen sich kognitiv die klassischen Muster der Deevaluation von sich selbst.
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Verminderte Fähigkeit zu denken oder sich zu konzentrieren oder verringerte Entscheidungsfähgkeit an fast allen Tagen (entweder nach subjektivem Ermessen oder von anderen beobachtet).
Anmerkungen:
Hier zeigen sich Probleme bei den exekutiven Kontrollfunktionen und bei der Planung komplexer Handlungen – dies sollte so verstanden werden, daß bei einfachen Aufgaben nicht unbedingt Schwierigkeiten auftreten müssen, aber daß diese z. B. dann beobachtbar sind, wenn viele Dinge „gleichzeitig“ erledigt werden sollen. Die Patienten kapitulieren dann eher.
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Wiederkehrende Gedanken an den Tod (nicht nur Angst vor dem Sterben), wiederkehrende Suizidvorstellungen ohne genauen Plan, tatsächlicher Suizidversuch oder genaue Planung eines Suizids.
Anmerkungen:
Dieses Symptom tritt sehr häufig auf, eine besondere Herausforderung bildet für den Therapeuten die Tatsache, daß nicht unmittelbar ersichtlich ist, ob hier eine ernste Absicht oder ein Appell an die Umwelt ausgedrückt wird. Allgemein treten Suizide nicht während der Phasen extremer depressiver Verstimmung auf, sondern immer nur dann, wenn es dem Patienten besser geht.
B.
Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien einer Gemischten Episode.
C.
Die Sympome verursachen in klinisch bedeuteutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder andern wichtigen Funktionsbereichen.
D.
Die Symptome gehen nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hypothyreose) zurück.
E.
Die Symptome können nicht besser durch Einfache Trauer erklärt werden, d. h. nach dem Verlust einer geliebten Person dauern die Symptome länger als zwei Monate an oder sie sind durch deutliche Funktionsbeeinträchtigungen, krankhafte Wertlosigkeitsvorstellungen, Suizidgedanken, psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung charakterisiert.
MfG,
Der Captain