§229 BGB Selbsthilfe

Hallo an die Rechtsexperten,

nehmen wir folgenden Fall an:

Eine Frau wird Opfer einer Vergewaltigung, der Täter kann entkommen. 3 wochen später sitzt die Frau mit ihrem Freund in einer Kneipe. Plötzlich betritt der Täter die Bar. Die Frau erkennt ihn und bittet nun ihren Freund den Täter für sie, da sie körperlich nicht in der Lage dazu ist, festzunehmen. Der Freund versucht es, Täter versucht sich der Festnahme zu entziehen, es kommt zu einer heftigen körperlichen auseinandersetzung bei der der Täter verletzt wird. Freund der Frau bekommt oberhand und kann Täter festnehmen und diesen dann der gerufenen Polizei übergeben.

So nun zu meiner Frage:

Zählt hier die Festnahme nach § 229 BGB Selbsthilfe, kann die Frau ihren „Anspruch“ hier auf einen anderen übertragen und dieser obwohl er kein sog. Besitzdiener ist für sie die Festnahme durchführen? Ist dadurch die Freiheitsberaubung und Körperverletzung gerechtfertigt?

Hoffe ich hab diese Frage klar genug gestellt und ihr könnt mir hier bei einer Diskussion mit kollegen helfen.

Danke Gruß Katie

Das Recht aus § 229 BGB steht nach der herrschenden Meinungen nur dem Berechtigten selbt zu. Es gibt hierzu jedoch auch andere Auffasungen.

M. E. ist die Frage falsch gestellt, weil du eine falsche Antwort implizierst. Es geht hier doch gar nicht um § 229 BGB, sondern um eine Festnahme nach § 127 StPO. Und gilt nur, wenn der Täter auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird (s. Wortlaut):

http://dejure.org/gesetze/StPO/127.html

M. E. ist darum die gesamte Festnahme rechtswidrig und strafbar, nämlich Freiheitsberaubung und ggf. Körperverletzung und Nötigung. Richtig wäre es gewesen, die Polizei zu rufen.

Levay

M. E. ist die Frage falsch gestellt, weil du eine falsche
Antwort implizierst. Es geht hier doch gar nicht um § 229 BGB,
sondern um eine Festnahme nach § 127 StPO. Und gilt nur, wenn
der Täter auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird

Es geht nicht um festnahme nach §127 StPo die ja auch nicht gefragt wurde sondern expliziet nach BGB.

M. E. ist darum die gesamte Festnahme rechtswidrig und
strafbar, nämlich Freiheitsberaubung und ggf. Körperverletzung
und Nötigung. Richtig wäre es gewesen, die Polizei zu rufen.

Der Täter will flüchten und die Frau hat einen einklagbaren Anspruch (Schmerzensgeld, Schadensersatz etc.) und hier setzt die Frage an. Kann diese Festnahme wenn der Täter fliehen will und obrigkeitliche Hilfe nicht erreichbar ist und das nicht sofortige Einschreiten die Anspruchsdurchsetzung damit vereitelt durch einen anderen nicht Besitzdiener durchgesetzt werden.

Gruß Katie

Eben, du hast explizit nach § 229 BGB gefragt, und ich halte den nach wie vor für nicht anwendbar. Dies jedenfalls deswegen, weil auch hier obrigkeitliche Hilfe hätte erlangt werden können; eine Gaststätte und weit und breit kein Telefon? Glaube ich dir nicht.

Aber um auf deine Frage zu kommen: Fremde Ansprüche sind nicht selbsthilfefähig, man kann allerdings als Vertreter oder Beauftragter handeln (Hk-BGB, § 229-231 Rn. 2).

Ich zweifle an der Anwendbarkeit von § 229 BGB aber noch aus einem anderen Grund: Die Festnahme nach dieser Vorschrift ist nämlich nur möglich, wenn ein persönlicher Sicherheitsarrest möglich wäre, arg. ex § 230 III BGB.

So oder so: Meiner Ansicht nach hat sich der hilfsbereite Freund hier strafbar gemacht, weil er durch keinen gesetzlichen Erlaubnistatbestand gerechtfertigt war.

Levay

Ich zweifle an der Anwendbarkeit von § 229 BGB aber noch aus
einem anderen Grund: Die Festnahme nach dieser Vorschrift ist
nämlich nur möglich, wenn ein persönlicher Sicherheitsarrest
möglich wäre, arg. ex § 230 III BGB.

Hallo Levay,

Ich vermute, du meinst den persönlichen Sicherheitsarrest nach § 918 ZPO. Ich bin da etwas abweichender Meinung. M.E. nach verbietet § 230 III nicht, dass Festnahmen nur mit der Zielrichtung des persönlichen Sicherungsarrestes durchgeführt werden dürfen. Er schreibt den persönlichen Arrest erst dann vor, wenn der Festgenommene nicht wieder in Freiheit gesetzt wird. Von daher ließe er doch gerade die Möglichkeit zu, eine Person am Weggehen zu hindern und vorübergehend festzuhalten, um diese zu identifizieren. Der Festnehmende könnte z.B. den Ausweis verlangen (womit schon die Gründe für die Festnahme entfielen, denn dann kann man ja seine Ansprüche durchaus mit obrigkeitlicher Hilfe durchsetzen) oder diesen bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Sodann würde er wieder in Freiheit gesetzt und die Vorführung vor Gericht wäre nicht mehr erforderlich. Die Interessen des Festnehmenden wären dann (durch die vorläufige Maßnahme) gesichert und ein persönlicher Arrest nicht mehr erforderlich.

Dass es sich bei der Festnahme um die Durchsetzung zivilrechtlicher und nicht strafrechtlicher Ansprüche handelt, setze ich mal voraus. Aber, um wieder auf den Ursprungsfall zurückzukommen, auch ich tendiere eher dazu, die Festnahme als rechtswidriges Handeln anzusehen.

Gruss

Iru

M.E. nach
verbietet § 230 III nicht, dass Festnahmen nur mit der
Zielrichtung des persönlichen Sicherungsarrestes durchgeführt
werden dürfen.

Mein Kommentar sagt, dass der persönliche (Sicherheits-)Arrest möglich sein muss. Und er sagt, dies sei der Umkehrschluss aus § 230 III. Ich finde das durchaus einsichtig. Man mag das m.E. auch anders sehen können, ich habe mich damit jetzt nicht intensiv beschäftigt, wollte also eher Zweifel anmelden, als ein endgültiges Ergebnis mitteilen.

Von daher ließe er doch gerade die Möglichkeit zu, eine
Person am Weggehen zu hindern und vorübergehend festzuhalten,
um diese zu identifizieren. Der Festnehmende könnte z.B. den
Ausweis verlangen

Woraus ergibt sich das? Das kann er m.E. gerade nicht. Er kann überhaupt nichts verlangen.

(womit schon die Gründe für die Festnahme
entfielen, denn dann kann man ja seine Ansprüche durchaus mit
obrigkeitlicher Hilfe durchsetzen) oder diesen bis zum
Eintreffen der Polizei festhalten.

Das mit der Polizei ist eh der Knackpunkt. Die hätte man hier wahrscheinlich ja rufen können und dann eben auch müssen.

Dass es sich bei der Festnahme um die Durchsetzung
zivilrechtlicher und nicht strafrechtlicher Ansprüche handelt,
setze ich mal voraus. Aber, um wieder auf den Ursprungsfall
zurückzukommen, auch ich tendiere eher dazu, die Festnahme als
rechtswidriges Handeln anzusehen.

Und mit welcher Begründung dann?

Levay

Und mit welcher Begründung dann?

Weil, wenn überhaupt eine Festnahme erfolgen würde, die auf § 127 StPO fußen müsste, aber hier die Voraussetzungen fehlten. Zum anderen - wie Du schon richtig sagtest - wäre der Anruf bei der Polizei die nächstliegende Möglichkeit gewesen statt das Recht in eigene Hände zunehmen.

Meine Ausführungen zur Festnahme mit der Zielrichtung persönlicher Arrest bezogen sich einzig und alleine auf Deine Bemerkung zu § 230 Abs. 3, nicht aber auf den Ursprungsfall. War also mehr theoretisch. :smile:

Gruss

Iru

Ich wüsste nicht, warum nicht grundsätzlich auch § 229 BGB eingreifen können sollt sollte; es gilt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. I.E. spielt es keine Rolle, weil er - wie auch § 127 StPO - tatbestandlich nicht eingreifen dürfte.

Ich möchte aber noch mal darauf hinweisen, dass eine Festnahme nach § 299 BGB nur erlaubt ist, wenn die Voraussetzungen des persönlichen Arrests vorliegen, und das tun sie fast nie und zwar insbesondere auch dann nicht wenn ein dinglicher Arrest möglich wäre. Selbst an diesen Voraussetzungen kann man hier zweifeln (Glaubhaftmachung eines Arrestgrundes), aber wenn überhaupt, dann würde ein dinglicher Arrest (=Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung) doch ausreichen.

Levay

PS
Ich weise noch darauf hin, dass der vorläufige Rechtsschutz - auf den es hier ja indirekt ankommt - NICHT die Verbesserung der Vollstreckungsmöglichkeiten bewirken soll, sondern nur deren Verschlechterung verhindern.

Ich bleibe dabei: Eine Festnahme wäre hier nach § 229 BGB schon deswegen nicht möglich.

Levay

Ich bleibe dabei: Eine Festnahme wäre hier nach § 229 BGB
schon deswegen nicht möglich.

Bayerisches Oberstes Landesgericht, RReg 5 St 92/90 (Festnahme ohne Möglichkeit des persönliches Arrestes), ausdrücklich nur für vorübergehenden Rechtsschutz.

Gruss

Iru

Hallo,

Ich weise noch darauf hin, dass der vorläufige Rechtsschutz -
auf den es hier ja indirekt ankommt - NICHT die Verbesserung
der Vollstreckungsmöglichkeiten bewirken soll, sondern nur
deren Verschlechterung verhindern.

Ich bleibe dabei: Eine Festnahme wäre hier nach § 229 BGB
schon deswegen nicht möglich.

Ich will Dir ja nicht widersprechen, wenn Du dir aber gewisse Fachliteratur (priv. sicherheitsgewerbe) anschaust, dann ist dort der § 229 BGB ausdrücklich als einschreitgrund zur vorlaüfigen festnahme wegen Durchsetzung eines einklagbaren Anspruches angeführt. Hier wird von alle dem anderen nichts gefordert.
Wie gesagt die obrigkeitliche Hilfe darf nicht erreichbar sein. Wenn ich in einer Kneipe bin und dort der Täter fliehen will, dann wissen wir sehr wohl, dass ich zwar die Polizei rufen kann aber bis diese kommt ist er weg. Das war der ursprungsfall. Ich kann meinen Anspruch nicht durchsetzen, wenn ich nicht sofort eingreife.
Nun meine Frage kann ich mich eines anderen bedienen wenn ich körperlich nicht in der Lage bin.

Wenn die Polizei da wäre dann ist mir auch klar das ich die nehmen muß.

Übrigens gibt es sogar Rechtsanwälte welche den §229 BGB sogar als sog. Jedermannsrecht betiteln. Wobei uns sehr wohl klar ist das dies nicht der Fall ist.

Hoffe ich hab alles richtig erklärt und freue mich auf deine Antwort.

Gruß Katie

Levay

Nun meine Frage kann ich mich eines anderen bedienen wenn ich
körperlich nicht in der Lage bin.

Ja, Du kannst durchaus jemanden beauftragen, Deine Rechte wahrzunehmen.

Gruss

Iru

Ich will Dir ja nicht widersprechen

Wieso denn nicht? Entgegen weit verbreiteter Gerüchte kann ich mit Widerspruch durchaus leben :wink:

wenn Du dir aber gewisse
Fachliteratur (priv. sicherheitsgewerbe) anschaust, dann ist
dort der § 229 BGB ausdrücklich als einschreitgrund zur
vorlaüfigen festnahme wegen Durchsetzung eines einklagbaren
Anspruches angeführt. Hier wird von alle dem anderen nichts
gefordert.

Das mag ja sein - ich traue da aber persönlich eher einem BGB-Kommentar. Aber um das noch mal zu sagen: Ich habe mich nicht vertieft eingearbeitet, und lt. Irubis gibt es da auch durchaus andere Rechtsprechung, sogar vom Bayerischen Obersten Landesgericht (das es freilich nicht mehr gibt *g*)

Wie gesagt die obrigkeitliche Hilfe darf nicht erreichbar
sein. Wenn ich in einer Kneipe bin und dort der Täter fliehen
will, dann wissen wir sehr wohl, dass ich zwar die Polizei
rufen kann aber bis diese kommt ist er weg.

Wenn ich mich recht entsinne, war nicht ersichtlich, dass der Täter gehen würde, und wenn, so hätte man ihn verfolgen können.

Ich kann meinen Anspruch nicht durchsetzen,
wenn ich nicht sofort eingreife.

Ich habe nur in einen einzigen Kommentar gesehen, und wenn das stimmt, was da steht, dann würde § 229 BGB aus den von mir genannten Gründen nicht greifen.

Nun meine Frage kann ich mich eines anderen bedienen wenn ich
körperlich nicht in der Lage bin.

Darauf habe ich dir ja auch Antwort gegeben. Das habe ich allerdings wiederum aus dem Kommentar.

Wenn die Polizei da wäre dann ist mir auch klar das ich die
nehmen muß.

Nein, du musst sie auch rufen.

Übrigens gibt es sogar Rechtsanwälte welche den §229 BGB sogar
als sog. Jedermannsrecht betiteln. Wobei uns sehr wohl klar
ist das dies nicht der Fall ist.

Wieso denn nicht? Mit Jedermanns-Recht ist gemeint, dass die Maßnahmen hier grundsätzlich von jedem getroffen werden können - und nicht nur von staatlichen Stellen. Das ist ja auch so.

Grüße,
Levay

Ich will Dir ja nicht widersprechen

Wieso denn nicht? Entgegen weit verbreiteter Gerüchte kann ich
mit Widerspruch durchaus leben :wink:

Soso seit wann denn :wink:

Das mag ja sein - ich traue da aber persönlich eher einem
BGB-Kommentar. Aber um das noch mal zu sagen: Ich habe mich
nicht vertieft eingearbeitet, und lt. Irubis gibt es da auch
durchaus andere Rechtsprechung, sogar vom Bayerischen Obersten
Landesgericht (das es freilich nicht mehr gibt *g*)

Ja aber in bayern zählen andere Gesetze. :wink:

Wenn ich mich recht entsinne, war nicht ersichtlich, dass der
Täter gehen würde, und wenn, so hätte man ihn verfolgen
können.

Hab ich ja glaub ich geschrieben der Täter will fliehen und ich traue es mir körperlich nicht zu und bediene mich eines anderen.

Übrigens gibt es sogar Rechtsanwälte welche den §229 BGB sogar
als sog. Jedermannsrecht betiteln. Wobei uns sehr wohl klar
ist das dies nicht der Fall ist.

Wieso denn nicht? Mit Jedermanns-Recht ist gemeint, dass die
Maßnahmen hier grundsätzlich von jedem getroffen werden können

  • und nicht nur von staatlichen Stellen. Das ist ja auch so

Ja aber ein Jedermannrecht sagt auch ausdas es vereinfacht Jedermann für Jedermann gegen Jedermann einsetzen kann und das scheitert ja hier eigentlich, da ich entweder Besitzer / Eigentümer (Anspruchsberechtigter) sein muß oder in ausnahmefällen auch Besitzdiener.

Grüße Katie

Grüße,
Levay

Ja aber ein Jedermannrecht sagt auch ausdas es vereinfacht
Jedermann für Jedermann gegen Jedermann einsetzen kann und das
scheitert ja hier eigentlich, da ich entweder Besitzer /
Eigentümer (Anspruchsberechtigter) sein muß oder in
ausnahmefällen auch Besitzdiener.

Nein, das meinen Juristen damit nicht.

Levay

Hallo!

Abgesehen von den Details zu § 229 BGB, die ich nicht kenne: mir fehlt hier nämlich eines: warum sollte die Festnahme zur Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruches erforderlich sein?=

Gruß
Tom

Hallo!

Abgesehen von den Details zu § 229 BGB, die ich nicht kenne:
mir fehlt hier nämlich eines: warum sollte die Festnahme zur
Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruches erforderlich
sein?=

Schmezensgeld / Schadenersatz

Gruß Katie

Gruß
Tom

Hallo!

Schmezensgeld / Schadenersatz

Ja das ist mir schon klar, aber was hindert die betroffene Person daran ihren Anspruch in dem vom Gesetz dafür vorgesehenen Weg, nämlich mit Klage vor dem Zivilgericht, durchzusetzen? Also mit dem steht und fällt doch jedes Selbsthilferecht oder nicht?

Gruß
Tom

Der Täter ist namentlich nicht bekannt; darum geht es.

Levay