Hallo Jörg,
Möllemann hat bewusst Tatsachen verdreht. „Die Juden“ sind
selbst schuld, wenn ihnen Unrecht geschieht.
Wieso reicht es dir nicht wiederzugeben, was er gesagt hat, nämlich, dass Sharon und Friedman den Antisemiten Zulauf verschaffen würden?
Wieso
„die Behauptung des Gegners über ihre natürliche Grenze hinausführen, sie möglichst allgemein deuten, in möglichst weitem Sinne nehmen und sie übertreiben; … weil je allgemeiner eine Behauptung wird, desto mehreren Angriffen sie bloß steht?“
Das war Schopenhauer über Eristik. Du hast einen von 37 Tricks angewandt, die dazu da sind, die eigene Sache besser aussehen zu lassen, als sie dasteht und die gegenerische schlechter aussehen zu lassen, als sie dasteht. Das ist nicht verboten, sondern führt nur, wie oft öffentliche Debatten, zu nichts.
Angenommen die japanische Polizei verprügelte im Exzess irgendwelche Fussballfans, die es nur etwas weniger verdient hätten, verprügelt zu werden, und der „Kicker“ schriebe, dass sich Japan da aber unbeliebt mache. Würdest du dann den „Kicker“ beschuldigen, Hiroschima posthum zu legitimieren?*
Nein?
Sehr gut!
Im Falle Japans würdest du darauf verzichten, „die Behauptung des Gegners über ihre natürliche Grenze“ hinauszuführen. Sehr konstruktiv. Jetzt kann man natürlich der Meinung sein, die Japaner hätten damals die Kernspaltung über ihren Köpfen verdient, wohingegen die Juden die Shoah ja nicht.
Kann ein Bedürfnis, diesen Unterschied auszudrücken zu wollen, es rechtfertigen, die Möllemannaussage über ‚Sharon und dem Zulauf für Antisemiten‘ zu einer Apologie jüdischen Leides als einem „selbst verursachten“ auszuweiten?
Im Prinzip nein.
Wird aber gleichwohl gemacht.
Wie das?
„Antisemitismus“ scheint anders zu funktionieren, als z.B. Antiamerikanismus. Während kaum jemand den Zusammenhang zwischen der Beliebtheit der USA und den Manieren ihres jeweiligen Präsidenten (Kennedy vs. Reagan z.B.) in Abrede stellt (sondern jeder PR-Profi mit der Kenntnis dieses Zusammenhanges als wertvollem Fachwissen wuchert) ist der Begriff „Antisemitismus“ tatsächlich von seinen Begründern und Benutzern recht eigengesetzlich definiert und u.a. mit einer „Rückwirkungsverbotsklausel“ extra gesichert. (Das „schlimmste Antisemitische Stereotyp“) Kein Jude kann Antisemitismus befeuern, per Definitionem nicht.
Pech für die Japaner, dass sie da nicht drauf gekommen sind, sich auch so ein Wort zuzulegen.
Der Fehler von Möllemann war, dass er das Wort „Antisemitismus“ benutzt hat, ohne um die Sicherheitsausstattung dieses Begriffes zu wissen. Er hat damit Herrn Friedman und dich mit der Rolle von Spielregelerkläreren beglückt, der ihr euch ja mit ziemlicher Ausdauer widmet. Vielleicht hat Möllemann aber auch darauf gesetzt, bei Friedman und dir einen Spielregelerklärungsreflex auszulösen, der euch die Rolle nervtötender Zwischenrufer listig-schikanös aufnötigt, wohingegen Möllis Schnauzer von Volkes Stimme bellen darf.
Vielleicht werden wir es nie erfahren, wie es wirklich war, vielleicht war es nur ein Durchschütteln der traditionellen Eregungsbereitschaftslager, vielleicht gibt es sowieso nichts anderes als das.
Was meinst du?
Gruß, Thomas