Empathie und Grenzen setzen
Hi Grilla
was du über deine Tochter und auch über dich selbst andeutest,
Ich laviere mich durch, mal besser mal schlechter, versuche
mich in Schadensbegrenzung zwischen nerviger Pflichterfüllung,
sprunghaftem Wissensdurst und dosiertem Einsatz von
überschwappenden Tatendrang - aber immer ein Gefühl mit
trockenem Räderwerk zu laufen.
paßt natürlich ins schon angedeutete Bild. Über die Frage, ob diese Eigenschaften vererblich sind oder ob sie sich assimilieren oder ob sie sich ganz individuell entwickeln, möchte ich mich nicht gerne äußern … jedenfalls finden sich Kinder mit solchen Eigenschaften sowohl in Familien, in denen mindestens ein Elternteil sie ebenfalls hat, aber auch in solchen, bei denen die Eltern eher dem Farmer-Typus zuzuordnen wären. Natürlich schauen sich Kinder Vorlagen für ihr Verhalten bei den Eltern ab. Aber manchmal bilden sie auch ein Kontrastverhalten aus. Alles das hat viel mit Empathie zu tun …
Die Frage bleibt, was du tun kannst in Bezug auf deine Tochter. Zunächst wäre es vielleicht günstig, dir einen Überblick zu verschaffen. Hier ist nochmal das Buch von
Thom Hartmann: „Die andere Art, die Welt zu sehen“
ISBN 3795007356 Buch anschauen
in dem er Kritik an den bisherigen ADS-Interpretationen übt und den Begriff des Hunter-Typus einführt. Dort findest du auch einiges über Kinder.
Ansonsten kann ich dir nur ein paar Hinweise zu deinem Text geben:
Ich bin entschlossen ihr auf dem Weg zu helfen so gut ich kann.
Wie alt ist deine Tochter?
Daß du helfen möchtest, ist natürlich nachvollziehbar. Sei aber vorsichtig damit, denn gegen „geholfen kriegen“ könnte sie „allergisch“ sein und blockieren. Hilfe kann demütigen. Wichtig wäre, mit übergroßen Ohren zu horchen, ob sie in irgendeiner Hinsicht von sich aus Hilfe sucht. Solche Kinder (überhaupt solche Personen) wollen ihre Probleme oft auch dann selbst auf die Reihe kriegen, wenn sie sie nicht selbst auf die Reihe kriegen. Und wenn du helfen willst, dann frag sie, welche Art von Hilfe sie sich selbst vorstellt.
Leider bekomme ich in meinem Umfeld (Familie, Schule) wenig Unterstützung.
Das ist leider fast immer so. In den 70ern gab es mal einen pädagogischen Ansatz (ganz unabhängig von der ADS-Diskussion) mit dem Stichwort „Lernen durch Faszination“ (komme leider z.Zt. nicht an meine Bibliothek). Das ist nämlich die Weise, in der die Hunterpersönlichkeit mit enormem Energieaufwand lernt - sie ist dann nicht zu stoppen und viel schneller als andere. Leider ist diese Einsicht nur der individuellen Begabung von Lehrern überlassen, m.a.W. dem Zufall.
Dazu kommt, daß auch bei deiner Tochter sicher das Lerninteresse (und damit das Lernvermögen) hypersensibel von der Sympathie und dem positiven Feedback der Lehrpersonenen abhängt. Lernschwierigkeiten sind bei Hunterkindern oft eine Art Rache für fehlende Beachtung oder für Antipathie.
Sie, mit ihren Geistesblitzen, die so schnell aufleuchten, genial aber nie von Dauer sind
Ja, weil sie irgendwann in Verpflichtungen übergehen. Und da sitzt das Problem: Die Motivation darf nur von innen kommen, sie ist durch äußere Zwänge ganz schnell zerstörbar - wie ein rohes Ei. Bewunderung, positives Feedback läßt sie Gas geben, aber ein nachfolgendes „nun mach was draus!“ löscht unverzüglich das Feuer.
Wie bringt man einem Kind bei, dass langweilige Arbeiten genauso wichtig sind wie Leistungen die Spaß machen?
Diese Kinder scheren sich nicht um ein externes „das ist wichtig“. Wichtig ist nur, was aufregend, spannend ist und Ehrgeiz und Phatasie anspricht. Was wichtig ist, wissen sie daher nur selbst *zwinker* und wenn die Welt nicht mitspielt, ist die Welt selbst schuld …
„wenn ich mit dir Schach spiele, lernst du dann für Erdkunde?“ - da werde ich erpressbar.
Wie meinst du das? wieso erpressbar?
Sie spielt Schach? Möglicherweise mit sehr raffinierten und überlegenen Taktiken - und verliert dann trotzdem?
Was hälst du von der umgekehrten Bedingung: „Du lernst zuerst Erdkunde, dann spielen wir Schach“? Überlass die Wahl nicht ihr durch das „wenn“. Es geht darum, in einer von Sympathie getragenen Atmosphäre Grenzen zu setzen und dadurch Frustrationstoleranz zu trainieren. Bei fehlender Sympathie (z.B. bei bestimmten Lehrern in der Schule) geht das schief.
Wie verhilft man einem Kind zu einer Einsicht, zu der man erst als Erwachsener kommt, wenn schon alles zu spät ist?
Was immer hilft: Sich den kleinen Unterschied mit der Lupe anzuschauen zwischen a. „das Kind zu einer Einsicht bringen“ und
b. „das Kind zu einer Einsicht kommen lassen“
Meinen beruflichen Werdegang habe ich mir verbaut, mit nachhaltigen Folgen.
Und genau das sollen meine Kindern nicht erleben müssen
- das ist meine Motivation.
So selbstverständlich das ist - aber eben weil du deine eigene Biografie hast, hast du die Möglichkeit, die Augenblicke aufzuarbeiten, an denen für dich Weichen gestellt wurden. Nein, ich meine nicht die Weichen der eigenen Entscheidungen, die du heute vielleicht als falsch interpretierst. Ich meine die viel früheren Erlebnisse, wo du vielleicht genauso mit einem „Sollen“ konfrontiert und traktiert wurdest.
Es könnte die Gefahr aufkommen, daß du mit dem „soll das nicht erleben müssen“ genau das erzeugst, was du verhindern möchtest …
Das sind halt nur ein paar Stichworte. Wichtig ist, die Faszinosa deiner Tochter herauszufinden und die positiv zu verstärken: Das sind die Survivalmaterialien für das Leben in der für das Kind als frustrierend erlebten „Farmer“-Welt. Das andere ist dann, sie erleben zu lassen, daß es auch lustvoll sein kann, sich Spielregeln und Grenzen auszusetzen, die zunächst die eigene Phantasie einzuschränken scheinen.
Vielmehr läßt sich so allgemein nicht sagen, vor allem nicht in dieser Form hier. Jedes Kind, jede Person hat ihre eigenen Gesetze und eigenen brisanten Stellen …
Studier dich also selbst - am besten mit der mit der Lupe und in Zeitlupe - auch wie es früher und ganz früher war bei dir. Was hättest du dir in bestimmten Situationen gewünscht, wie man da und dort mit dir umgegangen wäre … Da liegt der Weg …
Grüße
Metapher