DRV: Seltsame Anerkenntnis

Hallo Zusammen,

vielleicht kann ein Profi mal seine Meinung zu folgendem Fall in Sachen EU-Rente abgeben:

Frau A (Jahrgang 1958) ist seit 07.12.2006 wegen schwerer depressiver Episode und Panikstörung AU.
Frau A hat seit 03/2007 einen GdB von 60.
Ein stationärer Klinikaufenthalt sowie eine Reha bringen keine wesentliche Verbesserung. Eine Wiedereingliederung im November 2007 scheitert nach 2 Wochen, da der AG den Arbeitsplatz nicht leidensgerecht einrichtet (Einschätzung des IFD)

  • Am 24.01.08 stellt A auf fachärztlichen Rat bei der DRV einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

  • Am 15.05.08 wird Frau A „ausgesteuert“ und bezieht ALG I auf Grundlage § 125 SGB III.

  • Im Juni 2008 erhält A den Ablehnungsbescheid der DRV, da ein DRV-Gutachter nach 20 Min. Untersuchung auf „volle“ Erwerbsfähigkeit erkannt hat. A legt Widerspruch ein.

  • Im November 2008 wird der Widerspruch nach Aktenlage als „unbegründet“ zurückgewiesen. A reicht Klage ein.

  • 01/2009 - 03/2009 bessert sich der Gesundheitszustand von A. nach einem erneuten teilstationären Klinikaufenthalt erheblich.

  • 08/2009 löst A ihr altes (Vollzeit-) Arbeitsverhältnis auf, da sie ab 01.09.2009 eine Teilzeitstelle (4 Std./Tag) gefunden hat, die nach eigener Einschätzung und der Einschätzung der behandelnden Ärztin ihrer aktuellen Leistungsfähigkeit entspricht.

  • 10/2009 ordnet das Sozialgericht ein erneutes Gutachten an, da am Gutachten der DRV erhebliche Zweifel bestehen. Die gutachterliche Untersuchung findet am 03.12.2009 statt und dauert 5,5 Std.

  • Am 30.12.2009 erhält A vom Sozialgericht das Gutachten zugesandt. Das Ergebnis lautet, daß A mindestens seit dem 07.12. 2006 TEILerwerbsunfähig ist bis mindestens 31.12.2012. Die DRV wird zur Stellungnahme aufgefordert.

  • Am 19.01.2010 unterbreitet die DRV folgendes „Vergleichsangebot“: A erhält eine Rente wegen VOLLER Erwerbsunfähigkeit ab 01.08.2008 befristet bis zum 31.07.2011.

Frau A hat jetzt Probleme:

  • A will gar nicht mehr VOLL erwerbsunfähig sein. Sie will mittelfristig wieder in Vollzeit in den Arbeitsmarkt zurück und möchte ihren Wiedereinstieg über Teilzeit nicht aufs Spiel setzen. Die jetzige TZ-Arbeit übersteigt aber die Hinzuverdienstgrenzen für volle Erwerbsunfähigkeit erheblich.

  • A fragt sich, ob sie deswegen Nachteile befürchten muß, wenn sie den „Vergleich“ ablehnt. Schließlich hat das gerichtlich bestellte Gutachten nur eine TEIL-EU festgestellt, diese aber bis vorraussichtlich 31.12.2012 . Damit könnte A „gut leben“. Auch der Anwalt von A ist etwas ratlos, denn sowas hat er lt. eigener Aussage „noch nicht erlebt“.

  • A fragt sich auch, ob sie Probleme mit der AA bekommen könnte, wenn sie den Vergleich ablehnt und das Urteil des SG der AA einen in der Summe geringeren Erstattungsanspruch ggü. der DRV einräumen würde. Die AA hat ggü. A keinerlei Zustimmungsvorbehalte bei Vergleichen angemeldet.

PUUH, gibt es also in der www-Gemeinde jemanden, der schon mal erlebt hat, daß die DRV mehr als attestiert zugesteht und eine Antragstellerin das gar nicht mehr will?

Ich bin sehr gespannt auf fachkundige Meinungen !

&Tschüß
Wolfgang

Hallo,

auf die Odyssee von Frau A kann und will ich hier nicht eingehen. Ich weiß auch nicht ob so ein Fall eher selten ist oder häufiger vorkommt.

Nur folgenden Hinweis möchte ich geben: Die Rente wegen voller Erwerbsminderung kann als Voll- oder Teilrente gezahlt werden. Bei Vollrente gilt eine Hinzuverdienstgrenze von 400 €/Mt. Wird die Rente zu 75%, 50% oder 25% steigt der zulässige Hinzuverdienst, bis zu welcher Höhe ermittelt die RV individuell.

Entweder ergibt sich das schon aus der jetzigen Mitteilung der RV oder müsste durch Rückfrage geklärt werden.

Eine Frage habe ich in diesem Zusammenhang bisher nicht lösen können: Volle Erwerbsminderung ist gegeben, wenn die Arbeitsfähigkeit weniger als 3 Stunden täglich beträgt. Der jeweilige Hinzuverdienst bei Teilrenten kann normalerweise nur durch eine deutlich höhere Arbeitszeit erzielt werden. Bei Vollrente droht bei einer Arbeitszeit von 15 Stunden/Woche und mehr bzw. bei Überschreitung der 400 €-Grenze die Kürzung oder sogar der Entzug der Rente. Zu klären wären also mit der RV, welche Stundenzahl an Arbeitsleistung bei den einzelnen Teilrenten zulässig ist.

Die Befristung der Erwerbsminderungsrente ist wohl Usus. Sie gibt der RV die Möglichkeit zu prüfen,ob die die volle Erwerbsminderung noch besteht und die Rente weitergezahlt, verändert oder aufgehoben wird. In diesem Fall scheint sich das mit den Plänen von Frau A sogar zu decken.

Gruß
Zemionow

Hallo,

hat das gerichtlich bestellte Gutachten nur eine TEIL-EU festgestellt,

Bei Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit (mögliche Arbeitsleistung min. 3, jedoch weniger als 6 Std. pro Tag) und gleichzeitiger Arbeitslosigkeit kann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt werden, weil ein entsprechender Teilzeitarbeitsplatz nicht vorhanden ist (verschlossener Arbeitsmarkt. Das darf man allerdings nicht eng begrenzt sehen, lokal kann es durchaus da oder dort einen derartigen Arbeitsplatz geben.)

Weshalb die RV ausgerechnet ab 1. August 2008 zahlen will, erschließt sich noch nicht. Aber es ist davon auszugehen, dass auch dieser Zeitpunkt durch eine entsprechende Regelungen im SGB gedeckt ist. Entscheidend für den Beginn der Rente ist der Zeitpunkt, zu dem die Erwerbsminderung eingetreten ist oder als eingetreten gilt. Nach Gutachten war dies der 7.12.2006. Nur da hat Frau A ja noch Vollzeit gearbeitet. Bei einer Arbeitsleistung von 6 Std pro Tag und mehr besteht kein Rentenanspruch.

Die noch offene Frage zur möglichen Arbeitszeit bei einer Teilrente wegen voller Erwerbsminderung konnte ich klären. Bezieht Frau A eine Teilrente und arbeitet 15 Stunden/Woche oder mehr , prüft die RV, ob die Erwerbsminderung noch besteht. Trifft dies zu, arbeitet Frau A auf Kosten ihrer Gesundheit. Die Rente darf ihr deshalb nicht entzogen werden.

Wenn sich die Fragen von Frau A durch die Mitteilung der RV (oder ist es sogar schon ein Bescheid?) nicht beantworte lassen, soll das ihr Anwalt klären. Aufgrund nachstehender Anmerkung muss Frau A sich wohl auch fragen, ob sie den richtigen Anwalt hat.

Auch der Anwalt von A ist etwas ratlos, denn sowas hat er lt. eigener :Aussage „noch nicht erlebt“.

Gruß
Zemionow

Hallo zemionow,

vielen Dank für die Mühe, die Du Dir gemacht hast.
Die eigentlichen Rentenregularien sind aber nicht das Problem. Es geht auch nicht um Teil- oder Vollrente, sondern um teilweise oder volle Erwerbsminderung.

Das Problem ist, daß Frau A bei Anerkenntnis des Vergleichsvorschlages der DRV ihre jetzige Teilzeitarbeit von 20 Std./Woche aufgeben müßte, um die Rente in Anspruch nehmen zu können. Frau A befürchtet dann aufgrund ihres Alters, überhaupt keinen Einstieg mehr in den Arbeitsmarkt zu finden.
Zwar hat Frau A durchaus ursprünglich Rente wg. voller Erwerbsminderung beantragt, aber das ist jetzt zwei Jahre her und die gesundheitliche Situation hat sich (gottseidank) verbessert. Auch das vom Gericht bestellte Gutachten sieht ja derzeit nur eine Teilerwerbsunfähigkeit gegeben.
Was der Anwalt so bisher noch nicht erlebt hat, ist der Umstand, daß die DRV auf einmal freiwillig MEHR bewilligt, als das Gutachten vorsieht.

Frau A möchte also gerne ihre Teilzeitarbeit behalten und die ihr lt. Gutachterin zustehende Teilerwerbsminderungsrente bekommen.
Frau A möchte auch nicht Ärger mit dem quasi „unsichtbaren Dritten“ - der AA - bekommen, wenn sie hier evtl. auf Dinge verzichtet, die den Rückerstattungsanspruch der AA ggü. der DRV betrifft.

&Tschüß
Wolfgang

Hallo,

Was der Anwalt so bisher noch nicht erlebt hat, ist der
Umstand, daß die DRV auf einmal freiwillig MEHR bewilligt, als
das Gutachten vorsieht.

Freiwillig macht die DRV bestimmt nichts. Wie schon heute 12:05 Uhr ausgeführt, geht es wohl um das Thema verschlossener Arbeitsmarkt. Zum Zeitpunkt des von der DRV beabsichtigten Rentenbeginns war Frau A arbeitslos, und da wird aus einer teilweisen im Handumdrehen eine volle Erwerbsminderung. Dazu führt die DRV unter dem Stichwort „Arbeitsmarkt, verschlossener“ u. a. aus:

„Die Grundsätze dieser Rechtsprechung gelten auch für die Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab 1.1.2001 geltenden Recht, und zwar bei der arbeitsmarktbedingten Rente. Der Versicherte mit einem verbliebenen Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden täglich ist in diesen Fällen nicht nur teilweise, sondern voll erwerbsgemindert.“

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht immer noch der zunächst abgelehnte Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Auch dann wenn das Gutachten jetzt zu dem Ergebnis kommt, dass teilweise Erwerbsminderung besteht.

Das Problem ist, daß Frau A bei Anerkenntnis des
Vergleichsvorschlages der DRV ihre jetzige Teilzeitarbeit von
20 Std./Woche aufgeben müßte, um die Rente in Anspruch nehmen
zu können.

Dann soll doch der Anwalt beim Gericht die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beantragen. Die wäre dann allerdings niedriger als die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ob das verfahrensrechtlich zulässig ist, müsste er wissen. Durch ein Urteil wäre möglichen Einwänden der AA m. E. die Grundlage entzogen.

Gruß
Zemionow