Einladung zu einer türkischen Hochzeit annehmen?

Hallo, unsere türkische Reinigungsdame vom Büro hat mich überraschenderweise zu der Hochzeit ihrer Tochter eingeladen. Die Tochter dürfte in meinem Alter sein, mit der Reinigungsdame habe ich zwar netten aber keinen besonders häufigen Kontakt (nur die 2 Minuten wöchentlich, die sie unser Büro halt reinigt).
Zuerst habe ich ganz erstaunt und dankend die Einladung angenommen, aber jetzt ergeben sich mir 2 Problemchen.

  1. Ich kann an dem Tag gar nicht, wollte aber nicht direkt absagen.
  2. Ich habe gelesen, dass man mind. 50 Euro schenken soll! Auch wenn man absagt.

HILFE, wie soll ich mich verhalten?! Die Hochzeit ist jetzt am Samstag (26. Mai 2012) und ich möchte gern so bald wie möglich absagen.

Hallo Tempolina,

mach dir keinen Kopp. Genauso war es bei mir auch. Mehrmals von verschiedenen Reinigungskräften im Job eingeladen worden, sowohl erschienen als auch abgesagt.

Faustregel fürs Absagen: Genauso förmlich-verbindlich - oder unverbindlich, je nachdem - wie die Einladung erfolgt ist. Soll heissen, wenn deine Reinigungsdame dich mündlich einlud, kannst du genauso mündlich (oder fernmündlich) absagen. Hast du ein offizielles, förmliches Schreiben bekommen, dann schriftlich, ich würde einfach ohne nähere Erläuterungen meine Absage (offiziell oder eben mündlich ebenso) mit unverschiebbaren Terminen begründen. Beispiel: „Ich bin zu diesem Termin leider nicht in der Stadt.“ Reicht vollkommen.

Falls du dich doch zur Teilnahme entscheidest: Türken laden sehr gerne eine größtmögliche Anzahl von Leuten auch aus ihrem weitest entfernten Umkreis ein, gerade bei nicht sonderlich gutsituierten Leutchens findet dann die Megaparty in einer Halle irgendeines orientalischen Vereinsheimes statt, meine Erfahrung ist, dass auf jedem Tisch eine Schüssel Knabberchen steht, jeder bekommt beim Einlass ein Glas Cola eingeschenkt, vielleicht auch zwei. Es geht ihnen halt um eine große Hochzeit, das ist ihnen wichtig, die Versorgung der zahlreichen Gäste ist im Falle von wirtschaftlich nicht gut aufgestellten Reinigungskräften ja überhaupt in keinster Weise zu bewerkstelligen.

Dann bleibt man anstandshalber zwei Stündchen und verabschiedet sich dann freundlich. Wenn dir 50€ zu viel sind, dann ist es vollkommen in Ordnung, wenn du es bei einer Kleinigkeit belässt. Niemand versteht das besser als grausam unterbezahlte türkische Putzfrauen und du musst dir keine Sorgen machen, schräg angesehen zu werden. Sowieso: Bei dem aktuellen Schenkvorgang an sich sitzt die Braut nebst Bräutigam in voller Montur an einem Tisch und sie nehmen huldvoll lächelnd die Geschenke entgegen. Bei hunderten von Gästen werden die Päckchen natürlich nicht an Ort und Stelle aufgemacht, sondern artig auf dem Gabentisch drapiert, so dass es niemandem gleich peinlich sein muss, wenn es nur für ein Salatbesteck gereicht hat oder so.

Beste Grüße

Annie

meine
Erfahrung ist, dass auf jedem Tisch eine Schüssel Knabberchen
steht, jeder bekommt beim Einlass ein Glas Cola eingeschenkt,
vielleicht auch zwei.

*prustl* Also ich bin bestimmt schon auf einigen hundert türkischen Hochzeiten meiner Landsleute gewesen, aber sowas hab ich weder gehört geschweigedenn gesehen ! Schade dass du so eine Erfahrung machen musstest!

Es geht ihnen halt um eine große
Hochzeit, das ist ihnen wichtig, die Versorgung der
zahlreichen Gäste ist im Falle von wirtschaftlich nicht gut
aufgestellten Reinigungskräften ja überhaupt in keinster Weise
zu bewerkstelligen.

Es geht meist eben nicht nur um eine große Hochzeit sondern auch darum die Gäste anständig zu versorgen.

Da kommen meistens 500+ Leute - da kann man natürlich kein Büffett aufstellen lassen, wo jeder schlemmen kann wie er will, es sei denn man will sich verschulden. Im Normalfall wird ein Essen zusammengestellt und das bekommt dann jeder, da kann man nicht auf einzelne Wünsche eingehen. Dafür wird dann aber auch nicht geschaut ob du bereits ein Essen hattest oder nochmal was haben willst - satt wird normalerweise jeder mit einem Essen:wink: Mit Getränken geht man eher verschwenderisch um.

PS: Das jemand Putzen geht sagt noch nix über seine wirtschaftliche Lage aus.

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Also Melli,

liegt mir absolut fern, irgendjemandem zu nahe treten zu wollen. Es ist aber nun mal so, dass ich dann anscheinend meinetwegen bei ausgesprochen geringverdienenden türkischen Putzfeen auf der Hochzeit war. Haben halt alle ein bißchen arg weniger Kohle hier in B :smile:

Bei Osman Normalverdiener war ich auch recht oft zu Gast, bei denen wiederum biegen sich die Tische. Daher bin ich sicher, dass die frugale Verköstigung wirklich nur der mangelnden Solvenz geschuldet war. Aber wie gesagt, meiner Erfahrung nach bei armen Leuten gang und gäbe.

Will ich auch überhaupt in keinster Weise irgendwie abwerten, im Gegenteil, ich finde es total süß, dass wohl offensichtlich in jedem Falle die ganze Welt bitteschön mit den Brautleuten mitfeiern soll, auch wenn man sich das eigentlich nie im Leben leisten kann.

So gesehen muss es dir eben nicht leitun, dass ich solche Erfahrungen machen musste, für mich ist es absolut okay gewesen und ich habe mich sowohl über die EInladung gefreut als auch bei der Feier einen Riesenspass gehabt.

Beste Grüße

Annie

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Danke für deine Antwort, sie hilft mir sehr weiter! Allerdings habe ich hierzu noch eine Frage:

Faustregel fürs Absagen: Genauso förmlich-verbindlich - oder
unverbindlich, je nachdem - wie die Einladung erfolgt ist.

Sie war hier im Büro zum reinigen und überreichte mir danach die Einladung (superschöne Karte). Seit letzter Woche war sie aber nicht mehr da, sondern wird vertreten von anderen Damen. Ich glaube, sie hat Urlaub bis nach der Hochzeit …

Soll ich ihr also mit einer schönen Karte absagen und evtl. einen Tee dazu schenken für das Brautpaar? Ich verschenke gern und oft Tee als Dankeschön.

Auf der Einladungskarte ist außerdem eine Handynummer genannt, ich weiß aber nicht wessen … eine SMS wollte ich auf gar keinen Fall senden, und anrufen kommt mir auch merkwürdig vor, weil ich den Rufnummerninhaber gar nicht kenne.

Ganz ganz liebe Grüße mit erleichtertem Herzen

Tee für Zümra
Servus,

Soll ich ihr also mit einer schönen Karte absagen und evtl.
einen Tee dazu schenken für das Brautpaar?

mit Tee aufpassen, bittschön. Der Tee, der in der ländlichen Türkei, wo man in vielen Gegenden bis heute noch zu arm ist, um sich den Kaffee/Mokka aus osmanischer Tradition leisten zu können, den ganzen Tag lang als „Treibstoff“ getrunken wird, wird ganz anders zubereitet, als Du ihn kennst. Das Prinzip ist wie beim russischen Samowar auch: Ein großer Speicher, in dem Wasser heiß gehalten wird, und oben drauf ein kleines Kännchen, in dem stark konzentrierter Tee auf dem Blatt stehen bleibt.

Dafür kann man nur wenige Teesorten nehmen (Ceylon, Grusinien, Südindien und natürlich auch türkische Anbaugebiete), weil die meisten „hochwertigen“ Tees bei dieser Zubereitung nach ungefähr einer Viertelstunde auf dem Blatt wegen des Tanningehaltes allenfalls noch zum Anpassen von Zahnprothesen geeignet sind. Dass es beim Türken die handliche Kilopackung Tee für sieben Euro gibt, hat auch damit zu tun, dass Brokengrade möglichst ohne Blattspitzen (Tips) nach gängigen Marktkriterien „dritte Wahl“ sind - die Inder z.B. trinken diese Klasse selber und exportieren Tippy Blattgrade, mit denen sie selber nichts weiter anfangen können, weil Chai halt auch anders gemacht wird als hierzulande.

Unmittelbar vom Aufgießen mit höchstens 90° C warmem Wasser weg getrunken und nicht stundenlang auf dem Samowar gehalten werden in Anlehnung an die frühere „pan-arabische“ Nachbarschaft des osmanischen Reichs un- und halbfermentierte Tees, teilweise wie in Nordafrika mit Nanaminze versetzt.

Generell ist türkischer Tee ungefähr so süß wie türkischer Mokka.

Kurz: Wenn Du Tee schenken willst, denk daran, dass das in etwa so sein kann, wie wenn Du einem Deutschen eine Flasche Apfelschorle schenkst, die er eh jeden Tag trinkt, und außerdem daran, dass der Tee, den Du gerne magst, bei klassischer türkischer Zubereitung möglicherweise gar nichts Gutes wird.

Wenn Du bei einem türkischen Bäcker die Auslage anschaust, siehst Du, dass türkische Konditorei eine hohe und ausgiebig gepflegte Kunst ist. Hier würde ich für ein kleines „Aufmerksamkeits“-Geschenk ansetzen: Sehr süße Kekse, viele verschiedene, nichts in der Packung, sondern aufmerksam zusammengestellt (z.B. auf einem hübschen Pappteller), richtig heftig süß und alles vom Feinsten (braucht ja nicht so viel sein) - es ist nicht so einfach, gegen türkisches Backwerk anzutreten. Wenn Du einen Konditor in der Nähe hast, der sowas wie Petits Fours selber macht, passt das auch recht gut.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Diyarbakır und Heilbronn
Hallo Melli,

PS: Das jemand Putzen geht sagt noch nix über seine
wirtschaftliche Lage aus.

in der Tat. Von nichts kommt nichts.

Wenn der Opa als Hilfsarbeiter angefangen hat, und der Papa keine Ruhe gibt, bevor nicht der Junior sein eigenes Architekturbüro hat und die Tochter ihre eigene Anwaltskanzlei, muss man schon schauen, wo man das dafür nötige Kleingeld herbekommt. Die Schwaben, die in der 1923er Krise nach Philadelphia gekommen sind, hatten auch die Neigung, jeden Job anzunehmen, wenn er bloß bezahlt wurde - so lange, bis halt das Geld für das eigene Fabrikle beieinander war, und man sich die Mietskaserne kaufen konnte, in der man als frischer Einwanderer gewohnt hatte.

Von nichts sind die Brüder Baktat jedenfalls nicht geworden, was sie heute sind.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder