Schönen guten Abend,
ich bin in einem Zwiespalt und hoffe, dass Ihr mir mit Eurer
Erfahrung und Euren Gedanken weiterhelfen könnte. Bitte lasst Euch
nicht davon abhalten, dass ich etwas ausholen muss
Also, ich frage mich seit einiger Zeit, ob ich meine Freundin liebe
und noch mit ihr zusammen sein möchte… Eigentlich ist die Frage
nicht sonderlich neu, unser Verhältnis startete unter besonderen
Umständen:
Seit etwa fünf Jahren wohnen wir zusammen in einer Dreier-Wohn-
gemeinschaft. Bis vor 2,5 Jahren war sie für mich immer ein
asexuelles Wesen, meine Lieblingsmitbewohnerin - lieb, herzlich,
cool drauf und toll. Oberflächlich betrachtet waren wir völlig
verschieden: sie, die etwas hippiehafte Esoterikerin und Sozial-
pädagogin, ich, der schicke moderne Performer und Medienfutzi.
In einer bedeutsamen Krise meinerseits rückten wir enger zusammen.
Sie war für mich da, kümmerte und sorgte sich um mich - ich
entwickelte langsam ein Bedürfnis, ihr in mehrfacher Hinsicht näher
zu sein und endeckte ihren auf mich sexualisierend wirkenden Körper.
Nach einer Weile zeichnete sich ein etwas unausgeglichenes Bild:
sie war bereit, sich auf mich einzulassen und eine Partnerschaft mit
mir einzugehen. Ich war es nicht, ich wollte meine Freiheit, Autonomie
und Autarkie nicht aufgeben. Eine lockere Liäson konnte ich mir vor-
stellen, sie als meine Freundin zu bezeichnen und äußerlich so mit
ihr aufzutreten nicht. Meine Bereitschaft hat sich im Laufe der
letzten zwei Jahre kurzfristig verändert: ich habe versucht, mich
voll auf sie einzulassen. Dennoch stellte sich selten ein zufriedenes
Gefühl mit dieser Entscheidung ein. Zwar haben sich Qualitäten
in unserem Verhältnis entwickelt, die ich schätze und liebe, dennoch
fehlt mir der Wille und das Gefühl, mich ganz auf sie einzulassen.
Über Weinachten merkte ich eine deutliche Veränderung, die mich zu
meinem Konflikt und zu diesem Post bewegte. Wir beiden verließen das
sinkende Berliner Schiff, um den Heimathafen unserer Familien anzu-
steuern. Wir sahen und 12 Tage nicht und vereinbarten, uns nicht
zu melden und etwas Abstand zu bekommen - immerhin sehen wir uns
jeden Tag, jeden Morgen, jeden Abend, jede Nacht.
Ich habe die Zeit genossen und hätte mir gewünscht, noch mehr Zeit
alleine zu verbringen - oder mit anderen Frauen! Ich bemerkte meine
Lust zu flirten und entwickelte ein starkes Verlangen. Ich stellte
mir vor, eine Romanze zu beginnen und mit einer neuen Partnerin
glücklich zu sein. Das schelchte Gewissen folgte prompt.
Dennoch habe ich bei all’dem meine Freundin nicht vermisst, kaum
Sehnsucht verspürt. Ich hatte selten das Gefühl, dass mir etwas
fehlen würde.
Nun trafen wir gestern wieder aufeinander. Sie erzählte mir, wie
schwer sie die Zeit überstehen konnte, wie sehr sie mich vermisste
und dass sie realisierte, welche wichtige Rolle ich in ihrem Leben
spielen würde. Ich konnte dies nicht entgegnen, diese Diskrepanz
wahrzunehmen schmerzt. Wir schliefen miteinander - es war ganz schön,
aber irgendwie nicht richtig. Aber ich spürte, dass etwas zwischen
uns war.
Zwar gibt es nach wie vor diese bestimmten Momente, in denen sie mich
auf eine wundervolle Art und Weise ansieht und ich merke, wie mein
Herz aufgeht. Leider sind diese Momente sehr sehr selten.
Die Tatsache, dass ich vor allem dann ein besonders starkes Bedürfnis
nach Nähe habe, wenn es mir schlecht geht, ich labil und angreifbar
bin, zermürbt mich. Wenn ich energievoll bin, sehne ich mich
tenendziell nach einer neuen Bekanntschaft…
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich sie sehr lieb habe, sie ein
toller Mensch ist, auf der selben Wellenlänge, attrakiv und sexy. Aber reicht dies aus? Scheint da nicht etwas zu fehlen?
Ich frage mich: habe ich diese Frau überhaupt jemals geliebt?
Was denkt Ihr? Sind die wahrgenommenen Veränderungen klare
Indikatoren für das Ende der Beziehung?
Ich habe ihr gesagt, dass ich Zweifel habe. Mit einem weinenden
Blick bat sie mich, sie nicht leiden zu lassen. Mein Gott, dass
will ich nicht! Ähnliche Situationen gab es auch schon mit anderen
Frauen. Die Trennungen waren langwierig aber in der Retrospektive
richtig.
Vielleicht könnt Ihr mir helfen oder mit Rat und Erfahrung etwas
zur Seite stehen? Ich würde mich freuen.
Sebastian