Hallo Hermann,
für deine teilweise für mich geschriebene, kleine Verteidigung
(ich hoffe, ich darf das so formulieren) habe ich dir einen
Punkt gegeben.
Ich glaube um „Verteidigung“ ging es gar nicht, die hattest Du gar nicht nötig;
ich wollte lediglich Uwi darauf hinweisen, dass hier keine „stupide Gleichmacherei“ betrieben wird, sondern dass man sich fragen muss, welchen (ontologischen) Stellenwert man der Tatsache zumisst, dass in unserem Kulturkreis zu unserer Zeit statistisch gemittelt Frauen in manchen Dingen anders sind als Männer.
Ums nochmal auf den Punkt zu bringen: Natürlich
haben auch für mich Frauen und Männer unterschiedliche
Interessen, aber zum einen ist das nicht zwangsläufig bei
jedem Menschen so und zum anderen haben für mich Männlein wie
auch Weiblein sowas wie eine Grundausrüstung an Intelligenz,
die mir gleich zu sein scheint. Ich muss das jetzt so
schreiben, weil ich da keine Untersuchung aus dem Ärmel
schütteln kann, ohne flunkern zu müssen.
Das Problem ist ja, dass man zur Frage der Geschlechterdifferenz für jede Position empirische Studien anführen könnte. Die bloße Nennung von Daten ist also im Grund vollkommen müßig, denn wertvoll sind diese Daten erst in ihrem Zusammenhang: Forschungsdesign, Forschungsfrage, notwendig theoriegeleitete Interpretation, etc.
Die Nennung von empirischen Daten kann aus meiner Sicht immer nur der Beginn einer Diskussion sein, niemals deren endgültige Beendigung.
Dass die unterschiedliche Berufswahl z.B. (Frau:
Krankenschwester, Mann: KFZ- Mechaniker) auf sozialen Ursachen
fußt- darüber sollte man sich wohl eher unterhalten als
darüber, ob Frau nicht doch von Grund auf „dümmer“ ist als
Mann bzw. Mann nicht doch von Grund auf „intelligenter“ als
Frau. Dererlei Unterhaltung hat für mich dümmste
Stammtischkultur.
Gerade unter Soziologen läufst Du damit bei mir offene Türen ein.
Nur als (vielleicht) interessante Anregung möchte ich Dir folgendes referieren:
http://en.wikipedia.org/wiki/Irigaray
Nach Luce Irigaray (eine bedeutende französische Feministin) greift die Dichotomie Kultur/Natur (also hier: „soziale Ursachen“ vs. „von Grund auf“) zu kurz.
Irigaray begreift „Natur“ nicht als das Immer-Seiende und „Kultur“ als das historisch Wandelbare, sondern zeigt, wie auch „Natur“ immer wieder hervorgebracht wird, sich in Knotenpunkten der Geschichte verdichtet, damit aber innerhalb einer bestimmten Konstellation sehr Veränderungs-resistent ist.
Aus diesem Grund fordert sie die Einsicht (und da kommt sie Uwis anderem Artikel in der Oberfläche recht nahe), dass Frauen durchaus Gewalt angetan wird, wenn sie „gleichgemacht“ würden, weil diese „Gleichmachung“ im Grunde nichts anderes als eine „Vermännlichung“ sei: Ideale von Bindungslosigkeit, Erfolgsorientierung, etc., damit aber der „Natur“ (welche bei Irigaray eine historisch variable ist!) der Frauen widersprechen würde.
Frauen würden so gewissermaßen von sich selbst entfremdet.
Den Hauptgrund für diese „Gleichstellung“ bzw. „Vermännlichung“ sieht sie übrigens in der Notwendigkeit der Inklusion der Frauen als Arbeitskräfte in den Prozess der Kapitalreproduktion, ein Prozess, der genuin patriarchalisch sei.
Ergo: „Gleichstellung“ als List der patriarchalischen Vernunft, also als ein Vorgang, für den gerade diejenigen kämpfen, gegen die er sich richtet.
Viele Grüße
franz