Mithraskult und Christentum

Hallo

Aus einer Abhandlung über Mysterienkulte:

„Eine vom Propheten Zarathustra stammende Ueberlieferung verlangte, dass Mithras, der wunderbarerweise jedes Jahr am 25. Dezember in einer Höhle neu geboren wurde…“

„Mithras, ein Mitglied der heiligen Dreiheit des persischen Mazdaismus…“

Wann und warum übernahm das Christentum diese Elemente des Mithraskultes? Die Uebereinstimmungen finde ich frappant.Für weiterführende Literaturhinweise bin ich dankbar.

Danke + Gruss
Mäni

Mithra, Christus und Götter-Triaden
Hi scriptor

Die Abhandlung über Mysterienkulte, aus der du die Zitate hast, gibt diese interessanten Texte teils iranischen, teils syrisch-christlichen Ursprungs nicht ganz korrekt wieder:

„Eine vom Propheten Zarathustra stammende Ueberlieferung
verlangte, dass Mithras, der wunderbarerweise jedes Jahr am
25. Dezember in einer Höhle neu geboren wurde…“

Es handelt sich hier um die sog. „Chronik von Zuqnin“, ein christlicher Text aus Syrien, in dem deutlich erkennbar eine iranische Vorlage bearbeitet wurde, die ihreseits vorchristlich ist und aus parthischen Kulten (Zervanismus und Mithraismus) des 2. und 1. Jhdt v.Chr. stammt. Dort ist allerdings von einer dem Zarathustra zugeschriebenen Weissagung die Rede, die sich auf ein in einer Höhle geborenes Kind bezieht, das dort von „Magiern“ (magi = medische Priester) aufgefunden und als neuer König im Kampf gegen das Böse verehrt wird. Dieses Kind wird als Wiedergeburt des Gottes Mithras verstanden.

Mit Zarathustra (vor 6.Jhdt. v.Chr.) selbst, der mit Ahura Mazda („Herr des Wissens“) eine Art Monotheismus einführte, hat das nichts zu tun.

Die Chronik von Zuqnin setzt wiederum das parthische (wenn auch in griechisch geschriebene) „Orakel von Hyaspes“ fort, das in den 2 vorchristlichen Jahrhunderten im ganzen vorderen Orient kursierte und irgendwann in dieser Zeit entstanden war. Hierbei handelt es sich um eine Endzeit-Apokalypse, in der ebenfalls von einem himmelsgesandten Erlöser-König die Rede ist. Vermutet wird, daß dieser Text von Mithradates als Kampfschrift gegen die verhaßten Römer verwendet wurde.

Die enormen, bis in die Details gehenden Parallelen der Chronik von Zuqnin zu der christlichen Bethlehem-Legende sind unübersehbar und es ist nicht auszuschließen, daß Letztere überhaupt aus verschiedenen iranischen Kult-Quellen stammt (Zervanismus, Mithrazismus usw.).

„Mithras, ein Mitglied der heiligen Dreiheit des persischen
Mazdaismus…“

Ein „Mazdaismus“ ist mir völlig unbekannt. Es gibt einen Mazdakismus, der auf Mazdak, den Nachfolger des Manichäers Bundos zur Zeit Diokletians zurückgeht.

Sowohl im Mithrazismus als auch im Zervanismus gibt es zwar Triaden von Göttern, aber keine Trinität. Über den Unterschied habe ich schon mal gepostet:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Mithras (der in der Zarathustrischen Religion noch gar nicht existiert) ist zwar eine spätere Weiterentwicklung des altiranischen Mithra, der seinerseits zu den altindischen (und wahrschienlich allgemein indogermanischn) Triade Mitra-Varuna-Indra gehört, aber auch Mithra hatte seine „Eigenschaften“ gegenüber dem indischen Mitra bereits erheblich gewechselt.

Im Mithras-Kult handelt es sich um

  1. Aion = Saeculum = Weltalter, Ewigkeit
  2. Die Dyade Zeus = Jupiter (Licht, das Gute) vs. Pluto = Ahriman (Iranisch-semitische Kulturbegegnung in parthischer Zeit
    Köln-Opladen 1960

Gruß

Metapher

Hallo Mäni!

Das frühe Christentum übernahm diese Elemente nicht direkt aus dem Mithraskult, sondern beide schöpften gemeinsam aus dem altorientalisch-mediterranen „Symbolpool“. Der 25. Dezember war das antike Sonnenwenddatum und von daher in vielen Kulten von Bedeutung. In Rom war es der Tag des „Sol invictus“, des unbesiegbaren Sonnengotts, und wurde dort zuerst (seit Ende des vierten Jh.) als Geburtsfest Jesu Christi begangen.
Auch die Drei hatte seit ältesten Zeiten „heilige“ Bedeutung (Mann+Frau+Eros, Vater+Mutter+Kind etc.) und Götter-Dreiheiten gab es von Indien bis zu den Säulen des Herkules :wink: Im Unterschied zu allen anderen Kulten gruppierte das Christentum diese Symbolwelt (mit spezifischer Neuakzentuierung) um die Gestalt eines historisch lokalisierten Menschen.

Mit Literatur kann ich auf die Schnelle nicht weiterhelfen - aber du hast ja Google…

Gruß,
Peter

addendum: der 25. des Monats

das hatte ich noch vergessen:

In der erwähnten Chronik von Zuqnin, auf die allein sich dein Zitat beziehen kann, ist zwar von einem „25. des Monats“ die Rede. Aber es ist ein Irrtum, daß damit der Tag der Geburt gemeint ist. Es ist vielmehr der Tag des Besuchs der „magi“, der Priester, die an diesem Tag „wie jeden Monat“ in der Höhle ein kultisches Ritual vollzogen.

Welcher Gottheit dieser Tag (in diesem Text) geweiht war, ist unbekannt. Aber bekannt ist, daß der 25. Tag eines Monats bereits in altpersicher Zeit der Fruchtbarkeitsgöttin Aschi gewidmet war.

Metapher

Hallo Metapher

Herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort.

Ein „Mazdaismus“ ist mir völlig unbekannt. Es gibt einen
Mazdakismus, der auf Mazdak, den Nachfolger des Manichäers
Bundos zur Zeit Diokletians zurückgeht.

Mazdaismus findet sich bei Mr. Check:
Maz|da|is|mus [[mas…] ] der; - : die von Zarathustra gestiftete altpers. Religion. Auch bei google findet sich eine ganze Menge, auch über Mazdakismus. Muss mich demnächst schlau machen.
Der Autor der mir vorliegenden Abhandlung ist Spiro Kostof, Dozent an der University of California und Präsident der Society of Architectural Historians. Wie mir scheint, ein amerikanischer Historiker mehr, der mit Vorsicht zu geniessen ist.

Gruss
Mäni

keine 3-heit weit und breit

Mazdaismus findet sich bei Mr. Check:

Ok, aber trotz Mr. Check wird die Religion des Zarathustra (eigentlich Sarathuschtra) Zoroastrismus genannt. Zoroaster ist die griech. Version von Zarathustra. Aber wenn der gemeint war, dann ist die Aussage

„Mithras, ein Mitglied der heiligen Dreiheit des persischen Mazdaismus…“

erst recht haarsträubend falsch. Zarathustra hat mit seinem ganz abstrakten Gottesbegriff Ahura Mazda und den beiden kontrastierenden spnta mainyav und angra mainyav (heiliger Geist und hassender Geist) ein Amalgam aus Monismus und Dualismus gestaltet. Eigentlich ein Montheismus mit einem inneren, systmatischen Widerspruch. Da ist von Dreiheit nicht die Spur.

Und von Mithras ist erst recht nicht die Rede, den gab es nämlich zur Zeit Zarathustras noch gar nicht. Es gab allerdings, wie gesagt, in dieser Zeit Mithra , die altpersiche Variante des indischen Mitra. Aber der ist nicht identisch mit Mithras.

Dreiheiten gab es im späteren Mithrazismus und Zervanismus (ich erwähnte es schon), aber auch da ist der Ausdruck „Dreiheit“ im Grunde absurd, da sie nicht zu einer Aufzählung gehörten und nicht zueinander koordiniert waren.

Gruß

Metapher

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Hallo scriptor,

Aus einer Abhandlung über Mysterienkulte:

„Eine vom Propheten Zarathustra stammende Ueberlieferung
verlangte, dass Mithras, der wunderbarerweise jedes Jahr am
25. Dezember in einer Höhle neu geboren wurde…“

nach dem, was Metapher geschrieben hat, dürfte die Abhandlung wirklich Schrott sein.

Aber was sollte es für einen Sinn machen, dass Mithras jedes Jahr neu geboren wurde? Welche Leistung erbringt ein Kind im ersten Lebensjahr? Und was geschieht mit ihm nach Ablauf des Jahres?

Jesus wurde nicht jedes Jahr neu geboren. Bei seiner Kreuzigung war er bereits 30.

Da sehe ich also nicht die geringste Ähnlichkeit zum Christentum.

Gruss Harald